BERICHT ÜBER DIE AKTUELLE BAUFORSCHUNG AN ST. STEPHAN IN WIEN (1992 - 1994)
BERICHT ÜBER DIE AKTUELLE BAUFORSCHUNG AN ST. STEPHAN IN WIEN (1992 - 1994)
Rudolf Koch, Wien
Aus: Anzeiger der phil.-hist. Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 131, 1994, S. 285 - 302. [Gesamtindex]
Manuskript vorgelegt vom w. Mitglied Herrmann Fillitz in der Sitzung am 14. Dezember 1994.
Die Erforschung der baulichen Genese und der Zusammenhänge der Domkirche St. Stephan in Wien von der ältesten Erscheinung des bestehenden Bauwerks bis zum heutigen Bestand gehört trotz einer nahezu 150jährigen Forschungstätigkeit zu den großen Desideraten der Kunstgeschichte [1]. Die Entwicklung von modernen Methoden der historischen Bauforschung [2], die Einbeziehung naturwissenschaftlicher Analysen und restauratorischer Untersuchungen sowie die vermehrte Kenntnis um stilgeschichtliche Zusammenhänge ermöglichen es, ein wesentlich differenzierteres Bild der Entstehungsgeschichte und neue Forschungsansätze zur Problematik der Domfrage zu entwerfen, welche über den zuletzt in der 1981 erschienenen Monographie [3] von St. Stephan zusammengefaßten Forschungsstand hinausgehen.
Die Ausführung dieses Forschungsvorhabens wurde durch die Kooperation der Kommission für Kunstgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (OBMANN UNIV.-PROF. DR. H. FILLITZ) mit dem Bundesdenkmalamt (GENERALKONSERVATOR HR UNIV.-DOZ. DR. E. BACHER) und der Dombauhütte (DOMBAUMEISTER DIPL.-ING. W. ZEHETNER) ermöglicht, wobei die Österreichische Akademie der Wissenschaften wesentliche finanzielle Mittel aus einer Sonderdotation der Stadt Wien (Domforschungsprojekt) zur Verfügung stellte [4].
Die zeitliche Abfolge und praktische Durchführung der Bauuntersuchungen wurde in erster Linie von der Aufstellung von Gerüsten, in zweiter Linie vom Vorhandensein geeigneter Planunterlagen [5] für die steingerechte Dokumentation der Befunde bestimmt. Die erste Untersuchungskampagne begann daher 1989 mit der petrographischen Aufnahme und Beurteilung des Verwitterungszustandes der Außenfassaden am Albertinischen Chor durch ein Geologenteam unter der Leitung vom H. W. MÜLLER [6]; 1992 erfolgten die Analyse der Bau- und Gefügestruktur durch G. SEEBACH und die Untersuchungen zur Bauplastik (Wasserspeier und Konsolen) durch R. WLATTNIG. Aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse über Gesteinsmaterial, Bearbeitungsspuren und Baustruktur konnte der methodische Ansatz überprüft und modifiziert werden, wobei sich eine weitere Differenzierung einzelner Bauphasen und ihrer Korrelation mit der zeitspezifischen Verwendung unterschiedlicher Baugesteine ergab.
Die derzeit noch laufende zweite Forschungskampagne hat die Untersuchung der Westanlage zum Gegenstand [7]. 1992 wurden zunächst die unteren Teile der Westfassade von einem fahrbaren Gerüstturm bis in eine Höhe von 10 m befundet, 1993 die oberen Partien bis zum ersten Geschoß der oktogonalen Heidenturmaufsätze unter Einsatz einer Hebebühne. Für die Autopsie des Helmaufsatzes am südlichen Heidenturm konnten die wegen akuter Baumängel errichteten Gerüste benützt werden. 1994 wurde durch die Unterstützung des Dombaumeisters die Turmkammer im Erdgeschoß des nördlichen Heidenturmes geräumt und einer Analyse zugänglich gemacht. Durch die Räumung und geplante Umgestaltung bzw. Neuadaptierung der Bartholomäuskapelle im Obergeschoß des südlichen Fassadenteils ergab sich die Gelegenheit, diesen Raum und den über dem südlichen Seitenschiff der Empore angrenzenden Ostteil erstmals einer eingehenden Bauuntersuchung zu erschließen. Da sowohl die Erdgeschoßkammer im nördlichen Heidenturm als auch die Bartholomäuskapelle historische Fassungen bzw. Verputze aufweisen, wurde eine Untersuchung durch Restauratoren [8] des Bundesdenkmalamtes vorgeschaltet. Fehlende Bauaufnahmen dieser Teile wurden von der Architekturabteilung bzw. den Photogrammetern des Denkmalamtes erstellt und durch steingerechte Handaufmaße während der Befundungen ergänzt.
Als Vorbereitung für die nächste Forschungskampagne (Frühjahr 1995) wurde weiters eine steingerechte Abwicklung des gesamten nördlichen Treppenturmes und eine Photodokumentation der zugänglichen Innenwände im Bereich der Empore und der letzten beiden quadratischen Heidenturmgeschosse angefertigt. Die Mitbenützung einer Kleinhebebühne [9] im Dominneren gestattete die petrographische Dokumentation der an die Westempore anschließenden Fassadenteile in den Seitenschiffen und die Untersuchung im Querschiffsbereich. Zu erwähnen sind für die Untersuchungskampagne 1992 - 1994 noch petrographische Teilbefundungen und Probenentnahmen im Bereich der Langhausstrebepfeiler und des unausgebauten gotischen Nordturmes.
Eine erste Zusammenfassung von Einzelergebnissen aus den seit 1989 laufenden Untersuchungskampagnen wurde 1994 in mehreren Beiträgen publiziert und für weitere Forschungen zur Diskussion gestellt [10]. Der Vorbericht beschränkt sich daher auf das Resümee der 1992 - 1994 erfaßten und neu hinzugekommenen Befunde am Westbau von St. Stephan. Die Komplexität der jüngsten Baubefunde in den oberen Turm- und Kapellenräumen um die südwestliche Bartholomäuskapelle - hier überlagern und durchdringen einander Bauteile des 13., 14. und 15. Jahrhunderts, die ihrerseits in Strukturen des 19. und 20. Jahrhunderts (Restaurierungen und Neubauten nach dem Dombrand von 1945) eingebunden sind - hat gezeigt, daß erst nach der Auswertung weiterer Untersuchungen, vor allem auf der Empore und im nördlichen Heidenturm, eine gesicherte baugeschichtliche Interpretation möglich ist. Seitens der Kommission für Kunstgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist geplant, nach Abschluß und Auswertung der Untersuchungen die wissenschaftlichen Ergebnisse in monographischer Form zu publizieren.
Die Befunde der Bauuntersuchung an der Westfassade
Seit den Grabungen und Bauuntersuchungen ALOIS KIESLINGERS [11] und KARL OETTINGERS [12] nach dem Dombrand von 1945 wurde angenommen, daß sich die ältesten Teile der ersten Stephanskirche von 1137/47 im Aufgehenden nur im Kern der beiden untersten Heidenturmgeschosse erhalten haben. Die dort vorgefundenen würfelkapitellartigen Gewölbekonsolen hat FRANZ KIESLINGER [13] stilistisch mit jenen der Krypta von Gurk verglichen, woraus sich ergibt, daß noch im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts an der Westanlage von St. Stephan I gebaut wurde. Da jedoch die Fassade in ihrer Bauornamentik ausschließlich spätromanische Formen zeigt, postulierte JOSEF ZYKAN [14] eine "Ummantelung" der Fassade beim Neubau von St. Stephan II ab dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts, zu der auch die Errichtung des Riesentores gehörte. Der ungegliederte Baukörper im oberen Mittelteil der Fassade und die beiden oktogonalen Turmaufsätze wurden allgemein einer Wiederherstellungsphase nach den Stadtbränden von 1258 bzw. 1278 zugeschrieben, wobei aus den Beobachtungen von FRIEDRICH VON SCHMIDT bekannt war, daß die Turmhelme des 13. Jahrhunderts aus glasierten Ziegeln sich unter der Steinverkleidung des 15. Jahrhunderts erhalten haben. Ab dem 14. Jahrhundert wurden die flankierenden doppelgeschossigen Westkapellen an die Heidentürme angebaut und im 15. Jahrhundert die mittlere Fassadenwand bis ins zweite Geschoß der oktogonalen Turmaufsätze erhöht sowie das große gotische Westfenster ausgebrochen.
Über die Datierung der Vorhalle des Riesentores, dem "Vorgelege", war die Forschung seit den Untersuchungen FRIEDRICH VON SCHMIDTS [15] kontroversieller Ansicht: zeitgleich mit dem Figurenportal oder gotisch [16]. Zuletzt fand die Hypothese ERIKA DOBERERS [17], daß der Vorbau und Teile der figuralen Ausstattung des Portals aufgrund struktur- und stilanalytischer Überlegungen das Ergebnis einer historisierenden Umgestaltung aus der Zeit um 1500 seien, Eingang in die Literatur. Eine Erweiterung dieser Hypothese von einer romanisierenden Umbauphase um 1500 auf die gesamte Fassade, wie sie ORTOLF HARL [18] vorschlug, erwies sich als unhaltbar [19].
Das mittelalterliche Baugefüge der Fassade blieb bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts im wesentlichen unverändert. Erst die notwendigen Restaurierungsmaßnahmen unter FRIEDRICH VON SCHMIDT und vor allem unter JULIUS HERMANN führten zu neuerlichen strukturellen Eingriffen. Die restauratorischen Maßnahmen nach dem Dombrand von 1945 beschränkten sich auf die Wiederherstellung des großen gotischen Westfensters und der Fenstergewände im ausgebrannten südlichen Heidenturm sowie die Sicherungsmaßnahmen am Turmhelm [20]. Über den Umfang der substanziellen Veränderungen im 19. Jahrhundert liegen lediglich summarische Berichte der Dombaumeister vor; die Auswechslungen und Ergänzungen nach 1945 sind weitgehend undokumentiert, so daß eine Differenzierung der neuzeitlichen Eingriffe in die mittelalterliche Bausubstanz durch Abbildungen ab 1792 und den petrographischen Befund erfaßt werden mußte.
Zusammenfassung des petrographischen Befundes (Farbabbildung) [21]
Zwischen dem bisher erarbeiteten kunsthistorischen Datierungsgerüst und dem Gesteinsmaterial bestehen folgende Korrelationen:
Die romanischen Bausubstanz einschließlich der nach 1258 bzw. 1276 wiedererrichteten Bauteile der Heidentürme besteht ausschließlich aus Leithakalken vom Westrand des Wiener Beckens (Badenium Wien-Süd). Dieses Baugestein bildet auch die Hauptmasse des Riesentorvorbaus. Vergleichsuntersuchungen im Wiener Raum (Schottenkirche, Michaelerkirche) ergaben, daß dieses Gestein nach dem 13. Jahrhundert als Baumaterial nur mehr in Zweitverwendung nachweisbar ist.
Im 14. Jahrhundert findet ein Materialwechsel zu Mannersdorfer Leithakalken statt, wobei an den flankierenden Westkapellen eine zonale Abfolge von wiederverwendetem romanischen Abbruchmaterial festzustellen ist. Es darf erwartet werden, daß nach der befundmäßigen Klärung des Baugefüges im Bereich der gotisch umgestalteten Teile der Westempore aus diesem charakteristischen Wechsel von Altmaterial und Baugestein des 14. Jahrhunderts eine nähere zeitliche Gliederung in der Baugenese der Westkapellen erarbeitet werden kann.
In den Bauteilen des 15. Jahrhunderts (Leibungen des großen Westfensters, rückspringende Aufmauerung der spätgotischen Mittelschiffswand zwischen den oktogonalen Heidenturmaufsätzen) gelangten lediglich Quader aus Mannersdorfer Leithakalk zur Anwendung; der Vorrat an romanischem Altmaterial dürfte erschöpft gewesen sein. Durch diesen Materialwechsel konnte die genaue Ausbruchsgrenze zwischen dem spätgotischen Westfenster und dem romanischen Vorgängerbau lokalisiert werden, welche auch im Fugenversatz zum Ausdruck kommt.
Bei den Restaurierungen seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verwendete man hauptsächlich Kalksandsteinquader aus St. Margarethen im Burgenland, für die Auswechslungen am Fassadensockel (nördliche Fassadenhälfte) auch Konglomerat vom Westrand des Wiener Beckens.
Differenzierung des mittelalterlichen Baubestandes von den neuzeitlichen Veränderungen und Restaurierungen des 19. Jahrhunderts
Aus diesem petrographischen Befund gemeinsam mit Bildanalysen des Kupferstichs VON C. SCHÜTZ (1789, Abb. 1) [22] und Photographien aus den Jahren 1866 (A. GROLL), vor 1880 und um 1894 (Abb. 2) sowie den Berichten der Dombaumeister im Wiener Dombauvereinsblatt wurden folgende neuzeitliche Veränderungen festgestellt.
Im 18. Jahrhundert waren die Sockel der mittelalterlichen Pfeilergliederungen durch schräge Platten mit aufgemalten Kreuzen umfaßt. Diese barocke Verkleidung wurde vor 1866 entfernt, so daß die romanischen Sockelprofile wieder sichtbar wurden. Sie zeigten damals ein einfaches Wulstprofil, welches um die Wandvorlagen als Basis herumgeführte. Die Eckzier an den romanischen Basen der Wandvorlagen in Form fallender stilisierter Blätter - wie sie heute besteht - fehlte. Eine Wandvorlage mit dieser ursprünglich einfacheren Basenform hat FRIEDRICH VON SCHMIDT als bleibenden Befund an der Ostwand der Eligiuskapelle im südlichen Seitenschiff freigelegt. Außerdem waren in die beiden innersten, die Riesentorvorhalle flankierenden Wandvorlagen die Epitaphe für SIMON RÜCKHENPAUM (südliche Vorlage) und SEWASTIAN KHOBLER VON ST. GALLEN (nördliche Vorlage) eingetieft. Sie wurden kurz vor 1894 bzw. 1895 abgenommen, restauriert und 1896 an ihre heutige Stelle im rechten Wandfeld des südlichen Heidenturms transferiert. Im Anschluß daran wurden die gesamte Sockelzone einschließlich der Wulstprofile und -basen sowie der beschädigten romanischen Wandvorlagen bis in eine Höhe von rund 4,5 m erneuert, wobei JULIUS HERMANN 1898 nicht mehr die ursprüngliche romanische Profilform übernahm, sondern eine stilistisch an Vorbildern des 13. Jahrhunderts orientierte historisierende Form wählte.
Der Riesentorvorbau war schon im 18. Jahrhundert durch den Einbau eines Rokokogitters verändert worden. Da sich dieses zweiflügelige Gittertor nach außen öffnen ließ, wurden an den Ecken der Vorhalle zwei eiserne Befestigungshaken montiert und der gegen die spitzbogige Öffnung der Vorhalle abgeschrägte Plattensockel errichtet. Die Abfasung der südlichen Vorhallenkante entstand vermutlich erst unter LEOPOLD ERNST, der 1863 die "Pfeiler der Vorhalle" restaurierte [23]. Auf dem Stich von CARL SCHÜTZ befand sich hier lediglich eine kleine Figuren- oder Lichtnische.
Gravierende Interventionen in die mittelalterliche Bausubstanz der Vorhalle erfolgten erst beim Einbau des vom Hofschlosser ANTON BIRO gestifteten neugotischen Gittertores unter FRIEDRICH VON SCHMIDT im Jahre 1880. Sie betrafen vor allem umfangreiche Auswechslungen an den Schäften der Vorhallenöffnung, an den Quadern der anschließenden Torwangen und an der Archivolte des Spitzbogens. Im Gegensatz zu den späteren Fassadenrestaurierungen JULIUS HERMANNS übernahm jedoch FRIEDRICH VON SCHMIDT die vorgegebenen mittelalterlichen Formen und ergänzte am Spitzbogen bloß das innerste Birnstabprofil [24]. Auch der barocke südliche Orthostat mit drei Befestigungslöchern für die Scharniere des Rokokogitters blieb erhalten.
FRIEDRICH VON SCHMIDT beschreibt, daß er an den Quadern über der Vorhalle die "Abrißspuren der Vorhallenbekrönung" nachweisen konnte [25]. Leider wurden durch ihn und zuletzt nach 1945 die Quader dieser exponierten Stelle ausgewechselt, so daß die ursprüngliche Höhe des Vorbaus heute nicht mehr durch Befunde abgesichert werden kann.
Das Biforenfenster am nördlichen Heidenturm erneuerte FRIEDRICH VON SCHMIDT 1881 "nach dem Vorbild" jener Biforenfenster, die er im gleichen Jahr in der Nord- und Südwand der Heidentürme unter einer "völlig nutzlosen Vermauerung" freigelegt hatte [26]. Eigenartigerweise zeigt der sonst für bauhistorische Fragen verläßliche Kupferstich von 1792 eine gotisierende Maßwerkfüllung und eine stark abgeschrägte Sohlbank. Letztere ist noch 1866 bei A. GROLL überliefert. Die Binnengliederung und die heute gerade Sohlbank sind somit eine Neuschöpfung von 1881.
In die Jahre 1889 bis 1891 fällt als eine der letzten Arbeiten FRIEDRICH VON SCHMIDTS am Dom die Restaurierung der Rundfenster, insbesondere des gotischen an der Herzogenkapelle aus dem 14. Jahrhundert, das mit den "räthselhaften [Steinmetz-]Zeichen" kopiert wurde.
Von besonderer Bedeutung für die stilistische und strukturelle Beurteilung der Fassadengliederung sind die Veränderungen unter JULIUS HERMANN [27]. Im Gegensatz zur SCHMIDT'SCHEN Restaurierung sind diese durch großflächige Auswechslungen und vor allem - wie schon beim Fassadensockel aufgezeigt wurde - durch "stilkorrigierende Neuschöpfungen" gekennzeichnet. Nahezu die gesamte Fassadenoberfläche mußte steinmetzmäßig überarbeitet werden, da insbesondere im oberen Bereich die Quader mit einer Mörtelschicht überzogen und stark abgewittert waren.
1897 wurde mit der Restaurierung der nördlichen Fassadenhälfte begonnen und wegen herabfallender Steinteile zunächst der südliche und anschließend der nördliche Heidenturm eingerüstet [28]. Bis 1898 wurden am linken Fassadenteil der nordwestliche Eckpfeiler, die romanische Ecklisene mit dem über der Tirnakapelle liegenden Strebepfeiler und die Dachgalerie der Bartholomäuskapelle einschließlich des Ornamentfrieses erneuert; ebenso der Überleitungsgiebel mit dem Wandzwickel am nördlichen Heidenturmaufsatz und die Pfeilerbekrönungen an den romanischen Ecklisenen. Die oft bis zum Formverlust abgewitterten Dreipaßfriese und Konsolen wurden großteils kopiert. Wo noch genügend erhaltenswerte Altsubstanz vorhanden war, wie bei einigen Konsolen, wurde nur eine Hälfte ergänzt und dem Bestand angepaßt. Nicht rekonstruierbare Formteile, wie die Endigungen an den Dreipaßfriesen, beließ JULIUS HERMANN in der stereometrischen Grundform.
Die südliche Fassadenhälfte wurde 1898 bis 1901 im gleichen Umfang restauriert. Bei diesen Arbeiten mußten die Fenstermaßwerke und Ornamente der romanischen Rundfenster neuerlich steinmetzmäßig übergangen werden.
Die Restaurierung der Mittelfassade erfolgte 1901 bis 1903. Dabei wurden Teile der Sohlbank des gotischen Westfensters, die Verdachungen am Rücksprung zwischen der romanischen zur gotischen Westwand und die gesamte Westwand in Höhe der drei Figurenbaldachine bis einschließlich der Maßwerkgalerie erneuert. Bei der gleichzeitigen Restaurierung der Heidentürme wurden die bereits von SCHMIDT hergestellten Steinverkleidungen des südlichen Turmhelms abermals abgetragen und auch der nördliche Turmhelm zur Gänze erneuert. Substanziell sind, von den Auswechslungen um 1960 abgesehen, die Turmhelme als Kopien HERMANNS zu betrachten.
In der Zone der dreieckigen Überleitungsgiebel vom quadratischen Unterbau zu den oktogonalen Aufsätzen der Heidentürme blieb es unter Julius Hermann nicht beim reproduzierenden Auswechseln von Quadern, wie ein Vergleich mit älteren Abbildungen belegt. Schon bei CARL SCHÜTZ ist zu erkennen, daß nur der nördliche Giebel eine Giebelzier trägt. Der südliche Überleitungsgiebel besaß lediglich eine glatte Spitze. Außerdem schlossen vor der Restaurierung durch HERMANN an der Westfassade nicht alle Kantenlisenen der oktogonalen Heidenturmaufsätze unmittelbar an die Überleitungsgiebel an, sondern endeten bereits oberhalb mit einem konsolartigen Auslauf [29].
Die baulichen Reste der ersten Westananlage von St. Stephan
Die bisherige Forschung ging von der Annahme aus, daß der in den Untergeschossen der Heidentürme vorhandene Baukern aus dem 12. Jahrhundert (St. Stephan I) am Außenbau vollständig mit Gliederungsformen des 13. Jahrhunderts (St. Stephan II) ummantelt wurde. Wie jedoch die Bildanalysen und der an der Ostseite der Eligiuskapelle von SCHMIDT freigelegte Vorlagenrest belegen, wurden die ursprünglichen romanischen Sockel- und Basenformen durch J. HERMANN in historisierenden Formen des 13. Jahrhunderts wiederhergestellt. Die einfachere statische Form der originalen Profile zeigte hingegen stilistische Merkmale des 12. Jahrhunderts. Außerdem liegen die kleinen Rundbogenfenster, welche die Erdgeschoßkammern der Heidentürme belichten, seitlich aus der Mittelachse der Fassade verschoben und berücksichtigen bereits die mittleren Doppelvorlagen. Eine gleichartige Verschiebung aus der Mittelachse des Baukörpers weisen jene romanischen Fensteröffnungen auf, welche an der Nord- und Südseite nach außen führten und beim Bau der Westkapellen im 14. Jahrhundert vermauert wurden. Da sich an den Innenwänden der Turmkammern im Quaderversatz keine Hinweise für einen späteren Ausbruch der Fensteröffnungen im 13. Jahrhundert ergeben, müssen diese zeitgleich mit dem Kernmauerwerk von St. Stephan I entstanden sein. Somit konnte nachgewiesen werden, daß die Gliederung mit den breiten Wandvorlagen an den Turmecken und den schmäleren mittleren Doppelvorlagen unter den Rundfenstern noch dem Konzept des 12. Jahrhunderts angehören.
Dieser Befund wird durch eine neuerliche Interpretation der Fundamentuntersuchungen von 1970 gestützt [30]. Die dabei freigelegten Fundamente werden ebenfalls dem Bau von St. Stephan I zugeordnet [31]. Da der Fundamentvorsprung beim aufgehenden Quadermauerwerk der Fassade teilweise sehr breit angelegt ist, muß eine spätere "Ummantelung" in diesem Bereich ausgeschlossen werden.
Aus dem petrographischen Befund der Vorhalle des Riesentores geht eindeutig hervor, daß diese - mit Ausnahme der im 18. und 19. Jahrhundert erneuerten Teile - nahezu ausschließlich aus Leithakalken vom Westrand des Wiener Beckens (Badenium Wien-Süd), dem romanischen Baumaterial, besteht. Dieses wurde auch für die Bauplastik verwendet. Lediglich die durch das Inschriftenband (bez. 1500) datierte Stephanusfigur, die Stabwerkkapitelle und ein Ornamentstück am nördlichen Friesband bestehen aus dem Material der Gotik. Dieser Befund deckt sich mit den Bearbeitungsspuren an den nicht restaurierten Quadern. Sie zeigen kreuzförmige Hieblagen bzw. Hackspuren der "Fläche", dem Steinmetzwerkzeug der Romanik [32], so daß eine Entstehungszeit der Vorhalle um 1500 ausgeschlossen werden kann. Die Vorhalle ist daher dem Konzept von St. Stephan II aus dem 2. Viertel des 13. Jahrhunderts zuzuordnen.
Die Fassadenwand zeigt unmittelbar an die Vorhalle anschließend eine Baufuge, welche bis in die Höhe des Ornamentfrieses verläuft. Sie entstand erst durch die Ausbesserungen der Wandvorlagen unter JULIUS HERRMANN. Auf der Photograpie um 1894 (Abb. 2) ist im Bereich der Fehlstelle, welche durch die hier angebrachten Epitaphien entstand, zu erkennen, daß zwischen der Vorhalle und der Fassade unmittelbar an der Innenkante der Wandvorlage eine Baufuge situiert ist. Die Vorhalle des 13. Jahrhunderts wurde daher in das Baugefüge der Heidentürme des 12. Jahrhunderts eingeschoben, wobei sich die ältere Wandvorlage zwischen den Türmen als eine Art Eckpfeiler fortsetzte. Über dem Ornamentfries springt die Mittelfassade bis in die Ebene der Lisenenstirn vor. Zwischen Vorhalle, Fassadenwand und Vorlage besteht nun keine Baufuge mehr. Daraus folgt, daß die älteren Teile der Heidentürme beim Neubau im 13. Jahrhundert hier zumindest bis in die Höhe des Vorhallenfrieses beibehalten wurden.
Im Inneren des nördlichen Heidenturmuntergeschosses (Abb. 3) reicht der Erstbau bis in die Höhe der Würfelkonsolen. Das Mauerwerk des 12. Jahrhunderts ist durch eine auffallend sorgfältige Quadertechnik mit sehr schmalen (Preß-)Fugen charakterisiert. Über den Würfelkonsolen bricht diese aufwendige Versatztechnik ab. Die Quader weisen nun bis zu 2 cm breite Fugen mit Distanzplättchen (Plattlschotter) auf [33] - eine Versatztechnik, die sich am Dom auch bei den übrigen Bauteilen des 13. Jahrhunderts nachweisen läßt.
Aufgrund dieser Befunde läßt sich erschließen, daß der Westbau von St. Stephan I eine Doppelturmanlage mit dazwischenliegender offener Vorhalle war, wie sie ursprünglich auch an den romanischen Domen von Salzburg, in Gurk und St. Lambrecht verwirklicht wurde [34].
Die Befunde zum Fassadenbau von St. Stephan II im 13. Jahrhundert
Der Fassadenbau oberhalb des Portalfrieses der Vorhalle setzt zunächst das ältere Gliederungskonzept mit den mittleren Doppellisenen fort. Dann scheint es zu einem Planwechsel gekommen zu sein, wie aus den abrupt unter den spätromanischen Rundfenstern endenden Vorlagen ersichtlich ist. Auch der Überbau der Vorhalle weist mit seinem Übergang von den abgerundeten Ecken unterhalb des Frieses zu geraden Vorhallenkanten auf einen Planwechsel hin. Außerdem wird nun der Mittelteil der Fassade risalitartig vorgezogen, so daß die Ecklisenen zu Kantenprofilierungen umgedeutet werden. Dieser Planwechsel dürfte mit einer Umgestaltung bzw. der Erweiterung der Empore in die Heidentürme zusammenhängen. Baufugen, welche auf eine weitere Differenzierung des Baufortschritts schließen ließen, konnten nicht festgestellt werden.
Über dem Emporengeschoß folgt ein neuerlicher Planwechsel, wobei die beiden übergiebelten Geschosse unterschiedliche Fensterformen aufweisen. Die Lisenengliederung endet hier zugunsten einfacherer Formen. Bemerkenswert sind Beobachtungen im Inneren dieser Turmkammern. Beide sind mit einer durchlaufenden Baufuge an die Emporen-Mittelschiffswände angebaut! Außerdem zeichnet sich im Quaderverband der Ostmauern ein großer Spitzbogen ab. Im südlichen Heidenturm liegt der Bogenkämpfer heute unter einer modernen Betondecke. In der nördlichen Turmkammer konnte festgestellt werden, daß sich in den Ecken gegen das Seitenschiff Profilstücke befanden, welche sich unter der Quadervermauerung des Bogens fortsetzten, später aber abgeschlagen wurden (Abb. 4). Damit ist für den abgemauerten Spitzbogen im nördlichen Heidenturm gesichert, daß er ursprünglich gegen das Seitenschiff geöffnet war, also nicht als Entlastungsbogen interpretiert werden kann. Der gleiche Befund ist für den südlichen Heidenturm anzunehmen. Photographien, die während der Restaurierungsarbeiten unmittelbar nach dem Brand von 1945 gemacht wurden, zeigen in dem stark mit Ziegeln (des 15. Jahrhunderts?) ausgeflickten Mauerwerk der Emporen-Mittelschiffswände ebenfalls Spuren von großen Quaderbögen. Die Bedeutung dieser derzeit noch nicht interpretierbaren Befunde kann erst nach Abschluß der Untersuchungen versucht werden.
Ein völlig neuer Aspekt für die Baugenese ergibt sich aus dem Befund an der Ostseite des südlichen Heidenturms über dem Emporen-Seitenschiffsgewölbe (Abb. 5). Die Ostwand besitzt hier den gleichen einfach profilierten Dreiecksgiebel wie die Westseite. Er besteht wie der oktogonale Turmaufsatz aus dem romanischen Quadermaterial und steht im Verband mit dem Turmkörper. An der Südseite ist der Giebelschenkel von der jüngeren Nordmauer der gotischen Bartholomäuskapelle (Fürstenkapelle) aus dem 14. Jahrhundert überbaut, an der Nordseite zieht er unter der spätgotischen Ziegelmauer (Sargmauer) des Mittelschiffes aus dem 15. Jahrhundert weiter. In der Bartholomäuskapelle konnte festgestellt werden, daß die spätromanischen Dreipaßfriese und ein weiterer Dreiecksgiebel beim Bau der Bartholomäuskapelle grob abgeschlagen wurden. Dem unprofilierten Strebepfeiler über der romanischen Lisene an der Südwestecke der Fassade entsprach ein weiterer an der Südostecke des Heidenturms. Er wurde ebenfalls im 14. Jahrhundert abgetragen. Daraus folgt, daß die dreieckigen Überleitungsgiebel zu den oktogonalen Turmaufsätzen einschließlich der glatten Strebepfeiler nicht wie bisher dem Kapellenanbau des 14. Jahrhunderts zuzuordnen sind, sondern noch im 13. Jahrhundert gemeinsam mit den hohen oktogonalen Turmaufsätzen errichtet wurden. Die Baufugen bei den Dreiecksgiebeln an der Westseite entstanden erst durch die Auswechslungen der Quader im 19. Jahrhundert.
Die oktogonalen Turmaufsätze weisen unterschiedliche Geschoßhöhen und Konstruktionsmerkmale auf, insbesondere was die Trompen am Übergang vom letzten quadratischen Giebelgeschoß zum polygonalen Teil betrifft. Dies läßt auf einen unterschiedlich raschen Baufortschritt im 13. Jahrhundert schließen. Auch der Aufbau der beiden im 15. Jahrhundert mit Steinplatten verkleideten Ziegel-Turmhelme differiert: der nördliche Turmhelm ist nach unten offen, der südliche besitzt eine Rippenkuppel über Konsolen, darüber befinden sich vier Ziegel-Stützpfeiler. Über den letzten spitzbogig geschlossenen Biforenfenstern des südlichen Heidenturms beginnt eine Störungszone mit Mischmauerwerk, das sich deutlich vom sorgfältig versetzten Quadermauerwerk der Untergeschosse unterscheidet (Abb. 6). Teilweise wurden beim Bau auch Spolien (Rundbogenfriese) verwendet. Am Außenbau entspricht diese Zone dem schmalen Zwischengeschoß unter dem Turmhelm. Der abschließende Rundbogenfries zeigt einen ungewöhnlichen, sonst bei den mittelalterlichen Bogenfriesen des Domes nicht vorkommenden Fugenschnitt, wobei die Stoßfugen nicht im Bogenfuß, sondern im Bogenscheitel verlaufen. Der Helm des südlichen Heidenturms einschließlich des Zwischengeschosses wurde daher nachträglich und offensichtlich in kurzer Bauzeit - vielleicht nach dem Brand von 1278 - wiedererrichtet. Im Gegensatz zur heutigen Situation war der südliche Heidenturm demnach vor diesem Umbau niedriger als der nördliche. Durch eine Analyse der Ziegelformate konnte außerdem festgestellt werden, daß die statisch bedenkliche Konstruktion der vier inneren Stützpfeiler zeitgleich mit der Rippenkuppel ist.
Ergänzend zu den Befunden über den Bau des 13. Jahrhunderts sei noch auf die ersten Beobachtungen im nördlichen Treppenturm hingewiesen. Bis in die Höhe der Empore ist die Treppenspindel auffallend breit gestaltet; sie reicht bis auf ca. 30 cm an das linke Gewände des Riesenportales heran. Auf der Unterseite einer Stufe ist dieser Treppenteil mit "1583 B P K" bezeichnet. In diesem Jahr dürfte die romanische Treppe wesentlich erweitert worden sein [35]. Über der Empore bis zum rückspringenden Fassadenaufbau des 15. Jahrhunderts ist der Treppenlauf wesentlich schmäler und zeigt im Quaderverband zum gotischen Abschnitt eine gegen das Mittelschiff mit Quadern in der Gotik vermauerte Türöffnung. Diese muß ursprünglich auf den Dachraum über den romanischen Gewölben geführt haben. Im gotischen Teil ändert sich die Stiegenkonstruktion: die Stufen sind nun an der Unterseite abgeschrägt, eine Bauweise, welche mit den übrigen gotischen Wendeltreppen am Dom übereinstimmt.
Beobachtungen zum Baubefund der gotischen Bartholomäuskapelle
Bei den seit 1994 laufenden Bauuntersuchungen konnte festgestellt werden, daß diese - dem Stil der Schlußsteine nach - um 1380 fertiggestellte Kapelle ursprünglich einen rundbogigen Eingang von der Empore aus hatte. Dieser wurde noch in der Spätgotik abgemauert und ein links davon situiertes Schulterbogenportal zu einer neuen Wendeltreppe geöffnet [36]. Für die Erweiterung der Nordwand nach Osten wurde fast ausschließlich romanisches Quadermaterial verwendet, das die schon in der Kammer des Erdgeschosses im nördlichen Heidenturm festgestellten typischen Merkmale des Sekundärversatzes (ausgebrochene Quaderkanten) aufweist. Weiters zeigen nun die Quader meist Spuren der Steinzange, eines Hebewerkzeuges, welches ab dem Ende des 13. Jahrhunderts Verwendung fand. Die Mauern über den Gewölben und über den gotischen Seitenschiffsgewölbe des 15. Jahrhunderts sind in Bruchstein-Mischmauerwerk aufgeführt. Hier finden sich auch zahlreiche wiederverwendete glasierte Ziegel, wie sie vom Ziegelhelm der Heidentürme (nach 1276 ?) bekannt sind. Über dem Seitenschiffsgewölbe konnte eine Dachspur nachgewiesen werden, die sich nur am Mauerwerk der Heidenturm-Ostwand und der Nordmauer der Bartholomäuskapelle befindet. Dieses Pultdach, dem ein gleichartiges beim nördlichen Heidenturm entspricht, belegt, daß die Obergeschosse der Westkapellen zwischen dem 14. und vor der Errichtung des spätgotischen Dachstuhls um die Mitte des 15. Jahrhunderts als freistehender Bau aufragten.
Bezüglich der Baugeschichte des anschließenden gotischen Seitenschiffs ist von Bedeutung, daß im Verband mit der Ostwand der Bartholomäuskappele eine reich profilierte Birnstabrippe vermauert wurde, welche zu einem Gewölbe gehörte, das wesentlich höher anstieg als die ausgeführte Lösung. Daraus ergibt sich ein weiterer noch näher zu bestimmender Planwechsel im Wölbungskonzept Hans Puchspaums.
Ein überraschender Befund für die Benützungsgeschichte nach Fertigstellung der Bartholomäuskapelle ergab sich aus der Analyse der Quaderstruktur bei den Eckvorlagen der West -und Ostseite. Die Quader schließen hier großteils nicht bündig mit der Wand ab, sondern springen bis zu 2 cm vor. Auf diesen Vorsprüngen liegt noch der beim Bauvorgang herabgeflossene Fugenmörtel, der nicht entfernt, sondern bloß übertüncht wurde. Auch die älteste Raumfassung ist äußerst schlicht gehalten. Da die Bartholomäuskapelle ursprünglich als Fürstenkapelle errichtet wurde und reich ausgestattet werden sollte - man vergleiche das aufwendige bauplastische Konzept (Schlußsteine) und die heute im Historischen Museum verwahrten "Fürstenscheiben" - steht im Widerspruch zu der "unfertig" wirkenden Ausführung im Handwerklichen. Es darf als Arbeitshypothese angenommen werden, daß das geplante Konzept der "Fürstenkapelle" noch im Zuge der Fertigstellung um 1380 aufgegeben wurde.
Ausblick
Die bisherigen Ergebnisse der Bauforschungen am Dom bilden einen ersten Ansatzpunkt für die weitere wissenschaftliche Berarbeitung einer durch die Kommission für Kunstgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Aussicht genommenen Monographie von St. Stephan. Aufgrund der seit 1992 erarbeiteten Teiluntersuchungen darf angenommen werden, daß ihre Fortsetzung eine wesentlich erweiterte Einsicht in die Baugenese ermöglichen wird.
ANMERKUNGEN
[1] Die Geschichte der Bauforschung beginnt 1846 mit Untersuchungen am Riesentor. Vgl. E. MELLY, Das Westportal des Domes zu Wien in seinen Bildwerken und ihrer Bemalung, Wien 1850. Zum Stand der Forschung vor Beginn der hier vorgestellten Bauuntersuchungen vgl. M. ZYKAN, Der Westbau von St. Stephan. Zur Forschungslage und aktuellen Problematik, in: Österr. Zeitschrift f. Kunst und Denkmalpflege 44, 1990, S. 47 ff.
[2] Zur Darstellung von Methodik und Entwicklung vgl. zuletzt: G. U. GROSSMANN, Einführung in die historische Bauforschung, Darmstadt 1993.
[3] M. ZYKAN, Der Stephansdom (Wiener Geschichtsbücher Bd. 26/27), Wien - Hamburg 1981; mit ausführlicher Bibliographie.
[4] Diese umfaßten die Finanzierung (Werkverträge) folgender Teilprojekte: Bestandsaufnahme der photographischen Dokumentation und quellenmäßige Erforschung des Erhaltungszustandes der Plastik von St. Stephan in Wien (Manuskript, ÖAW, Komm. f. Kunstgeschichte, Wien 1986/87). - Untersuchungen zur Architektur des Riesentores und der Westanlage von St. Stephan zu Wien (1991). - Petrographische und bauanalytische Untersuchungen an der Westanlage von St. Stephan (1993).
[5] Die photogrammetrischen Fassadenpläne im Maßstab 1 : 50 für die Westfassade und den Albertinischen Chor wurden 1987/88 im Rahmen einer Diplomarbeit am Inst. f. Vermessungswesen u. Fernerkundung d. Univ. f. Bodenkultur erstellt. Seit 1994 kann auch auf die 1991 - 1993 photogrammetrische Gesamtvermessung zurückgegriffen werden. Vgl. W. KALMANN, H. W. MÜLLER UND W. SCHNEIDER, Photogrammetrische Aufnahmen des Stephansdomes als Grundlage einer Dokumentation der petrographischen Zusammensetzung und des Verwitterungszustandes der Fassaden, in: Mittn. d. Geodät. Inst. d. TU Graz 96, 1990, S. 167ff. - G. SCHNABEL, Photogrammetrische Bauaufnahme des St. Stephan-Domes in Wien, in: Österr. Ingenieur- und Architekten-Zeitschrift 138, H. 12, 1993, S. 506 ff.
[6] Abteilung Baugeologie der Univ. f. Bodenkultur Wien (Projekte des Fonds zur Förderung der Forschung P 4769, P 7007, P 8527).
[7] Mit den bauhistorischen Untersuchungen wurden F. DAHM (figurale Bauplastik) und R. KOCH (Architektur) beauftragt.
[8] I. HAMMER, J. NIMMRICHTER, Restaurierungswerkstätten des Bundesdenkmalamtes.
[9] Anläßlich der photogrammetrischen Innenvermessung.
[10] E. BACHER, Aktuelle Bauforschung in St. Stephan in Wien, in: Österr. Zeitschrift f. Kunst und Denkmalpflege 47, H. 3/4, 1993, S. 105. - H. W. MÜLLER, A. ROHATSCH, B. SCHWAIGHOFER, F. ORTNER UND A. THINSCHMIDT, Gesteinsbestand in der Bausubstanz der Westfassade und des Albertinischen Chores von St. Stephan, in: ebenda, S. 106 ff. - R. KOCH, Ergebnisse der Bauuntersuchungen an der Westfassade von St. Stephan 1992/93, in: ebenda, S. 116 ff. - DERS., Vorbericht zu den Bauuntersuchungen im südlichen Heidenturm von St. Stephan, in: ebenda, S. 129 ff. - G. SEEBACH, Baugeschichtliche Untersuchungen am Hallenchor von St. Stephan zu Wien, in: ebenda, S. 133 ff. - R. KOCH, Anmerkungen zur Bauarchäologie der romanischen Westfassade von St. Stephan in Wien, in: Aachener Kunstblätter (Festschrift Hermann Fillitz), Bd. 60/1994, S. 173 ff. - DERS., Zum Stand der Bauforschung an St. Stephan, in: Der Dom, Mitteilungsblatt des Wiener Domerhaltungsvereines, H. 1, 1994, o. S.
[11] A. KIESLINGER, Die Steine von St. Stephan, Wien 1949, S. 222 ff.
[12] K. OETTINGER, Die Grabungen von St. Stephan 1945 - 1948, in: Mittn. d. Institutes f. österreichische Geschichtsforschung 57, 1949, S. 339 ff.
[13] F. KIESLINGER, Unser Dom. Bemerkungen über sein mittelalterliches Werden und seine Schöpfer, Wien 1952 (Sonderdruck), S. 5.
[14] J. ZYKAN, Das romanische "Westwerk" von St. Stephan in neuer Sicht nach den Fundamentuntersuchungen des Jahres 1970, in: Mittn. d. Gesellschaft für vergleichende Kunstforschung 24, 1972, Nr. 3, S. 14 ff.
[15] F. V. SCHMIDT, Das Riesenthor des Domes zu St. Stephan in Wien, in: Wiener Dombauvereins-Blatt (WDBVBl) II. Jg., 1882, S. 37.
[16] Zusammenfassung der kontroversiellen Hypothesen von P. MÜLLER (1883), W. A. NEUMANN (1883), H. SWOBODA (1902, 1903) und J. MANTUANI (1903) bei W. A. NEUMANN, Chronologie der Domportalfrage aus den amtlichen Materiale des Dombauvereins-Ausschusses, in: WDBVBl XXI. Jg., 1902, S. 35 f. und 37 ff. - DERS., Rezension zu H. SWOBODA (1903), in: ebenda XXII. Jg., 1903, S. 46 ff.
[17] E. DOBERER, Der plastische Schmuck am Vorbau des Riesentores, in: Festschrift Karl Oettinger, Erlanger Forschungen A 20, 1967, S. 353 ff. Vgl. auch M. ZYKAN, Stephansdom (zit. Anm. 3), S. 31 f.
[18] O. HARL, Archäologische Beiträge zur Baugeschichte des Westwerks von St. Stephan in Wien, in: Österr. Zeitschrift f. Kunst und Denkmalpflege 44, 1990, S. 39 ff.
[19] Siehe M. ZYKAN, Westbau (zit. Anm. 1).
[20] Als formale Grundlage diente u. a. die anläßlich der kunsttopographischen Erfassung angefertigte Photodokumentation. Vgl. H. TIETZE, Geschichte und Beschreibung des St.-Stephans-Domes in Wien (Österr. Kunsttopographie Bd. 23), Wien 1931.
[21] Ausführliche Darstellung mit Literaturverweisen bei H. W. MÜLLER ET AL., Gesteinsbestand (zit. Anm. 10).
[22] Zur Entstehungsgeschichte dieses für bauanalytische Fragen zuverlässigen Kupferstichs siehe H. TIETZE, Stadtregulierungsfragen im alten Wien, in: Kunstgeschichtl. Jb. d. k. k. Central-Commission f. Erforschung und Erhaltung der Kunst- und histor. Denkmale III. Bd., 1909, S. 153 f.
[23] F. X. KLEINDIENST, Die Restauration des St. Stephansdomes in Wien in den Jahren 1853 bis 1880, in: WDBVBl I. Jg., 1881, S. 155. Die kreisförmige Kratzspur vom südlichen Befestigungshaken des Rokokogitters wird von der späteren Kantenabschrägung überschnitten. Der sogenannte "Brotleib" an der nördlichen Vorhallenecke über den beiden eisernen "Ellen-Normalmaßen" ist daher kein Rechtsaltertum, sondern die 1880 ausgeflickte Fehlstelle der Kratzspur des Befestigungshaken für das Rokokogitter.
[24] Eine vor 1880 enstandene Detailaufnahme des Portalvorbaus zeigt den stark zerstörten Portalbogen mit einer auffallenden rhythmischen Abfolge von Bohrungen im Birnstab. Diese wurden von Schmidt nicht übernommen. Ob es sich dabei um einen Plattenfehler der Photographie handelt oder um die Reste einer Inkrustation (Zierstifte?) konnte bisher nicht geklärt werden. Die Photographie war nur als Positivabzug zugänglich.
[25] WDBVBL, II. Jg., 1882, S. 27.
[26] WDBVBL, II. Jg., 1882, S. 27.
[27] Berichte der Dombauhütte in: WDBVBL, VIII. Jg., 1879, bis XXII. Jg., 1903.
[28] Die Heidentürme wurden erstmals zwischen 1876 und 1879 durch FRIEDRICH VON SCHMIDT restauriert. Bei der damals erfolgten Abtragung der Spitze des südlichen Heidenturmes "wurde der alte romanische, mit glasirten Ziegel gemauerte Helm, sowie ein 1' 8'' vorspringendes, der selben Bauperiode angehörendes Kranzgesims vorgefunden. Dieses alte Gesims, welches sich in der Höhe der jetzt sichtbaren Galerie befindet, dürfte auch die Anregung zur Herstellung der gothischen Galerie gegeben haben. Da der romanische Ziegelhelm, welcher bis auf die Höhe von 14' 8'' unter die gothische Endigung reicht und in einer späteren Bauperiode mit Platten überdeckt und durch Anbringung jener oben erwähnten Galerie der Helmkrabben und Kreuzblumen zu einem gothischen Helme umgestaltet wurde, sich in einem vollkommen guten Bauzustande befand, so war hier nur die Erneuerung der arg zertrümmerten, durch Eisenklammern und Draht zusammengehaltenen Helmspitze notwendig. An der Helmgalerie mußten daß sehr schadhafte Geländer und die Fialen neu hergestellt werden." Siehe: F. X. KLEINDIENST, Restauration (zit. Anm. 23), V. Jg., S. 155f.
[29] Die ursprüngliche Lösung hat sich an den Ostseiten der Heidentürme über dem Seitenschiffgewölbe der Empore erhalten.
[30] R. KOCH, Anmerkungen (zit. Anm. 10).
[31] J. ZYKAN, Westwerk (zit. Anm. 14).
[32] Quader der Gotik zeigen meist eine sehr viel feinere Oberflächenbearbeitung mit parallel geführten Hieblagen. Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts werden die Quader mit dem aus Frankreich kommenden Scharriereisen, einer Art breiter Meißel, in streng paralleler Hiebführung bearbeitet. Vgl. grundlegend: K. FRIEDERICH, Die Steinbearbeitung in ihrer Entwicklung vom 11. bis zum 18. Jahrhundert, Augsburg 1932. Die Gültigkeit von FRIEDERICHS Entwicklungsreihe wurde für St. Stephan bereits durch A. KIESLINGER, Steine (zit. Anm. 11) bestätigt.
[33] Außerdem sind die Quaderkanten ausgebrochen. Die Quaderverkleidung wurde offensichtlich unter Verwendung der Quader des 12. Jahrhunderts neu versetzt.
[34] K. GINHART, B. GRIMSCHITZ, Der Dom zu Gurk, Wien 1930. - O. WONISCH, Die Kunstdenkmäler des Benediktinerstiftes St. Lambrecht (Österr. Kunsttopographie Bd. 31), Wien 1951. - H. VETTERS, Die mittelalterlichen Dome in archäologischer Sicht, in: Festschrift zum 1200jährigen Jubiläum des Salzburger Domes, Salzburg 1974, S. 73 ff. - F. MOOSLEITNER, Bemerkungen zur Baugeschichte der mittelalterlichen Dome zu Salzburg, in: Von Österreichischer Kunst (Festschrift Franz Führmann), Klagenfurt 1981, S. 9 ff. Zur Problematik des romanischen Dombaus Konrads III. vgl. zuletzt: H. VETTERS, Zum hochromanischen Dom von Salzburg, in: Anzeiger d. phil.-hist. Klasse d. Österr. Akademie d. Wissenschaften 126. Jg., 1989, S. 207 ff. - H. FILLITZ, Bemerkungen zu dem Vortrag von Hermann Vetters, Zum hochromanischen Dom von Salzburg, in: ebenda, S. 211f. - R. KOCH, Zur Mehrschiffigkeit des Salzburger Domes unter Konrad III., in: ebenda, S. 212 ff.
[35] Die untere Treppenanlage wurde im 19. Jahrhundert restauriert. Sie zeigt im Gegensatz zu den oberen Teilen nahezu keine Abtretungsspuren. Die petrographische Bestimmung soll im Frühjahr 1995 erfolgen.
[36] Diese spätgotische Wendeltreppe wurde nach 1945 abgetragen und der jetzige Eingang durch Erweiterung des spitzbogigen Fensters im romanischen Giebelgeschoß geöffnet. Die Wendeltreppe entsprach jener noch in situ befindlichen an der Nordseite zur Schatzkammer.
ABBILDUNGEN
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Abb. 1 Abb. 1.: Wien, St. Stephan, Westansicht; Kupferstich von Carl Schütz, 1792 (BDA).
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Abb. 2.: Wien, St. Stephan, Westansicht, um 1894. In der Sockelzone sind noch die romanischen Basen- und Sockelprofile vor der Restaurierung durch Julius Hermann zu erkennen. Rechts neben dem Portalvorbau Fehlstelle in der Wandvorlage mit senkrechter Baufuge an der linken Kante der Vorlage (BDA).
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Abb. 3.: Wien, St. Stephan, Detail der Südwand in der Erdgeschoßkammer des nördlichen Heidenturmes. Rechts unten Würfelkonsole vom Erstbau (12. Jahrhundert). Ab der zweiten Quaderlage über der Konsole sind die stark beschädigten sekundär versetzten Quader aus dem 13. Jahrhundert zu erkennen (Fugenschnitt!).
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Abb. 4.: Wien, St. Stephan, nördlicher Heidenturm, Nordostecke des romanischen Giebelgeschosses mit sekundär vermauertem Spitzbogen. Das abgeschlagene Kämpferprofil befindet sich in der linkem Ecke (helle Stelle in der Höhe der 2. Quaderlage).
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Abb. 5.: Wien, St. Stephan, südlicher Heidenturm, ehemalige Südostecke über dem Seitenschiffsgewölbe. Rechts der Dreiecksgiebel des 13. Jahrhunderts mit der Heidenturm-Ostwand, links das Mischmauerwerk der Bartholomäuskapelle aus dem 14. Jahrhundert. Die treppenförmig angeordneten Quader bilden die gotische Hintermauerung der Schildwand in der Kapelle. Im oberen Drittel Ziegelaufmauerung des 19. Jahrhunderts und die Substruktion der modernen Betondecke.
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Abb. 6.: Wien, St. Stephan, südlicher Heidenturm, letztes Geschoß. Der nach 1945 erneuerte Spitzbogen gehört zur obersten Bifore. Darüber Mischmauerwerk (Flickstelle) im Übergang zur Ziegelschale (nach 1276?) der Kuppel im Turmhelm.
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Plan: Wien, St. Stephan, Westfassade. Gesteinskundliche Zusammensetzung der Westfassade (Ausschnitt aus H. W. MÜLLER ET AL., 1993. Abteilung Baugeologie der Univ. f. Bodenkultur Wien).
ABBILDUNGSNACHWEIS
Abb. 1 u. 2: BDA, Wien; Farbplan: H. W. Müller et. al, Abteilung Baugeologie der Univ. f. Bodenkultur Wien.
Alle übrigen Aufnahmen: Rudolf Koch, Wien.
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