Die mittelalterlichen und vorbarocken Klosteranlagen von Mauerbach aus bauhistorischer Sicht

Die mittelalterlichen und vorbarocken Klosteranlagen von Mauerbach aus bauhistorischer Sicht

Rudolf Koch, Wien

Kartause Mauerbach, Orientierungsplan

  • Einleitung
  • Zur Methode der Bauforschung
  • Allgemeines zur Architektur der Kartäuser im Mittelalter
  • Der Kirchenbau des 14. Jahrhunderts
  • Die mittelalterlichen Klostertrakte östlich der Kirche
  • Die mittelalterlichen Klostertrakte westlich der Kirche
  • Nachmittelalterliche Umbauten bis nach dem Erdbeben von 1590
  • Anmerkungen
  • Inhaltsverzeichnis der Original-Publikation
Veränderte Rohfassung des gleichnamigen Artikels in: Kartause Mauerbach, 1314 bis heute. Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege LIII, 1999, Heft 2/3/4, S. 431 - 452. Text und Abbildungen in dieser Online-Version abweichend. Bei Zitation die gedruckte Fassung verwenden.

Einleitung

Kreuzgarten, Rest der ehem. Schauer'schen Kapelle

Das ehemalige Kartäuserkloster von Mauerbach bei Wien ist das älteste dieses Ordens in Österreich <1>. Als landesfürstliche Gründung 1313 durch den Habsburger Friedrich den Schönen gestiftet, fiel es 1782 als erstes Kloster der Kirchenreform unter Kaiser Joseph II. aus dem gleichen Geschlecht zum Opfer. Anders als bei den beiden jüngeren Kartausen in Gaming (1330 - 1782) <2> und Aggsbach (1380 - 1782) <3> blieb vom mittelalterlichen Kloster in Mauerbach kein einziger Baukörper zur Gänze erhalten, sieht man von der annähernd zentral im großen Kreuzgarten gelegenen Friedhofskapelle ab. Selbst diese 1409 errichtete Schauer'sche Kapelle <4> wurde im 19. Jahrhundert rigoros verändert.
Aus der Geschichte des Klosters sind die Zerstörungen durch Brand und Plünderung von 1529 (1. Türkenbelagerung), vor allem jedoch durch das ganz Wien und Niederösterreich stark in Mitleidenschaft ziehende Erdbeben von Neulengbach im Jahre 1590 bekannt, welches umfangreiche Sanierungs- und Umbauarbeiten an der gesamten mittelalterlichen Klosteranlage erforderte. Wenige Jahre nach der teilweise provisorischen Instandsetzung des Klosters und der Neuweihe der Kirche (1607 durch Bischof Forgats von Neutra) wurde ab 1616 unter dem Prior Georg Fasel die architektonische Neukonzeption der Kartause in Angriff genommen. Dieser Bau, der noch heute die souverän gestaltete Anlage bestimmt, markiert eine deutliche Zäsur zwischen dem mittelalterlichen und dem frühbarocken Klosterkomplex. Von den spätmittelalterlichen Gebäuden um die gotische Kirche blieben wenige Mauerzüge in Erdgeschoßhöhe erhalten, während der Großteil der übrigen Klosterbauten heute nur mehr durch archäologische Grabungen erschlossen werden kann.

Obwohl bisher mehr als 1000 Quadratmeter der Kartause archäologisch untersucht wurden <5> und die historische Bauforschung im Zusammenhang mit restauratorischen Maßnahmen während der Sanierungs- und Umbauarbeiten der letzten Jahre einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung der Baugeschichte der Kartause erbringen konnten, müssen viele Fragen - vor allem nach der Ausdehnung bzw. Gesamtkonzeption des mittelalterlichen Klosters und nach der Zweckbestimmung einzelner Gebäudeteile - offen bleiben. Dies liegt unter anderem darin begründet, daß die archäologischen Untersuchungen in Mauerbach naturgemäß für die bauliche Rekonstruktion lediglich Angaben über den Grundriß und die Mauerstärken geben können, nicht jedoch über den Aufriß und die Raumgestalt der spätestens im frühen 17. Jahrhundert abgetragenen Baukörper.

Typische Befundsituation: gotische Birnstabrippe in barockem Mauerwerk Von der architektonischen Ausstattung der mittelalterlichen Räumlichkeiten sind neben den zahlreichen Befunden über die Estrich- und Bodengestaltung einige Fundstücke von Architekturteilen wie Reste von Wandvorlagen und Birnstabrippen zu nennen, welche allerdings meist disloziert in den Bodenschichten oder als Baumaterial sekundär Verwendung fanden.
Traiteurhof, Kanzleitrakt mit Spuren der got. Kreuzgangwölbung Für kunsthistorisch-baugeschichtliche Fragestellungen sind die Befunde an der noch erhaltenen gotischen Ostmauer der Kirche, im Bereich des ehemaligen kleinen Kreuzganges um den Traiteurhof und bei dem Verbindungsbau zwischen der Kirche und dem barocken Bibliothekstrakt um den sogenannten Totenhof von Bedeutung.


 Zur Methode der Bauforschung <6>


Methodisch beschränkte sich die Bauforschung auf die Beobachtung (Autopsie) von Gefüge, Struktur und Material des Mauerwerks, die Feststellung von baulichen Inhomogenitäten (Baufugen, Baunähte, auffällige Abweichungen in den Mauerfluchten bzw. Mauerstärken) und die kunsthistorische Beurteilung von Portal- und Nischenöffnungen sowie von architektonischen Gliederungselementen (Instrumentierung). Auf invasive Methoden (Freilegung von Bauteilen oder Öffnung von Putzflächen durch Befundfenster) wurde seitens der Bauforschung aufgrund denkmalpflegerischer Vorgaben (historische Verputze!) verzichtet - die Untersuchungen betrafen lediglich die im Zuge von laufenden Sanierungs- und Umbaumaßnahmen durch die Baufirmen nach anderen Gesichtspunkten freigelegten Flächen.

Die hier unter dem Blickwinkel der historischen Bauforschung und der Kunstgeschichte getroffenen Annahmen können daher nicht als endgültiges Ergebnis betrachtet werden, sondern hängen von der jeweiligen Zugänglichkeit der untersuchten Objekte ab. Zur Verdeutlichung der Forschungsproblematik bei der Kartause von Mauerbach seien drei kurze Beispiele der Wechselwirkung von Archäologie, Bauforschung und Kunstgeschichte angeführt.

Kirchenuntergeschoß, Isometrie der mittelalterlichen Lettnersituation Die Existenz eines Lettners in der Kirche wurde von der Kunstgeschichte schon früh angenommen, wobei man gerade in Mauerbach eine Frühform eines kartäusischen Kreuzganglettners vermutete <7>. Die Reste dieses Lettners waren stets an der Ostwand in Form zweier stark rudimentierter Wandvorlagen sichtbar, wurden aber seitens der Kunstgeschichte und der Bauforschung stets irrtümlich als vermauertes Portal interpretiert. Erst die archäologische Forschung konnte hier die Reste des Lettnerfundamentes lokalisieren, sodaß die Frage nach der Existenz eines typischen Kreuzganglettners aufgrund völlig neuer Befunde diskutiert werden muß.
Südfassade der ehemaligen Prokuratur mit spätgotischem Mauerwerk Die Lokalisierung eines mittelalterlichen Quertraktes zwischen der Westflanke der Kirche und der barocken Bibliothek konnte bereits durch bauanalytische Voruntersuchungen erfaßt werden, während seitens der Archäologie der unter der später errichteten Bibliothek liegende Restbau ergraben werden konnte. Darüber hinaus stützen die Funde, darunter ein spätgotisches Kapitell mit Jahreszahl, die von der Bauforschung aus Baudetails und der Mauerwerksstruktur abgeleitete Datierung. Erst die gemeinsame Interpretation der Ergebnisse der Einzeldisziplinen Archäologie, Bauforschung und Kunstgeschichte führt hier zu einer genaueren und differenzierteren Baugeschichte.
Klosterummauerung, Bruchsteinmauerwerk
Klosterummauerung, Mischmauerwerk

Schließlich ist noch auf die Möglichkeiten und Grenzen der Mauerwerksanalyse hinzuweisen <8>. Sie kommt überall dort zur Entfaltung, wo datierbare Baudetails oder Einzelformen fehlen und versucht aus der Struktur des Mauerwerks zu einer näheren zeitlichen Bestimmung zu gelangen. Mit Ausnahme der baulichen Reste um den kleinen Kreuzgang und um die Kirchen-Ostmauer blieb keine kunsthistorisch bestimmbare Bauzier aus dem Mittelalter erhalten, wobei noch hinzukommt, daß die mittelalterlichen Ordensregeln der Kartäuser von sich aus schon den strikten Verzicht auf Bauschmuck und Ausstattung vorschrieben. Die direkte zeitliche Zuordnung von Mauerzügen und Gebäudeteilen mußte deshalb in Mauerbach oft aus der Struktur des Mauerwerks erschlossen werden. Gerade dabei zeigte sich jedoch, daß die auffallend konservative Bautechnik und die bauökonomisch rigorose Wiederverwendung von Abbruchmaterial bis in die Anfangszeit des frühbarocken Neubaus zur Beibehaltung "mittelalterlicher" Mauerwerksstrukturen führte. Dies gilt sowohl für die ersten Zellenunterbauten des Osttraktes des großen Kreuzganges, als auch für die in mehreren Kriegen stark zerstörte Umfassungsmauer des gesamten Klosterbezirkes.
Die zeitliche und funktionale Bestimmung der mittelalterlichen Restbauten von Mauerbach ist nur im Kontext mit den Ergebnissen der archäologischen, bauanalytischen und kunstgeschichtlichen Untersuchungen sinnvoll. Die folgenden Ausführungen beruhen daher auf dem Forschungsstand der bisherigen Einzeluntersuchungen und verstehen sich vorbehaltlich der Korrekturen, die sich aus den noch zu leistenden wissenschaftlichen Auswertungen der Einzelbefunde ergeben.

Allgemeines zur Architektur der Kartäuser im Mittelalter

Marijan Zadnikar charakterisiert in seiner Gesamtdarstellung die mittelalterliche Kartäuserarchitektur mit folgenden treffenden Worten:

"Die Eigentümlichkeiten, die die Kartausen im Vergleich mit Klöstern anderer Mönchsorden der gleichen Zeitepoche, z. B. den Zisterziensern, aufweisen, kommen in der ganzen Anlage zum Ausdruck ... Die Kartause, als der neue Bautypus eines Mönchsklosters stellt sich als Spiegelbild der Lebensweise und als Ergebnis der Erfordernisse seiner Bewohner dar." <9>

Unterschiede zwischen den frühen Kartäuserklöstern und der Baukunst anderer zeitgleicher Mönchsorden, z. B. der Zisterzienser, sind unter anderem die Anlage von zwei getrennten Klöstern, wobei das "obere" mit zwei Kreuzgängen ausgestattet ist. Selbständige Häuschen am "großen Kreuzgang" dienen als Mönchszellen. Später, so auch beim Gründungsbau der Kartause Mauerbach im frühen 14. Jahrhundert, sind diese beiden getrennten Klöster bereits zu einer Einheit verschmolzen. Die wesentlichsten Elemente, zwei getrennte Kreuzgänge für Mönche und Konversen und die rigorose Beschränkung des Lebensablaufes auf die wie Eremitenzellen abgeschlossenen Häuschen für die Mönche bleiben bestehen.

Eine das gesamte Kloster betreffende Bauordnung - etwa im Sinne eines "bernhardinischen Planes" wie in der Zisterzienserarchitektur - gab es nicht, vielmehr sind einzelne Bauvorschriften in den sogenannten "Gewohnheiten" und "Statuten" festgehalten. Erstmals wurden diese vorher nur mündlich überlieferten "Gewohnheiten" ("Consuetudines Carthusiae") 1127 in 80 Kapiteln durch den 5. Prior, Guigo I. (gest. 1137), aufgezeichnet und behandeln in drei Teilen die Liturgie, die Anleitung der Mönche und der Brüder. Aufschlüsse über die Bauweise der Kartäuser sind jedoch in den Consuetudines nicht nach inhaltlichen Gesichtspunkten ausgewiesen, sondern über die 80 Kapitel verstreut. Dazu kamen bis 1509 noch drei Beschlüsse und Verordnungen (Statuta) der Generalkapitel. Vom 12. bis zum 15. Jahrhundert entstanden etwa 200 Abschriften <10>.

Ordensmitglieder werden nach Religiosen (Professen, Patres) und nach Laienbrüdern mit Gelübde (Konversen) und ohne Gelübde (Donaten) unterschieden. Sie unterliegen alle den selben Ordensregeln und dem Schweigen, das nur an Sonn- und Festtagen sowie beim wöchentlichen Spaziergang unterbrochen wird. Dieser hierarchische Aufbau drückt sich auch in einer Differenzierung der Klosteranlage aus.

Das Hauptgebäude der Klosteranlage ist die Kirche. An diese schließt der große Kreuzgang (Claustrum magnum) mit den Zellen an, kleinen Häuschen mit jeweils eigenem Garten. Hier verbringt der Mönch die meiste Zeit seines eremitischen Klosterlebens. Die Zellen der Laienbrüder liegen ähnlich aneinandergereiht an einem gemeinsamen Flur. Weitere Anlagen sind der kleine Kreuzgang (Claustrum minor), der Kapitelsaal, das Refektorium und die Bibliothek.

Die Möchszellen am großen Kreuzgang sind ein Charakteristikum der Kartäuserarchitektur und werden in ihrer Funktion mehrfach in den Consuetudines erwähnt. Nur sie ermöglichen die Verwirklichung der völligen Abschirmung im Sinne eines Eremitenlebens. Die Eigenheit der baulichen Absonderung der Mönchszellen - im Gegensatz zu den Gemeinschaftsräumen anderer Orden - wurde mehrfach von den Zeitgenossen der frühen Kartäuser betont, so etwa von dem berühmten Abt Wilhelm des Benediktinerklosters Saint-Thierry in Reims und späteren Zisterziensers, der Mitte des 12. Jahrhunderts sogar vorschlug, die Zisterzienserklöster ebenfalls mit solchen kleinen Häuschen für die Mönche auszustatten.

Eine weitere Eigenheit der frühen Kartäuserklöster ist die völlige örtliche Trennung von Professkloster, das in den Consuetudines als "oberes Haus" bezeichnet wird, und dem Kloster der Laienbrüder, das "unteres Haus" bzw. "domus inferior" genannt wird. Die räumliche Trennung konnte mehrere Kilometer betragen, sodaß eine Siedlung dazwischenlag. Dem oberen Haus stand der Prior vor, dem unteren der Prokurator, der unter anderem die Gäste des Klosters aufnimmt.

Beide Klosterkomplexe besaßen zwar eine eigene Kirche, da sich aber die Laienbrüder an Sonn- und hohen Festtagen im oberen Haus versammelten und dort die Nacht verbrachten, mußte für diese ein Dormitorium, wie es auch bei anderen Ordensgemeinschaften üblich war, zur Verfügung stehen. Desgleichen war ein Refektorium mit daran anschließender Küche für das gemeinsame Mahl an diesen Tagen notwendig. Diese Räumlichkeiten lagen mit dem Kapitelsaal um den kleinen Kreuzgang. Im unteren Kloster hingegen fehlten diese Gemeinschaftsräume mit Ausnahme der Küche, da die Laienbrüder wegen ihres Arbeitsablaufes nicht selbst ihre Nahrung zubereiteten.

Da die Kirchen der Kartäuser ausschließlich den Professen und Laienbrüdern als Orte der Versammlung für den Gottesdienst und das Chorgebet dienten, konnten die Kartäuser als erster Mönchsorden auf mehrschiffige Kirchenanlagen verzichten. Entsprechend der Hierarchie dieser Ordensfamilie reihten sich die einzelnen Kirchenabschnitte entlang der Kirchenachse aneinander. An erster Stelle befand sich der Altarraum, dann folgte der Priesterchor. Der anschließende Abschnitt für die Laienbrüder wurde durch einen Lettner optisch wie baulich vom Chor der Priestermönche getrennt. In schlichterer Form konnte die hierarchische Zäsur durch eine Chorschranke zum Ausdruck gebracht werden.

Die hierarchisch-additive Raumordnung fand ihren Niederschlag auch in getrennt angeordneten Zugängen - ein Portal führte in den Priesterchor, eines in unmittelbarer Nähe des Lettners vom kleinen Kreuzgang in den Konversenchor. Die einzige direkte Verbindung zwischen Priester- und Konversenchor bildete ein Portal in der Rückwand des Lettners.

In beiden Kirchenabschnitten fand das Chorgestühl entlang der Seitenwände Aufstellung, wobei im Priesterchor beiderseits mindestens 10 Stallen angeordnet waren <11>. Dieses Chorgestühl bewirkte möglicherweise, daß in den Kartäuserkirchen Gewölbedienste nicht bis an den Boden herabgeführt, sondern über Konsolen abgefangen wurden - vergleichbar den abgekragten Wandvorlagen in den mittelalterlichen Zisterzienserkirchen.

Zwei weitere bauliche Merkmale sind den Kartäuserkirchen gemeinsam. Wegen des Verbots, die Kirchen mit Türmen auszustatten, gelangten nur Dachreiter - turricula super ecclesiam - zur Ausführung. Dieses Turmverbot ist als eine der wenigen konkreten Bauanweisungen in den "Gewohnheiten" verankert. Des weiteren ist der Altarraum gegenüber dem Chor der Priestermönche nicht eingezogen, woraus letztlich die relativ langgestreckte und einheitliche Außenerscheinung der Kartäuserkirchen resultiert.

Die Kartäuserkirchen dürften zunächst nur mit einem Altar im Sanktuarium ausgestattet gewesen sein, 1250 gestattete das Generalkapitel die Errichtung eines "altare minus" und 1276 die Aufstellung zweier weiterer Altäre unter dem Lettner im Konversenchor <12>. Zu den liturgischen Erfordernissen in den mittelalterlichen Kartäuserkirchen gehören weiters im Chorraum rechts vom Hochaltar (auf der Epistelseite) eine Nische mit Becken für die liturgische Handwaschung (Piscina) und Sitznischen (Sedilien) für die Zelebranten.

Neben diesen allgemeinen Merkmalen der mittelalterlichen Kartäuserkirchen, die nicht immer erst eine Schöpfung dieses Ordens waren, wird in der Forschung auf die individuellen Abweichungen - besser ausgedrückt, auf die Anpassung an örtliche Gegebenheiten und Baugepflogenheiten - in der Baukunst der Kartäuser hingewiesen. So sind etwa die Ansichten über den baulichen Einfluß der Ordensfiliation auf eine neue Niederlassung kontroversiell <13>.

Nach Mühlberg <14> besteht zum Beispiel keine nähere bauliche Übereinstimmung zwischen dem ehemals untersteirischen Kartäuserkloster in Seiz (slow. Zicka kartuzija) und seiner Tochtergründung Mauerbach. Auch über die Herkunft der ausführenden Bauleute herrscht Unklarheit. Mühlberg <15> stellt ordenseigene, zentralistisch organisierte Bautrupps in Abrede und denkt an ortsansässige und "innigst mit bodenständigem Stilverständnis und landschaftlicher Überlieferung" vertraute Baukräfte.

Für Zadnikar lag die Hauptaufgabe des Rektors einer Kartause als "prefectus operum" in der Vertretung der Ordensinteressen bezüglich Lage, Grundriß, Funktionalität und anderem gegenüber dem Stifter; eine "Bauschule" ist dabei nicht festzustellen <16>. Aus diesen Gründen können Aussagen, die über den spärlich überlieferten mittelalterlichen Restbestand von Kirche und Kartause in Mauerbach hinausgehen, nur hypothetischen Charakter haben.

Der Kirchenbau des 14. Jahrhunderts

Der mittelalterliche Kirchenbau von Mauerbach ist nicht wie zumeist üblich nach Osten ausgerichtet, sondern entwickelt sich in Nord-Süd-Richtung. Die Abweichung von der Ostung ist wahrscheinlich geländebedingt, ähnlich wie bei der Kartause Aggsbach oder bei der ehemaligen Zisterzienserkirche in Baumgartenberg (OÖ). Eine Abhängigkeit von hydrographischen Gegebenheiten wäre denkbar, da die Wasserführung in der kartäusischen Klosterarchitektur eine gewisse Bedeutung besitzt.

Von der ersten Kirche des 14. Jahrhunderts - es wurden archäologisch keine Hinweise auf einen Vorgängerbau gefunden - haben sich die südliche Fassadenwand und die östliche Langhausmauer bis in eine Höhe von durchschnittlich 3 m erhalten. Diese beiden gotischen Mauerzüge wurden beim barocken Neubau beibehalten, sodaß die Orientierung der mittelalterlichen Kirchenachse mitbestimmend für das Konzept des barocken Gesamtplans war.

Mauerbach, schematischer Baualterplan Die 1316 geweihte Kirche war ein strebepfeilerloser einschiffiger Saalraum mit 3/8-Schluß. Seine lichten Innenmaße betrugen 37,9 m Länge einschließlich des Chorpolygons bei einer Breite von 7,5 m im Altarraum und Priesterchor. Während die barocke Nachfolgerkirche durch den großen Kreuzgang in nahezu zwei gleich große Räume - den Priester- und den Konversenchor - getrennt wird, waren Altarraum und Priesterchor im mittelalterlichen Bau um rund 9 m länger als der Konversenchor, woraus sich eine lichte Längenproportion von annähernd 3 : 2 ergibt.
Über den Aufriß des Innenraumes geben nur wenige Gliederungselemente an der östlichen Innenwand Auskunft. Das Chorpolygon wurde beim Erweiterungsbau des barocken Chores unter Prior Georg Fasel (ab 1616) geschleift. Da sich in den Fundamenten keine Hinweise auf Dienste für die sicher vorhandene Chorwölbung fanden, werden diese als Konsol- oder Stutzdienste ausgeführt gewesen sein. Rund 5 m von der Abrißstelle des gotischen Chorpolygons steht der Rest einer relativ mächtigen Wandvorlage.

Ein Pendant zu der östlichen Wandvorlage konnte durch die archäologische Untersuchung gesichert werden, allerdings weicht die Bauweise der westlichen Vorlage im Fundament- bzw. Sockelbereich ab, sodaß von seiten der Archäologie eine nachträgliche Entstehung im späten Mittelalter angenommen wird <17>. Es kann sich jedoch aus bauanalytisch- kunstgeschichtlichen Gründen höchstens um eine Sanierungsmaßnahme nach dem Erdbeben von Neulengbach (1590) handeln, bei dem das Chorpolygon auch Strebepfeiler erhielt, da die aus der ersten Bauzeit stammende östliche Wandvorlage ein gliederndes Gegenstück erfordert.

Kirchenuntergeschoß, Reste der Piscinarahmung Das Vorlagenpaar markiert offensichtlich das Ende des Chorraums, zu dem der mittelalterliche Altarsockel unmittelbar vor dem Beginn des Polygons zuzurechnen ist. Es trug daher einen Triumphbogen, auf dem seinerseits der Dachreiter aufsitzen konnte. In der Ostwand des Chores blieben außerdem die beiden unterschiedlich großen und maßwerkgezierten Spitzbögen der Piscina und einer Beistellnische sichtbar.
Kirchenuntergeschoß, Piscina, Beistellnische und ehem. Sitznische Nahezu mittig öffnet sich in der Chor-Ostwand heute eine mit gotischen Profilen eingerahmte tiefe Nische, die im Barock zu einem Fenster in den Treppenhof geöffnet und später bis auf Lüftungsschlitze wieder abgemauert wurde.
Der Befund ist teilweise durch die nachfolgenden Umbauten verunklärt, doch dürfte es sich nicht um einen Durchgang zu dem kapellenartig an den kleinen Kreuzgang bzw. an den Chor angebauten Raum handeln. Es käme dabei zu unorganischen Überschneidungen mit dem Kapellenpolygon und, was noch viel mehr gegen eine Portalsituation spricht, es hätte zwischen Chor und "Kapellenraum" ein erheblicher Niveauunterschied durch Stufen überwunden werden müssen, worauf bereits seitens der Archäologen hingewiesen wurde <18>. Man wird hier eine Wandnische annehmen dürfen. Diese stand anscheinend nicht mit dem noch zu besprechenden "Kapellenanbau", vermutlich dem Kapitelsaal, in Verbindung.

Problematischer zu beantworten ist die Frage nach dem ursprünglichen Zugang in den Priesterchor. Eine Portalöffnung konnte im Fundament der Westmauer unmittelbar nach dem Vorlagenfundament des Chorbogens im Priesterchor festgestellt werden. Davor befand sich großteils innerhalb der Mauerstärke ein nach rechts gewendelter Treppenaufgang <19>. Der Außenbereich vor diesem Portal und der Wendeltreppe ist leider durch den Einbau der barocken Sakristei und einem später an diese und die neue Kirchen-Westmauer angestellten Treppenaufgang in den Südarm des großen Kreuzganges gestört bzw. konnte noch nicht eingehend untersucht werden. Der bauliche Verband der Wendeltreppe mit der Westwand und die Dimensionierung der Stufen spricht für eine Zuordnung zum Erstbau des 14. Jahrhunderts. Ein Umbau der Portalsituation anläßlich der Restaurierungen des gesamten Chorbereiches nach 1590 ist jedoch denkbar.

Das Portal bildet somit den einzigen gesicherten Zugang in unmittelbarer Nähe des Altarraumes, da die gegenüberliegende Nische als Durchgang vom Kapitelsaal in den Altarraum ausscheidet. Die in ein nicht mehr erfaßbares Obergeschoß führende Wendeltreppe gehört daher zu einem westlichen Annexbau des Chorbereiches. Damit ist eine für die mittelalterliche Architektur der Kartäuser typische Situation gegeben: Beiderseits des Altarraumes befinden sich zweigeschossige Flankenbauten, die oft den gleichen Grundrißtypus aufweisen. Im Erdgeschoß liegen die Sakristei bzw. der Kapitelsaal, darüber - mit Wendeltreppen erschlossen - das Archiv bzw. die für die Kartäuser besonders wichtige Bibliothek. Lediglich die Sakristei hat einen direkten Zugang zur Kirche, während der Kapitelsaal auf der Seite des kleinen Kreuzganges liegt und von diesem aus erschlossen wird. Es ist für die konservative Haltung der Kartäuser in Mauerbach geradezu symptomatisch, daß sie beim frühbarocken Neubau und der damit verbundenen rigorosen Neuplanung nicht nur Teile des mittelalterlichen Gründungsbaus beibehielten, sondern darüber hinaus die Anordnung von Sakristei und Kapitelsaal.

Der Kapitelsaal hatte Außenmaße von rund 11 m Länge mal 7 m Breite und schloß in drei Seiten eines Achtecks, wobei die Polygonseite an der Chor-Ostwand bis auf einen kleinen Mauerzug reduziert war. Die Anschlußsituation an den Chor ist durch spätere Vormauerungen etwas verunklärt, der Kapitelsaal wird jedoch auch von den Archäologen als zum Erstbau gehörig angenommen (Kreitner). Das Südportal ist etwas aus der Achse gegen die Kirche verschoben. Von hier aus zweigte ein kurzer nischenartiger Raum ab, dessen Funktion durch die späteren Abtragungen und Überbauungen stark verunklärt ist. Unmittelbar im Anschluß daran konnte in der Kirchen-Ostmauer eine weitere Wendeltreppe zu einem Obergeschoß des Kapitelsaals festgestellt werden, die beim frühbarocken Neubau - wohl aus statischen Gründen - zur Gänze mit relativ dünnflüssiger Mauerspeise "ausgegossen" wurde. Auch diese Wendeltreppe ist wie ihr Pendant in der Westmauer offensichtlich gleichzeitig mit der gotischen Kirchenmauer hochgezogen worden. Die Erschließung der Wendeltreppe kann nur von Osten aus erfolgt sein, woraus zu schließen ist, daß der nischenartige Raum neben dem Portal des Kapitelsaales als Zugangsraum für die Treppe diente.

Zwei weitere Portale konnten am Südende des Priesterchores lokalisiert werden. In situ in den wesentlichsten Teilen erhalten ist das Ostportal vom kleinen Kreuzgang in die Kirche. Die tiefe Portalnische zeigt einen flachen Segmentbogen und gekehlte Kanten in der sorgfältig ausgeführten Hausteinrahmung. Das spitzbogige Portalgewände schließt mit der Kreuzgangmauer bündig ab.

Dem Ostportal genau gegenüber lag ein Südportal, von dem noch die Schwellensituation erfaßt werden konnte. Beide Portale bildeten somit eine Durchgangsachse quer zum Priesterchor. Die Funktion bzw. die für Kartäuserkirchen ungewöhnliche Durchgangssituation kann derzeit nicht ausreichend beurteilt werden, da eine Gesamtuntersuchung in dem hier westlich anschließenden, später "Totenhof" genannten Areal aussteht. Archäologische Vor- bzw. Teiluntersuchungen scheinen darauf hinzudeuten, daß die mittelalterliche Verbauung, von der sich noch heute ein Südtrakt zwischen Kirche und barocker Bibliothek erstreckt, möglicherweise einen hofartigen Bereich umfaßte.

Eine weitere Deutungsmöglichkeit der doppelten Portalsituation wäre bei einem sogenannten Kreuzganglettner, der für die Kartäuserarchitektur als typisch angesehen wird, gegeben. F. Mühlberg hat dazu einen Rekonstruktionsvorschlag gebracht, der folgende Merkmale umfaßt: Priesterchor und Konversenchor werden durch den weitgehend tunnelartig geschlossenen und quer durch die Kirche verlaufenden großen Kreuzgang getrennt. In der Kirchenachse öffen sich zwei schmale Portale in die beiden hierarchisch separierten Kirchenabschnitte. Gegen den Konversenchor ist dem Kreuzgangarm eine Arkatur vorgestellt, welche die gemeinsame Emporenplattform trägt <20>.

Diese Lettnerbühne wurde über eine Wendeltreppe erschlossen. F. Mühlberg und mit ihm alle späteren Autoren <21> haben aus der frühbarocken Anlage des Kreuzganglettners in Mauerbach durch Rückschluß auf einen vermeintlichen Vorgängerbau angenommen, daß sich in Mauerbach einer der frühesten kartäusischen Kreuzganglettner im deutschen Kulturraum erhalten hätte. Seit den Flächengrabungen in der barocken Unterkirche muß diese Hypothese als widerlegt angesehen werden.

Weder im Bereich des frühbarocken Kreuzganglettners noch bei den mittelalterlichen Portalen konnten Reste eines Lettnerfundamentes festgestellt werden. Das ursprüngliche Lettnerfundament hatte eine Breite von rund 3 m und befindet sich 3 m vor der Südwand des frühbarocken Kreuzganglettners. Auch zu den beiden Portalen in den gotischen Priesterchor besteht keine Beziehung. In der Ostwand haben sich zwei reich profilierte Vorlagenfragmente erhalten, die bisher nicht richtig gedeutet werden konnten.

Erst durch die archäologische Feststellung des Lettnerfundamentes gelingt die Interpretation. Der gotische Lettner hatte eine ungefähr 30 cm starke Rückwand. Davor lag die ein Joch tiefe Arkadenstellung der Lettnerbühne. Während die dreieckige nördliche Wandvorlage als Eckgliederung zwischen Lettner-Rückwand und Kirchen-Ostwand situiert war, trug die südliche Wandvorlage den Arkadenbogen. Aus der unterschiedlichen Funktion als Eck- und Flankenvorlage ergibt sich zwangsläufig der bisher nicht beachtete Unterschied im Querschnitt. In der Ostwand zwischen den beiden Gliederungsresten hat sich außerdem die Beistellnische für einen unter der Arkade zu rekonstruierenden Seitenaltar erhalten.

Die gotische Kirche hatte somit keinen Kreuzganglettner, sondern einen auch in anderen Kloster-, Bischofs- oder großen Pfarrkirchen üblichen Hallenlettner mit geschlossener Rückwand <22>. Er besaß wahrscheinlich zwei beiderseits des Mittelportals in den Ecken aufgestellte Altäre.

Der Konversenchor setzt unmittelbar an den Ecken des Lettners an, wobei die Wände an den Innenseiten um 30 cm zurückversetzt wurden. Ein von den Archäologen geöffnetes Befundfenster neben der Lettner-Eckvorlage belegt, daß die gotischen Wände hinter der barocken Vormauerung eine vegetabile (?) Bemalung aufwiesen <23>. Eine in situ erhalten gebliebene rechteckige Wandvorlage, deren Pendant an der Westwand durch Grabung gesichert ist, teilte den Konversenchor in zwei querrechteckige Joche, wobei das nördliche vor dem Lettner um die Breite der Wandvorlage verkürzt war. An der südlichen Fassadenwand sind zwei abgeschlagene Spitzkonsolen zu erkennen, die einst die Gewölbeanfänger einer mindestens dreiachsigen Empore bildeten.

Der eigenartige Rücksprung bzw. die Verschmälerung der Mauerstärke um nahezu ein Drittel im Konversenchor ist beispiellos. Soweit an den Fundamenten und in der Mauerstruktur zu erkennen ist, besteht hier keinerlei Bauzäsur, welche auf eine Mehrphasigkeit schließen ließe. Altarraum, Priester- und Konversenchor wurden gleichzeitig errichtet, während der Lettner mit seinen dünngliederigen und reichen Profilierungen eher an einen nachträglichen Einbau im späteren 15. Jahrhundert denken läßt. Möglicherweise ist die Differenzierung der Wandstruktur zwischen Priester- und Konversenchor Ausdruck eines hierarchischen Ordnungsprinzips, das in der asketischen Wandhaftigkeit bei den Mönchen und einer reicheren Gliederung bei den Konversen zum Ausdruck kommt.

Der Konversenchor wurde durch ein Ostportal erschlossen, dessen Segmentbogen aus Haustein noch in situ unter der barocken Vormauerung erhalten blieb, während die Gewände jüngst bei Bauarbeiten einer Vergrößerung zum Opfer fielen. Es lag bereits außerhalb des kleinen Kreuzgangs <24>.

Kirchenuntergeschoß, vermauertes Kirchenportal und Emporenkonsole
Kirchenuntergeschoß, Fassadenwand mit Emporenkonsole und Portalkante

In der südlichen gotischen Fassadenwand, welche heute an der Außenseite zur Gänze unter der barocken Fassadenverblendung verborgen liegt, befand sich ein achsiales Portal, wie an den Baunähten zwischen den gotischen Gewändekanten und der barocken Vermauerung vom Kircheninneren aus abzulesen ist. Hier befand sich auch die bereits besprochene gotische Empore.
Faßt man die bisherigen Ergebnisse zusammen, so ist die Kirche des 14. Jahrhunderts als langgestreckter, einschiffiger und strebepfeilerloser Bau mit Polygonchor zu rekonstruieren. Die gliedernden Elemente im Inneren beschränkten sich auf einen Triumphbogen über Wandvorlagen zwischen Altarraum und Priesterchor und auf einfache Rechteckvorlagen im Konversenchor. Priesterchor und Konversenchor waren annähernd gleich lang und wurden durch einen schlichten Hallenlettner mit Mitteldurchgang getrennt. Neben der Kirchenhauptachse bestand im rückwärtigen Drittel des Priesterchores eine quergelagerte Durchgangsachse, die vom kleinen Kreuzgang in den hofartigen Bereich westlich der Kirche führte.



Die mittelalterlichen Klostertrakte östlich der Kirche

Schematischer Baualterplan der Klostertrakte östlich der Kirche
Kirchenostmauer, Reste des kleinen Kreuzgangs

Der kleine Kreuzgang schloß östlich an die Kirche an und hatte annähernd quadratischen Grundriß. Im aufgehenden Mauerwerk haben sich entlang der östlichen Kirchenmauer die Reste von vier abgeschlagenen gestelzten Rippenkonsolen erhalten, die ursprünglich gekehlte Rippen trugen. Die Ansatzstellen der dazugehörigen, nahezu gänzlich erhaltenen, halbkreisförmigen Schildbögen konnten bei der jüngsten Putzsanierung freigelegt werden. Vier weitere Konsolen befinden sich an der gegenüberliegenden Westmauer des barock aufgestockten Kanzleitraktes. Die Parapetmauern der inneren Kreuzgangmauern und der nördliche Kreuzgangarm konnten nurmehr archäologisch erfaßt werden. Die komplizierten Befunde des westlichen Kreuzgangarmes, der vermutlich mit einem polygonalen Brunnenhaus (?) ausgestattet war, sind in Bearbeitung. Der kleine Kreuzgang maß demnach jeweils sechs Joche im Quadrat. In der Nordwestecke schob sich der bereits erwähnte Kapitelsaal kapellenartig neben dem Chor hinaus, daran reihten sich unter dem späteren Küchentrakt mehrere Nebenräume.
Traiteurhof, Kanzleitrakt mit Konsolen des ehem. kleinen Kreuzgangs
Traiteurhof, Westwand des Kanzleitraktes mit Ortsteinkante

Der Ostarm des kleinen Kreuzgangs schloß an einen großen dreijochigen Baukörper an, der im Barock aufgestockt, in drei Einzelräume unterteilt wurde und zuletzt als Kanzleibau diente. Seine Südwest-Ecke ist an einer Ortsteinkette ablesbar und markiert gleichzeitig die Außenflucht des südlichen Kreuzgangarmes, der hier vermutlich mit einer nach Süden offenen Bogenstellung endete. Dem Ostarm und diesem Gebäude ist eine weitere mittelalterliche Mauer vorgelagert, welche in der Flucht der mittelalterlichen Kirchenfassade die Südmauer des sogenannten "Traiteurhofes" bildet und sich bis in den Trakt der barocken Prälatur verfolgen läßt.
Dem Südarm des kleinen Kreuzganges war also im Mittelalter ein Korridor vorgelagert, der auf das Konversenportal zuführte und sich nach Osten über den Prälaturtrakt hinaus fortsetzte. Erst mit der Aufstockung des barocken Kanzleitraktes wurde dieser Durchgang abgemauert und zum Stiegenhaus umfunktioniert.

Ehem. Kanzleitrakt, barockes Stiegenhaus und Portal des 14. Jh. Von diesem vorgelagerten Korridor gelangte man durch ein annähernd mittig in der Südwand des Baukörpers situiertes Portal in den dreijochigen Erdgeschoßtrakt. Soweit nicht durch das barocke Treppenhaus verdeckt, zeigt das Portal einfach gekehlte Gewändekanten, die in der Sockelzone in Form von Hornabläufen zur vollen Werkform übergehen. Diese aus frühgotischen Zierformen weiterentwickelte Portalprofilierung belegt, daß der Erdgeschoßtrakt, welcher baulich mit dem Kreuzgang-Ostarm verbunden ist, noch aus der ersten Bauphase des 14. Jahrhunderts stammt.
Kanzleitrakt, Innenansicht mit got. Gewölbekonsolen
 

Kanzleitrakt, Innenansicht mit got. GewölbekonsoleVom Erdgeschoßtrakt blieben nach der Barockisierung lediglich die drei kreuzgangseitigen Mauerzüge erhalten. Die Ostmauer gegen den Prälatenhof wurde entfernt und verlief wahrscheinlich ursprünglich etwas weiter nach Osten verschoben. Vom gotischen Kreuzrippengewölbe sind die tief herabgezogenen Gewölbefüße mit den Rippenansätzen erhalten. Die sich kapitellos aus der Wand entwickelnden gestelzten Gewölberippen entsprachen stilistisch jenen des kleinen Kreuzganges.
Kanzleitrakt, gotisches Schulterbogenportal Das gotische Portal in der Südwand führte vor dem Einbau des barocken Stiegenhauses in jenen Korridor, welcher dem Südarm des Kreuzganges vorgelagert war und von dem sich die jetzige Begrenzungsmauer des sogenannten "Traiteurhofes" zwischen Kirchenfassade und Prälaturtrakt erhalten hat. Hier führte gleichsam als Pendant zum gegenüberliegenden gotischen Südportal ein Schulterbogenportal in einen Trakt, der sich im Bereich der barocken Prälatur nach Süden erstreckte. Heute befindet sich dort der Westdurchgang vom barocken Prälatenhof in einen kleinen Nutzgarten. Wieviel an mittelalterlichem Mauerwerk bei der barocken Überbauung des Prälatentraktes mitverwendet wurde, müßte noch untersucht werden.
Kanzleitrakt, Durchgang zum Prälatenhof mit 3 vorbarocken Portalen Westlich neben dem vermutlich spätgotischen Schulterbogenportal befindet sich der Rest eines vorbarocken Segmentbogenportals, im Osten ein zum barocken Westdurchgang orientiertes Rechteckfenster mit Steinrahmung aus Architekturspolien. Das Schulterbogenportal belegt, daß die Westgrenze der mittelalterlichen Verbauung um den kleinen Kreuzgang nicht mit der Bauflucht der Kirchenfassade endete, sondern sich hier zumindest im 15. Jahrhundert bereits Gebäudetrakte gegen Süden vorschoben. Vorbehaltlich weiterer Befunde darf vermutet werden, daß die Gelenkstelle zwischen den mittelalterlichen Trakten um den kleinen Kreuzgang und dem barocken Prälatenhof durch die nach Süden vorgeschobenen spätgotischen Baukörper initiiert wurde.
Traiteurhof, spätmittelalterliche Mauer mit Portalen Der durch das Schulterbogenportal faßbare Südtrakt war nicht das einzige Gebäude jenseits der gotischen Begrenzungsmauer des späteren Tratteurhofes. Drei zeitlich aufeinanderfolgende Portalöffnungen führten durch diese Begrenzungsmauer. Zum mittelalterlichen Baubestand gehört ein Rundbogenportal aus Werkstein, dessen unprofilierte Ecken gegen den Tratteurhof bzw. gegen den Korridor vor dem kleinen Kreuzgang einen Anschlagfalz für das Türblatt zeigen. Der Bogenrücken und die Gewändepfosten sind nicht ausgearbeitet. Das dazugehörige Gebäude erstreckte sich im Bereich des heutigen Nutzgartens und war vermutlich sekundär an die gotische Begrenzungsmauer angebaut. Ein mit dem Scheitel etwas tiefer liegendes Segmentbogenportal dürfte älter sein, eine ebenfalls segmentförmige aber bereits neuzeitliche Portalöffnung blieb gartenseitig als Nische bestehen. Zu den Öffnungen in der Südmauer ist weiters ein querliegendes Rechteckfenster mit Steinrahmung zu erwähnen, welches sich zwar in einem bereits stark durch barocke und jüngere Umbauten gestörten Bereich befindet, das jedoch ähnliche technische Merkmale wie das Rundbogenportal aufweist.
Soweit ohne archäologischen Befund ersichtlich, bestand das nach Süden vorgeschobene Gebäude frühestens ab dem 15. Jahrhundert und verschwand - da es auf den barocken Ansichten fehlt - spätestens mit dem Neubau des 17. Jahrhunderts.

Die mittelalterlichen Klostertrakte westlich der Kirche

Schematischer Baualterplan der Klostertrakte westlich der Kirche Die durch die mittelalterliche Kirchenfassade und die Begrenzungsmauer des Tratteurhofes festgelegte Bauflucht setzt sich auch nach Westen fort. Um den sogenannten "Totenhof" <25> reihen sich hier im Süden die Prokuratur, im Osten das barock erweiterte Kirchenschiff mit einem vorgelagerten Trakt, im Norden der südliche Arm des großen Kreuzgangs und im Westen die barocke Bibliothek aneinander. Archäologisch konnte durch die bereits erwähnte Feststellung des Westportals in den Priesterchor und einige angeschnittene Mauerzüge im Totenhof der Nachweis einer hofartigen mittelalterlichen Verbauung erbracht werden.
Kirche, Prokuratur und Bibliothek
Südfassade von Prokuratur und Bibliothek, Bauaufnahme

Den ältesten Teil bildet der Südtrakt zwischen Kirche und Bibliothek, der geradezu als Musterbeispiel für die in Mauerbach vom 16. bis ins 19. Jahrhundert übliche Art der Adaptierung und Überbauung der mittelalterlichen Bausubstanz gelten kann. Aufgrund der Struktur des Bruchsteinmauerwerks, das jenem der heutigen Begrenzungsmauer des Traiteurhofes gleicht und ähnlich dem älteren Mauerwerk der Kirchen-Ostmauer bzw. der Westmauer des Kanzleitraktes ist, kann ein spätmittelalterlicher Kernbau von der barocken Überbauung differenziert werden. Der Baukörper bildet das Erdgeschoß der Prokuratur. Gegen die Kirche zu ist wegen des vorbarocken Verbindungstraktes entlang der barocken Kirchen-Westmauer die weitere Erstreckung des mittelalterlichen Traktes verunklärt. Im Westen endet der rechteckige Baukörper straßenseitig nicht mit der Prokuratur, sondern setzt sich als Erdgeschoßmauer der Bibliothek fort.
Totenhof, Westabschnitt der Prokuratur mit got. Bauresten Vom Totenhof aus betrachtet, fällt etwa in Gebäudemitte ein mächtiger, einfach abgefaster Segmentbogen einer Toreinfahrt (?) auf, der seiner Form nach im ausgehenden 15. oder frühen 16. Jahrhundert entstanden sein dürfte. Gegen die Kirche zu verschwindet die spätmittelalterliche Mauer unter barocken und späteren Vormauerungen. Gegen die Bibliothek hingegen ist der Baubestand stark durch spätere Mauerdurchbrüche gestört und endet mit einer deutlich ausgeprägten Abrißstelle an der hier durchlaufenden barocken Bibliotheks-Ostwand. Für das barocke Baugeschehen interessant ist, daß die mittelalterliche Mauer direkt auf ein vermauertes barockes Fenster zuläuft und es zur Hälfte verdeckt.
Wie schon seitens der Bauforschung festgestellt und dann durch Grabungen bestätigt, sitzt die straßenseitige Bibliotheksfassade auf der mittelalterlichen Mauer auf, die an dieser Stelle bis ins ehemalige erste Obergeschoß reicht. Die mittelalterliche Westmauer hingegen und der Mauerzug bis zur hofseitigen Mauer des Bibliothekstraktes wurden im Barock abgerissen. Die barocke Südwand der Bibliothek reitet gleichsam zum Teil auf mittelalterlichem Mauerwerk auf, zum Teil ist sie selbständig fundamentiert. Die Folge davon waren Bauschäden an der Bibliotheksfassade, die sich in einem mächtigen, senkrecht durch die Fassade laufenden Setzungsriß manifestierten, der mit Ziegeln ausgemauert werden mußte und später die Errichtung des stark geböschten Strebepfeilers aus Quadern an der Südwestecke der Bibliothek erzwang.

Das barocke Planungskonzept sah demnach die Wiederverwendung mittelalterlicher Baustrukturen vor, achtete aber oft nicht ausreichend auf die dabei auftretenden statischen Probleme. Die zunächst verwirrende Feststellung, daß die mittelalterliche Mauer ein Fenster der jüngeren Bibliothekswand verdeckt, zeigt, daß man beim barocken Neubau möglichst lange die alten Klostergebäude stehen ließ und dort, wo später die Mauern abgerissen werden sollten, bereits die Fensteröffnungen einbaute. Aus nicht bekannten Gründen blieb jedoch der mittelalterliche Restbau bestehen und wurde straßenseitig barock aufgestockt, hofseitig hingegen lediglich im Bereich der Prokuratur.

Bibliothek, Bauphasen 15. - 19. Jh.
Prokuraturtrakt, got. Fenster mit Putzfaschengliederung

Bibliothek, got. FensteröffnungenDer mittelalterliche Trakt wurde nicht erst beim Bau der Bibliothek verändert. Im Bereich der barocken Überbauung durch die Prokuratur ist das spätgotische Mauerwerk nur im Erdgeschoß nachweisbar, an der Bibliotheksfassade belegen die Reste von vermauerten Öffnungen mit Steingewänden mindestens noch ein Obergeschoß. Ursprünglich war der Bau flach gedeckt, wie Untersuchungen im Obergeschoß der Prokuratur ergaben. Das Erdgeschoß war durch den großen Torbogen erschlossen. Straßenseitig können mindestens fünf Fensteröffnungen nachgewiesen werden, die mit ihren Achsen keinerlei Beziehung zum barocken Obergeschoß aufweisen. Die Fenster hatten tiefe, stark abgeschrägte Laibungen und einen segmentförmigen Sturz. Die gemauerten Rahmungen wurden durch Putzfaschen betont.
Totenhof, Baunaht zwischen barocker Bibliothek und got. Baukörper Hofseitig hat sich im Winkel zwischen Prokuratur und Bibliothek noch ein Stück einer Quadermauer mit aufgeputzten Fugenbändern erhalten. Außerdem befindet sich dort in Originallage ein später abgeschlagenes Kapitell, das vielleicht auf eine Arkadenarchitektur schließen läßt. Darüber sind im barocken Mauerwerk einige Spolien verarbeitet, unter anderem Teile von Birnstabrippen mit mindestens zwei Fassungsschichten. Möglicherweise handelt es sich bei diesen Bauresten um einen Arkadengang, der in Zusammenhang mit dem West-Portal in den Priesterchor zu sehen ist. Er würde dann ein Pendant zum kleinen Kreuzgang bilden <26>.
Für die Datierung des mittelalterlichen Quertraktes ist weiters ein dislozierter Kapitellfund bedeutsam, der bei den Grabungen unter dem Bibliothekstrakt zutage trat. Das Pfeilerkapitell zeigt die typischen scharfen Profilierungen und Verstäbungen des ausgehenden 15. Jahrhunderts und trägt die Jahreszahl 1482. Der bauliche Zusammenhang ist unklar, doch spricht die Fundlage gemeinsam mit anderen Spolien für die Zugehörigkeit zur hofartigen Verbauung westlich der Kirche.

In der nächsten Bauphase wurde der flach gedeckte Quertrakt gewölbt und wahrscheinlich auch das hofseitige Einfahrtsportal zu einem Fenster abgemauert. Die Ziegeltonne mit Stichkappen läuft vom Flur in den Totenhof bis zur Bibliothekswand, doch konnten noch im Erdgeschoß unter der Bibliothek an der Fassadenwand die Reste eines Gewölbezwickels lokalisiert werden. Mit dem Bau der barocken Bibliothek wurde dieser Teil des Gewölbes gekappt. Näher datierende Anhaltspunkte für diesen Umbau sind nicht bekannt, sicher ist die Wölbung jedoch vorbarock. Sie dürfte zu jener Restaurierungs- und Neubauphase gehören, die in der Zeit nach dem großen Erdbeben von Neulengbach, 1590, erfolgte und mit dem Bau des Längstraktes an der mittelalterlichen Kirchen-Westwand zusammengesehen werden sollte.

Weitere Umbauten des mittelalterlichen und vorbarock gewölbten Kernbaus erfolgten nach der Auflassung des Klosters. Sie sind durch eine zunehmende Parzellierung der Erdgeschoßräume gekennzeichnet, die in mehreren Phasen verlief. Damit zusammenhängend ist die nahezu endgültige Schließung der Fensteröffnungen; der Kernbau wird zum Kellerraum umfunktioniert.

Nachmittelalterliche Umbauten bis nach dem Erdbeben von 1590

Aufgrund der baulichen Reste sind in Mauerbach mindestens zwei größere mittelalterliche Bauepochen festzustellen - die erste aus dem frühen 14. Jahrhundert, welche die Kirche und die Klosteranlagen um die beiden Kreuzgänge betrifft, und eine zweite im ausgehenden 15. Jahrhundert.

Die Zerstörungen im Zuge des Türkenkrieges von 1529 und die Renovierungsmaßnahmen von 1554 - 1575 unter dem Prior Johann IV. sind am bestehenden Bauwerk nur schwer lokalisierbar oder fielen dem barocken Neubau zum Opfer. Die Wiederherstellung der durch Brand arg betroffenen Klosterbauten zog sich aus Geldmangel jahrelang dahin. Der Gottesdienst mußte teilweise in der aus der Zeit um 1409 stammenden Schauer'schen Kapelle abgehalten werden <27>; 1569 erhielt die Kirche ein neues Dach.

Substanziell besser faßbar sind die Instandsetzungsarbeiten nach dem Erdbeben vom 7. September 1590. Die Bauschäden dürften enorm gewesen sein. Es wird überliefert, daß die Gewölbe und der Dachreiter einstürzten, ebenso große Teile der Klosterbauten und die Umfassungsmauer <28>. Für die Wiederherstellung wurde unter anderem die Spende der Witwe Margarethe Neudecker ("Freiin von Neudeck") aus Hütteldorf herangezogen, welche, durch den Prior Sebastian II. (1597 - 1916) vom Luthertum bekehrt, die Kartause Mauerbach als ihre Universalerbin einsetzte. Die baulichen Maßnahmen um die Kirche sind vor allem archäologisch näher erschlossen.

Das gotische Chopolygon aus dem 14. Jahrhundert wurde durch relativ großzügig dimensionierte Strebepfeiler verstärkt und am Triumphbogen wurden Veränderungen vorgenommen, insbesondere an der westlichen Wandvorlage. Der neu errichtete Dachreiter ruhte jetzt auf einem statisch besser abgesicherten Chorbau auf. Sinngemäß hat man sich auch eine entsprechende Erneuerung der Schiffswölbung vorzustellen.

Als vollständigen Neubau errichtete man an der Westseite der Kirche jenen Längstrakt, der bis zur Kirchenfassade vorreichte und teilweise in den bereits vorhandenen quergelagerten Südtrakt aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert, der später zur Prokuratur umgebaut werden sollte, eingriff. Gleichzeitig erhielt dieser Quertrakt seine heute noch bestehende Tonnenwölbung.

Der Längstrakt aus der Zeit nach 1590 dürfte in das ältere hofartige System um den Totenhof einbezogen worden sein. Er war ursprünglich tonnengewölbt und benütze die Kirchenlanghauswand als Kommunmauer. Beim barocken Neubau des Klosters unter Prior Georg Fasel behielt man diesen Baukörper und sein Gewölbe bei, obwohl man nun die Kirche nach Westen erweiterte.

Wie schon beim Bau der barocken Bibliothek und bei der Aufstockung des spätmittelalterlichen Quertraktes um die Prokuratur beschrieben, ist die Einbeziehung des Längstraktes von 1590 in die Kirchenerweiterung als technische Sonderleistung anzusehen. Man stützte zunächst das Gewölbe von 1590 durch schräg an die mittelalterlichen Kirchen-Westwand anlaufende Balken ab, mauerte dann die neue barocke Längswand hoch, wobei die Stützbalken mitvermauert wurden, und trug anschließend die alte Kirchenwand und einen Teil des Gewölbes von 1590 ab.Auf diese Weise konnte man die Längstonne des Traktes von 1590 zu einer Dreivierteltonne verkürzen und beibehalten. Die schräg verlaufenden Balkenkanäle der Stützkonstruktion sind noch heute in der barocken Kirchen-Westmauer im ehemaligen Konversenchor zu sehen.

Wie schon eingangs angedeutet, stellt die Wiederverwendung älterer Mauerzüge und die teilweise materialbedingte Beibehaltung mittelalterlicher Mauerungstechniken gerade für die Zeit zwischen 1590 und dem barocken Neubau ab 1615 ein bauanalytisches Problem dar. Möglicherweise gehen auch Teile der Wirtschaftsgebäude südlich des Klosters auf vorbarocke Bauten zurück <29>. Die Kellergeschosse dieses im Barock mehrfach umgestalteten Wirtschaftstraktes zeigen nämlich ein Bruchsteinmauerwerk mit netzförmig ausgezwickten Stoß- und Lagerfugen, wie es ab dem 15. und bis ins späte 16. Jahrhundert in Niederösterreich allgemein üblich ist. Das Obergeschoß mit seinen aus Ziegeln gemauerten Schlüssellochscharten hingegen besteht aus barockem Mischmauerwerk. Eine Mitverwendung vorbarocker Baustrukturen im Kellerbereich wäre nicht auszuschließen.

Auch vereinzelte Mauerzüge im Keller- bzw. Erdgeschoßbereich um die südwestliche Ecke des großen Kreuzganges und unter der ersten Ostzelle zeigen für den frühbarocken Neubau auffallend altertümliche Strukturen. Dieser Kellerraum unter der ersten Ostzelle war ursprünglich ein zweischiffiger, dreijochiger Raum, der erst später durch Zwischenmauern in den Keller der ersten Ostzelle und das Stiegenhaus für die Kaisertreppe unterteilt wurde. Weiters weist das große Rundbogenfenster im Kreuzgang gegen den Prälatenhof Gewändeprofile auf, die an spätgotisch- frühneuzeitliche Formen gemahnen. Hier konnte während der Putzsanierung von 1994 eine bis ins Obergeschoß durchlaufende Gebäudekante mit Eckquaderritzung festgestellt werden, die noch ins 16. Jahrhundert datiert werden kann und von der Verputzlage der Bautätigkeit um die Mitte des 17. Jahrhunderts überlagert wird <30>.

Zukünftige Bauforschungen und archäologische Untersuchungen werden hier sicher noch einiges zur Differenzierung der komplizierten Bauetappen zwischen dem spätgotischen und dem frühbarocken Klosterbau beitragen können. Derzeit laufende archäologische Untersuchungen im Bereich des Kreuzgartens erbrachten erste Anhaltspunkte für die bauliche Disposition des mittelalterlichen großen Kreuzgangs. Daraus ist zu schließen, daß sich die Schauer'sche Kapelle innerhalb des mittelalterlichen Kreuzgartens befand, während die Befunde eines Renaissancegartens möglicherweise einer Mönchszelle am großen Kreuzgang zuzuordnen sind <31>.

Anmerkungen

<1> Zur Geschichte der Kartause Mauerbach siehe den Beitrag von G. Jaritz. Zusammenfassend: T. Wiedemann, Geschichte der Kartause Mauerbach, in: Bericht und Mitteilungen des Alterthumsvereines zu Wien, 13, 1873, S. 69 ff. - R. Hantschk, Die Geschichte der Kartause Mauerbach, in: Analecta Cartusiana 7, 1972. - Zusammenfassend und aus der Sicht der Denkmalpflege vgl.: Kartause Mauerbach, Restaurierungswerkstätten, Denkmalpflege, Wien o. J., insbesondere K. Neubarth, Zur Baugeschichte der Kartause Mauerbach in Niederösterreich, ebenda, S. 5 ff.

<2> W. Hildebrand, Die Kartause Gaming, Gaming 1989.

<3> Die Kartause Aggsbach, in: Analecta Cartusiana 83, 4, 1995. - ebenda: K. Kubes, Zur Kunstgeschichte der Kartause Aggsbach, S. 111 ff.

<4> Dr. Leonhard Schauer, Official des Bischofs von Passau, starb 1411 und wurde in dieser Kreuzkapelle begraben. Die figurierte Marmorgrabplatte wurde nach der Aufhebung von Mauerbach nach Laxenburg transferiert. Schauer "ließ die Fenster mit trefflichen Glasgemälden schmücken und in einem sein Bild, kniend vor einer Madonna, anbringen." Sie werden noch von Brenner beschrieben. Vgl. Wiedemann, Geschichte (zit. Anm. 1), S. 100. F. Eppel, Kunst im Lande rings um Wien, Salzburg 1977, S. 50. bezeichnet sie als Friedhofskapelle und datiert sie um 1400.

<5> Siehe dazu den Beitrag von T. Kreitner sowie T. Kreitner, Vorbericht über die Archäologischen Untersuchungen der Jahre 1996 bis 1998 in der Kartause Mauerbach, NÖ, in: Fundberichte aus Österreich 37, 1998, 342 ff.

<6> Allgemein: G. U. Großmann, Einführung in die historische Bauforschung, Darmstadt 1993. - G. P. Fehring, Einführung in die Archäologie des Mittelalters, Darmstadt 1992.

<7> Zum Problem der Lettner in Kartäuserkirchen zusammenfassend: M. Zadnikar, Die Kartäuser, Der Orden der schweigenden Mönche, Köln 1983, S. 74 ff.

<8> Zur Methode der Mauerwerksanalyse vgl. G. Seebach, Zeitspezifische Strukturen des mittelalterlichen Mauerwerks, in: Burgen und Ruinen, Denkmalpflege in Niederösterreich 12, 1994, S. 19 ff. - R. Koch, A. Rohatsch, Baugeschichtlich-gesteinskundliche Überlegungen zum Burgenbau im südlichen Niederösterreich, in: ebenda, S. 24 ff.

<9> Zadnikar, Kartäuser (zit.Anm. 7), Zitat: S. 51 f. - Zur Ordensbaukunst allgemein: G. Bindung, M. Untermann, Ordensbaukunst in Deutschland, Darmstadt 1985.

<10> Nur etwa 16 Exemplare blieben erhalten. Die beiden ältesten stammen aus dem 12. Jh. Und werden in Paris und Dijon aufbewahrt. Aus der ersten Niederlassung des Ordens im mitteleuropäischen Raum, der steirischen Kartause Seiz, stammt das drittälteste Exemplar vom Anfang des 13. Jahrhunderts; es wird heute im Zisterzienserstift Rein bei Graz verwahrt. Zadnikar, Kartäuser (zit. Anm. 7), S. 52. Rein wird hier irtümlich als ehemaliges Zisterzienserkloster bezeichnet, tatsächlich wurde es jedoch nie aufgehoben.

<11> Zadnikar, Kartäuser (zit. Anm. 7), S. 73.

<12> Zadnikar, Kartäuser (zit. Anm. 7), S. 76

<13> O. Völkers, Die Klosteranlagen der Kartäuser in Deutschland, in: Zeitschrift für Bauwesen 71, 1921, S. 322 - F. Mühlberg, Zur Klosteranlage des Kartäuserordens, Versuch einer Darstellung der mittelalterlichen Kartausen der deutschen Ordensprovinz Franconia, Diss. Köln 1949, S. 96 - Zadnikar, Kartäuser (zit. Anm. 7), 72.

<14> Mühlberg, Klosteranlage (zit. Anm. 13), S. 129 f.

<15> Mühlberg, Klosteranlage (zit. Anm. 13), S. 96.

<16> Zadnikar, Kartäuser (zit. Anm. 7), S. 72 f.

<17> Kreitner, Vorbericht (zit. Anm. 5), S. 354 f.

<18> Kreitner, Vorbericht (zit. Anm. 5), S. 355.

<19> Kreitner, Vorbericht (zit. Anm. 5), S. 353 f, Mauerzug M 5.

<20> Vgl. die Abbildung bei Zadnikar, Kartäuser (zit. Anm. 7), S. 76. - F. Mühlberg, Zur Kenntnis der mittelalterlichen Klosteranlage des Kartäuserordens in Deutschland, in: Die Klosterbaukunst, Arbeitsbericht der deutsch-französischen Kunsthistoriker-Tagung (1951), Mayence 1951, o. P.

<21> Zuletzt Zadnikar, Kartäuser (zit. Anm. 7), S. 129.

<22> Zur Funktion und Entwicklung der mittelalterlichen Lettner noch immer zutreffend: E. Doberer, Lettner, in: Lexikon für Theologie und Kirche 6, Freiburg 1961, S. 987 ff.

<23> Die Bemalung dürfte erst einer späteren Umgestaltungsphase (16. Jh.?) angehören.

<24> Eine genaue Klärung der Zusammenhänge zwischen Kreuzgangsüdarm und der Abschlußmauer des Tratteurhofes ist erst nach Abschluß und Auswertung der laufenden Grabungen in diesem Bereich möglich. Zum derzeitigen Forschungsstand siehe den Beitrag von T. Kreitner.

<25> Die Bezeichnung "Totenhof" stammt erst aus der Zeit nach Auflassung der Kartause; die ursprüngliche Nutzung des Hofes ist unbekannt.

<26> Im Bereich des Totenhofes waren bisher nur partielle archäologische Untersuchungen möglich. Die ersten Ergebnisse lassen auf eine mittelalterliche Binnenverbauung des Totenhofes schließen. Vgl. dazu den Beitrag T. Kreitner.

<27> Aufgrund des geringen Fassungsvermögens der Kapelle müßte dabei allerdings die Trennung in Priestermönche und Konversen völlig aufgegeben worden sein.

<28> Vgl. Hantschk, Geschichte (zit. Anm. 1), S. 145

<29> Zum allgemeinen Problem der Nutzung und Datierung dieser Wirtschaftsgebäude siehe U. Knall-Brskovsky, Gemauerte Schüttkästen, in: Speicher und Schüttkästen, Denkmalpflege in Niederösterreich 21, 1999, S. 16 ff., insbesondere S. 19.

<30> C. Linsinger, H. Hoffmann, Restaurierung der Prälatenhoffassaden, in: Kartause Mauerbach, Restaurierungswerkstätten, Denkmalpflege, Wien o. J., S. 14 ff.

<31> Siehe dazu den Beitrag von T. Kreitner.

 =====================================
Original-Inhaltsverzeichnis der Publikation
=====================================

 

Kartause Mauerbach, 1314 bis heute. Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege LIII, 1999, Heft 2/3/4:

Inhalt

 
 

KARTAUSE MAUERBACH - 1314 BIS HEUTE

 
Ernst Bacher, Wilhelm Georg RizziVORWORT373
 

BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE DER KARTAUSE MAUERBACH

 
Gerhard JaritzDIE KARTÄUSER VON MAUERBACH UND IHRE GESCHICHTE: SPIRITUELLES LEBEN AUF MATERIELLER BASIS375
Johannes GötzenauerPRIOREN- UND PRÄLATENLISTE385
Karl Fahringer„EINE SO GUTE GELEGENHEIT". DER BESONDERE FALL DER KARTAUSE MAUERBACH387
Karl Fahringer„ALTEN UND ELENDEN IHR TRAURIGES DASEYN ETWAS ERTRÄGLICHER ZU MACHEN." DER BESONDERE FALL DES VERSORGUNGSHAUSES MAUERBACH393
 DIE KARTAUSE MAUERBACH - PLÄNE UND HISTORISCHE ANSICHTEN400
 

BAU UND AUSSTATTUNG DER KARTAUSE

 
Thomas KreitnerEIN BERICHT ZUM GEGENWÄRTIGEN STAND DER BAUARCHÄOLOGISCHEN UNTERSUCHUNGEN 1996 BIS 1999 IN DER KARTAUSE MAUERBACH411
Rudolf KochDIE MITTELALTERLICHE UND FRÜHBAROCKE KLOSTERANLAGE VON MAUERBACH AUS BAUHISTORISCHER SICHT431
Ulrike Knall-Brskovsky, Karl NeubarthBAUGESCHICHTE DER KARTAUSE IM 17. UND 18. JAHRHUNDER
453
Karl Neubarth, Ulrike Knall-BrskovskyDIE BAULICHEN ADAPTIERUNGEN FÜR DAS VERSORGUNGSHAUS UND DIE NUTZUNG IM 20. JAHRHUNDERT493
Ulrike Knall-BrskovskyVERSUCH EINER KUNSTHISTORISCHEN EINORDNUNG DER KLOSTERANLAGE DES 17. JAHRHUNDERTS503
Ulrike Knall-Brskovsky, Wilhelm Georg RizziHOCHBAROCK IN DER KARTAUSE MAUERBACH: CHRISTIAN ALEXANDER OEDTL UND MATTHIAS STEINL530
Thomas BaumgartnerDIE GÄRTEN DER KARTAUSE555
Jürg GanzDIE KARTAUSEN MAUERBACH UND ITTINGEN - EIN VERGLEICH DER BAUTEN UND DEREN AUSTATTUNG IN IHRER FUNKTION ALS SPIEGEL DER ORDENSSTATUTEN568
 FARBTEIL577
Johannes RamharterDIE BAROCKEN SKULPTUREN DER KARTAUSE MAUERBACH609
Astrid M. HuberDIE STUCKAUSSTATTUNGEN DER KARTAUSE MAUERBACH620
Manfred Koller, Wolfgang ProhaskaDIE HOCHALTARGEMÄLDE VON ANDREA CELESTI636
Dora HeinzDIE PARAMENTE DER PFARRE MAUERBACH642
 

VOM LEBEN DER KARTÄUSER IN MAUERBACH

 
Meta Niederkorn-BruckZUR WISSENSCHAFTSPFLEGE IN DER KARTAUSE MAUERBACH646
Walter PassKARTÄUSERGESANG657
Thomas KreitnerEIN BEITRAG ZUM FUNDMATERIAL DER ARCHÄOLOGISCHEN AUSGRABUNGEN 1996 BIS 1999 IN DER KARTAUSE MAUERBACH661
Alfred Galik, Günther Karl KunstTIERRESTE AUS DER KARTAUSE MAUERBACH ALS ZEUGNISSE EINSTIGER ERNÄHRUNGSGEWOHNHEITEN671
 


DIE RESTAURIERUNG DER KARTAUSE - MATERIALIEN

 
Johannes GötzenauerAUFLISTUNG DHR MASSNAHMEN SEIT 1960683
Hannes WeissenbachINTERVENTIONEN AN PUTZFASSADEN IN DER KARTAUSE MAUERBACH. KIRCHE - KAPITELSAAL - UHRTURM - BIBLIOTHEK685
Manfred Koller, Hans Nimmrichter,Hubert PaschingerDIE FASSADE DER KARTÄUSERKIRCHE - UNTERSUCHUNG UND RESTAURIERUNG691
Christa Linsinger, Hannes HoffmannRESTAURIERUNG DER FASSADEN DES PRÄLATEN- UND KAISERBAUES696
Thomas BaumgartnerZUR REKONSTRUKTION DES KAISERGARTENS701
Astrid M. HuberDIE STUCKRESTAURIERUNGEN IN DER KARTAUSE MAUERBACH705
Franz Höring, Manfred Kolle
DER HOCHALTAR IN DER KARTÄUSERKIRCHE710
Johannes WeberNATURWISSENSCHAFTLICHE UNTERSUCHUNGEN AN FASSADEN UND MAUERWERK DER KARTAUSE
713
Karl NeubarthBAUMATERIALIEN: DACH- UND MAUERZIEGEL, FUSSBODENPLATTEN722
Andreas RohatschDIE BAU- UND DEKORGESTEINE DER KARTAUSE MAUERBACH727


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Derzeit hochgeladene Webseiten

Übertragung der Webseiten

Test: Ich versuche es nochmals