Bautechnisches aus Kom Ombo
Bautechnisches aus Kom Ombo
Die baulichen Reste der Tempelanlage von Kom Ombo sind für das Studium ptolemäisch-römerzeitlicher Bautechnik ein wahres "El Dorado". Der den Göttern Sobek und Horus geweihte Doppeltempel ist so "herrlich kaputt", daß er interessante Einblicke in die Mauerstukturen und die Versatztechnik der Steinquader bietet, wie sie sonst nicht immer möglich sind. Natürlich ist es die Bilderflut, welche in erster Linie die Aufmerksamkeit der meisten Besucher in Anspruch nimmt, aber der "Blick aufs Technische" lohnt sich ebenfalls - sofern man "zwischen den Steinen lesen" lernt. 1893 freigelegt.
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Kom Ombo, Blick über den Hof zum Pronaos.
Bauphasenplan der Tempelanlage (Grundlage: Arnold)
Bauliche Reste und Steinblöcke belegen schon für die Zeit der 12. Dynastie, Amenhoteps' I., der Thutmosiden und Ramses' II. die Existenz von Vorgängerbauten. Die jetzige Tempelanlage wurde unter Ptolemäus VI . Philometor begonnen, wie aus Inschriften am Pronaos und dem Pylon aus der Zeit Ptolemäus' XII. Neos Dionysos zu schließen ist, jedoch wurde an der Dekoration noch bis ins 2. und 3. Jahrhundert n . Chr. gearbeitet.
Von dem großen Mammisi Ptolemäus' VIII. Euergetes' II . (Physikon), daß sich vor dem Tempel befand, künden nur wenige Maurreste, da dieser Teil des Tempelkomplexes im 19. Jahrhundert vom Nil untergaben wurde und abstürzte.
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Der Doppeltempel besteht aus zwei nebeneinander verlaufenden Tempelanlagen, sodaß es keine mittlere Eingangachse gibt, sondern eine Abfolge von Doppelportalen. Dabei ist die nördliche Hälfte des Sanktuariums dem Krokodilsgott Sobek geweiht, die südliche dem Falkengott Horus, wodurch die Raumabfolge und Disposition sowie das Dekorationsschema bestimmt werden.
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Links: Kom Ombo, Reste des Pylons, dahinter die Hathorkapelle.
Rechts: Blick über die Reste des Vorhofes zum Pronaos
P1252266.JPGKom Ombo, Blick über die Reste der beiden Sanktuaien zu den Vorhallen
Zur jüngsten Bauetappe gehören der heute nurmehr in Resten vorhandene, ursprünglich doppeltorige Pylon und der von Säulen umgebene Hof sowie die Umfassungsmauern. Es folgen der drei Joche tiefe Pronaos mit 5 Säulenpaaren, an dem ein weiterer Säulensaal und drei Vorsäle anschließen. Von den beiden Sanktuarien haben sich lediglich die unteren Teile als monumentaler Grundriß erhalten.
Hinter den Sanktuarien befinden sich in der jüngeren Umfassungsmauer zahlreiche Kryptenkammern. Andere kultisch erforderliche Baukomplexe, wie der Neujahrshof oder das Wabet sowie das schon erwähnte Mammisi (Geburtshaus) wurden im Gegensatz zu anderen, zeitlich vergleichbaren Anlagen (Dendera, Edfu) aus Gründen der örtlichen Topographie nach Norden verlegt.
Nach Arnold zählt Kom Ombo zu den schönsten der großen sechs noch stehenden ptolemäerzeitlich-römischen Tempel in Kalabscha, Philae, Edfu, Esna und Dendera. Soviel zur zeitlichen und räumlichen Orientierung. Wenden wir uns also den bautechnischen Details zu:
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Die beiden Aufnahmen der südlichen Umfassungsmauer zeigen das Wesentliche einer ptolemäisch-römerzeitlichen Quadermauer. Sie besteht durchgehend aus Hausteinen, die vor allem im Bereich der Außenquadern durch Schwalbenschwanzdübel verbunden sind. Ähnlich sind - ganz allgemein gesehen - auch die Mauern griechischer Tempel aufgebaut. Ganz anders würde zB eine römische oder mittelalterliche Quadermauer aussehen. Hier würde im Material und Aufbau zwischen der Mauerschale und dem Mauerkern unterschieden werden: Zwischen die beiden äußeren Mauerschalen (bei Vitruv, 1. Jh. v. Chr., im 2. Buch, Kap. 8 "crustae" genannt) aus Haustein hätte an ein Bruchstein-Mörtel-Gemisch (die "Mauerspeise") eingebracht. Die ägyptischen Mauern bestehen durchwegs aus sorgfältig zugerichteten Hausteinen.Die Schwalbenschwanzdübel können aus Holz, Stein oder Metall sein. Die obige Detailaufnahme läßt gut erkennen, wie solche schwalbenschwanzförmige Dübellöcher mit Meißel und Spitzmeißel herausgearbeutet wurden.
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Links: Dübelloch, an den Stoßfugen kleine nach links gerichtete Ansatzlöcher für den Einsatz eines Justierhebels.
Die nächste Quaderreihe mit einem schönen ptolemäischen Steinmetzzeichen.
Rechts: vor dem Dübelloch trapezförmiges Justierloch. In der Mitte der Lagerfugen an der Unterseite aller
aufliegender Quader ist der Stein durch den Einsatz des Justerhebels ausgebrochen.
P1252311.JPGBei näherer Betrachtung der Lagerflächen der Quader fallen sofort die Spuren der ptolemäischen und sinngemäß auch griechischen Versatztechnik auf. An der Oberseite (Oberlager) der vorangehenden Quaderreihe wurden dort, wo die Quader mit den Schmalseiten aneinandergefügt sind (Stoßfugen), einseitig und mittig kleine trapezförmige Ausnehmungen eingestemmt. Nach dem Auflegen des nächsten Quaders wurde in diese Ausstemmung ein Justierhebel (ähnlich einem Brecheisen) eingesetzt und der Quader damit in die Endposition geschoben. Dabei brach häufig ein Teil der Unterkante des angeschobenen Steins aus. Bei größeren Blöcken mußte man mehrere Justierhebel ansetzen, wie etwa auf nebenstehendem Bild zu erkennen ist. Auch hier hat sich ein Steinmetz mit einem Zeichen verewigt. Die Ausnehmung an dr linken Oberkante des Blocks zeigt wieder ein Dübelloch.
P1252312.JPGNicht jedes Justierloch kam an einer Stoßfuge zu liegen, da die Quader ja so zu verlegen waren, daß die Stoßfugen zur Vermeidung statischer Insuffizienzen gegeneinander versetzt werden sollten. Neben der "regulären Form der Justerlöcher gibt es daher einige, die an beliebiger Stelle des Oberlager (Quaderspiegel) situiert wurden. Dies ist ein Hinweis, daß die Justierlöcher offensichtlich erst nach dem Versetzen der unteren Quaderschicht herausgearbeitet wurden.
Von der hohen handwerklichen Kunstfertigkeit der ägyptischen Steinmetzen kündet der Steinschnitt der Quader selbst und die Eigenheiten einer differenzierten Gestaltung der Lagerflächen.
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Die Lagerflächen wurden nur an den Rändern sorgfältig geglättet, während die Binnenfläche etwas vertieft mit einem schmalen Meißel "aufgerauht" wurde. Die Quader liegen also nur an den Rändern mit Preßfugen auf. Der "Mittelstreifen" folgt mit Akribie dem Kontur des oft komplizierten Steinschnitts der Stoßfugen. Es handelt sich also nicht um ein bloßes "Aufspitzen" oder bossieren des Quaderspiegels, sondern um ein ganz bewußt gestaltetes Oberflächenfinish. Man wird damit rechnen können, daß die ansich trocken verlegten Quader auf einer dünnen (dünnflüssigen?) Gipsmörtelschicht (Gleitmittel?) positioniert wurden.
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Die differenzierte Bearbeitung der Stoß- und Lagerfugen wird am nebenstehenden Detail deutlich: die Lagerfläche ist geglättet und mit "Mittelsreifen", während die Stoßfläche - also dort wo der nächste Quader lediglich angeschoben wird - mit einem wenig sorgfältig angelegten Randschlag versehen, sonst aber grob abgespitzt ist. Beachtenswert ist auch der Fugenschnitt selbst: es werden nämlich nicht prismatische Quader nebeneinander gesetzt, vielmehr gibt es hakenförmige Einklinkungen und die in Längsrichtung der Mauerflucht angelegten Fugen verlaufen meist im zick-zack. Damit sollen wahrscheinlich auftretende Längskräfte in der Mauer egalisiert werden.
Neben diesen bautechnisch eher leicht zu interpretierenden Befunden gibt es allerdings einige Auffälligkeiten, welche übrigens nicht nur auf Kom Ombo beschränkt sind, die sowohl in ihrer zeitlichen Stellung, als auch in ihrer Zweckbestimmung noch einer Aufklärung harren. Im Folgenden können daher nur die Befunde näher vorgetellt werden.
[Fortsetzung: Seltsames aus Kom Ombo und anderswo]
Siehe auch:
Konstruktive Details an ägyptischen Tempeltüren und Portalen: Kom Ombo
(Stand 30. 3. 2006)
Notizen 2006: Jänner | Februar | März | April | Mai | Juni | Juli | August | September | Oktober | November | Dezember
Seltsames aus Kom Ombo und anderswo
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Kom Ombo, südlicher Umgang um das Sanktuarium. Gegengleiche Ausstemmungen. Detail: unter dem rechten Bein (Sokar) eine der bei den ägyptischen Tempeln so häufigen Schleifrillen
Im Bereich des Umgangs um das Doppelsanktuar haben sich einige sehr sorgfältig ausgearbeite Ausstemmungen erhalten, die nachträglich (wann?) ausgearbeitet wurden. Noch später sind vereinzelt angebrachte Schleifrillen. Solche - stets von oben nach unten schräg in die Wand eingetiefte - Ausnehmungen finden sich nicht nur in Kom Ombo, sondern auch an anderen Tempelbauten, wo sie teilweise sogar mitten auf der Fassade der Pylonen erscheinen. Sie stammen von einem späteren, wohl sehr massiven Einbau und man denkt zunächst an die Kämpferzone eines Gewölbes, das nachträglich hier eingehängt wurde. Dabei wird die ältere Wand gegengleich schräg ausgestemmt, um den Bogenanfängern des Gewölbes einen sicheren Halt zu geben. Im obigen Fall scheint dies zunächst zutreffend zu sein und man könnte die Interpretation des Befundes als erledigt betrachten.
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Kom Ombo, östlicher Korridor. Die rechte Mauer gehört zum Doppelsanktuarium. An der linken Mauer (= östl. Umfassungsmauer des Tempelkomplexes) unten eine vermauerte Ausstemmung, die jedoch nicht mit den rechten Ausstemmungen korrespodiert.
Leider wird man aber rasch eines Besseren belehrt, denn geht man im Bild oben links um die Ecke in den östlichen Korridor, dann steht man vor einem rätselhaften Befund: Neben den zu erwartenden gegengleichen Ausstemmungen für einen sekundären Gewölbeanschluß (im Bildhintergrund) folgt in der Nordostecke an der Mauer des Sanktuariums eine Folge von drei knapp übereinanderliegenden Ausstemmungen gleicher Höhe. Schon hier fällt die Interpretation schwer, denn es müßte sich um drei fast aufeinanderliegende Gewölbe (oder flache Decken?) handeln. Noch mehr verwirrt, daß auf der Gegenseite an der Umfassungsmauer die Ausstemmungen fehlen bzw. überhaupt nicht mit den Gegenstücken an der Sanktuariumswand korrespondieren! Welche Art von massiv dimensionierten Einbau hätte man sich hier also vorzustellen? Die gleiche ungelöste Frage könnte man natürlich auch bei ähnlichen Befunden an den Pylonen stellen.
edfu004det.jpg Edfu, ca. 1865 (Ausschnitt aus Zangaki?)
Siehe auch:
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Kom Ombo: Sokar und der Pharao stehen vor der Darstellung der Fassade eines Sanktuars oder Schreins.
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Philae bzw. Agilkia, Isis-Tempel: schräge Ausstemmungen an der Ostseite des 1. Pylons
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Philae bzw. Agilkia, Isis-Tempel: schräge Ausstemmungen am 1. Pylon, Ostturm, Südfassade. Die obere Ausstemmung steht offensichtlich in einer funktionalen Beziehung zur darunterliegenden Reihe von Balkenlöchern. Man denkt an die Einstemmung für eine Dachschräge (Pultdach), wobei die Balkenlöcher für die Trambalken gehören würden. In dieser Höhe macht ein Dach jedoch keinen Sinn.
Ähnlich massive Ausstemmungen sind auch noch auf alten Aufnahmen der Fassade von Edfu zu sehen. Sie sind heute durch Abmauerung fast unkenntlich gemacht.
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Daß ein vorschnelles Urteil über scheinbar leicht zu interpretierende Baubefunde sich allzubald als offenes Problem erweisen kann, zeigen Kom Ombos Steinösen. Sie fallen zunächst bei den Portalen auf, wo sie als eindeutig spätere Ausstemmung grosso modo in Körperhöhe befinden. Man denkt zunächst an Seilbefestigungen für irgend eine Art von späterem Portalverschluß, oder an Ösen an welchen Hirten nach dem Ende der Nutzung des Gebäudes als Tempel ihr Vieh anbanden. Für letztere scheinen die Ösen allerdings etwas zu sorgfältig ausgearbeitet und manchmal zu groß dimensioniert. Sieht man sich die Verteilung der Steinösen etwas näher an, so finden sie sich an den unterschiedlichsten Stellen, die sich weder aus Türverschlüssen noch aus Anbindestellen erklären lassen. Eine plausible Erklärung steht noch aus. Möglicherweise besteht auch ein Zusammenhang mit dem teilweisen Abbruch der leerstehenden Tempelanlage. Wurden hier etwa Seile für den Abtransport oder für Hebevorrichtungen beim Abbauen der Quader durchgezogen?
Ganz allgemein betrachtet kommen Ösenlöcher praktisch von der Urzeit bis in die jüngere Vergangenheit vor. Zum Vergleich sei hier ein Beispiel aus der Stein-Kupfer-Zeit vorgestellt. Die Befunde stammen von maltesischen Megalithtempeln, die bis ins 19. Jahrhundert an diesen Stellen obertägig nicht zugänglich waren. Man darf daher annehmen, daß diese Ösenlöcher aus der Erbauungszeit der Megalithbauten stammen. Sie befinden sich fast ausschließlich nur im unmittelbaren Portalbereich, sodaß sie in Zusammenhang mit einer Verschlußvorrichtung gesehen werden können.
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Links: Malta, Tempel von Tarxien, innere Portalanlage mit zwei gegengleichen Ösenpaaren. Im Orthostaten des linken Torgewändes rundes Loch für einen Riegelbalken (?). Rechts: Malta, Tempel von Mnajdra (bei Hagar Qim), bodennahes Riegelbalkenloch und Steinöse. Im Gegensatz zu den meisten Steinösen im Portalbereich der maltesischen Megalithbauten ist diese hier nicht durchgehend. (Der Finger steht am Ende des Loches an).
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Kom Ombo, Justierloch und Dübelloch aus der letzten Bauphase des Tempels. Das Ösenloch ganz rechts konnte erst nach Abtragung der Quadermauer ausgearbeitet werden.
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Kom Ombo, zahlreiche Ösenlöcher und Wetzmulden (Schleifmulden) an einem Mittelpfeiler zwischen den Doppelportalen der Vorräume. Die untersten Ösenlöcher sind in ca. 3 m Höhe.
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Ösenloch im Pronaos des Tempels von Edfu
(Stand 31. 3. 2006)
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