Ergebnisse der Bauuntersuchungen an der Westfassade von St. Stephan 1992/93
Ergebnisse der Bauuntersuchungen an der Westfassade von St. Stephan 1992/93
Rudolf Koch, Wien
Aus: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege XLVII, Heft 3/4, 1993, S. 116 - 129. [Gesamtindex]
Zum Stand der Bauforschung an St. Stephan.
Die Geschichte der Bauforschung an St. Stephan in Wien beginnt um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Eduard Melly [1] beschrieb erstmals eingehend die Bauplastik des Riesentores und die 1846 noch erkennbaren Fassungsreste. Im Jahre 1852 setzt mit der Renovierung der Liechtensteinkapelle die kontinuierliche Restaurierung des Baubestandes ein, der 1858 die zunächst auf die Feststellung von Bauschäden beschränkte Untersuchung der gesamten Kirche durch Leopold Ernst (Dombaumeister 1858 - 1862) folgte [2].
Erst Friedrich von Schmidt (Dombaumeister 1863 - 1891) setzte gezielt Methoden der Bauforschung für die Klärung der Baugeschichte ein [3].Aufgrund dieser Baubeobachtungen plante Schmidt die "Reromanisierung" des Riesentores und die Beseitigung der spitzbogig geschlossenen Vorhallenwand [4]. An dieser vom Historismus geprägten "stilgerechten Zurückführung des Domportales" entzündete sich 1882 die sogenannte "Riesentorfrage" [5], welche eingehende Untersuchungen des Riesentorkomplexes durch Paul Müller [6], Heinrich Swoboda [7] und Joseph Mantuani [8] bewirkte. Nach Schmidts Rekonstruktion öffnete sich die Vorhalle in einem Rundbogen in Breite der Vorhalle und wurde erst später durch Zungenmauern und den Spitzbogen geschlossen. Müller hingegen unterschied drei Bauphasen: Den Kernbau des Portaltrichters mit den am Vorbau freistehenden Skulpturen vom 1147 geweihten Erstbau, die Portalvorhalle und die ornamentalen Bauglieder aus der Zeit nach dem Brand von 1258 und schließlich die Vorhallenwand mit dem Spitzbogen und den Figurennischen, die unter Wiederverwendung älterer Plastiken in den letzten Jahren des 14. Jhs. entstanden sein soll [9]. Swoboda beruft sich auf Baubeobachtungen Julius Hermanns (Dombaumeister 1891 - 1908) und datiert Portal und Vorbau einschließlich des Spitzbogens zeitgleich mit der Fassadenwand in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts, wobei er stilistische Unterschiede zwischen Portal und Vorbau mit einem Plan- bzw. Meisterwechsel erklärt. Mantuani richtet seine Kritik vor allem gegen Swoboda und verteidigt das Projekt Schmidts, das er mit ästhetischen Argumenten und einer Analyse der Brandspuren untermauert [10]. Die Untersuchungen zur "Riesentorfrage" führten letztlich zu kontroversiellen Lösungen; das Problem der Reromanisierung wurde aufgrund einer geänderten Auffassung des Denkmalbegriffes 1903 als erledigt betrachtet [11].
Für den Bauvorgang beim Abbruch der spätromanischen Kirche und den gotischen Neubau ab 1403 sind die Beobachtungen Julius Hermanns von Bedeutung. Die inneren Sockel der Langhauswände waren in einem hohen Grade verwittert, was seiner Einsicht nach nur daraus zu erklären war, daß die Langhauswände bis in das 15. Jh. freistanden und erst nach dem Abbruch der bis dahin noch bestehenden romanischen Seitenschiffwände unter Dach kamen [12]. Diese Eigenheit im Baufortschritt nahm Hermann auch für den Albertinischen Chor in Anspruch und untermauert seine Hypothese mit stilistischen Abweichungen zwischen den Wand- und den Freipfeilern des Chores [13]. Nach W. A. Neumann wurde das Abbruchmaterial des romanischen Chores teilweise beim Bau der Westkapellen wiederverwendet [14].
Durch Grabungen nach dem Dombrand von 1945 konnte Karl Oettinger im Bereich der Querhausvierung und im nördlichen Seitenschiff die Grundrißgestalt des Erstbaus von 1137/47 und des spätromanischen Nachfolgebaus aus der Zeit um 1230/40 erschließen [15]. Gleichzeitig durchgeführte Untersuchungen von Alois Kieslinger in den Erdgeschossen der Heidentürme ergaben, daß zumindest das Kernmauerwerk dieser Teile noch aus dem 12. Jh. stammt [16]. Die dort entdeckten Eckkonsolen wurden von Franz Kieslinger als stilverwandt mit Würfelkapitellen in der Krypta von Gurk (Weihe 1174) erkannt [17]. Da an der romanische Westfassade ausschließlich Formen ab dem zweiten Viertel des 13. Jhs. erhalten sind, nahm Joseph Zykan eine vollständige Verkleidung der älteren Heidentürme im 13. Jahrhundert an, wobei er jedoch nicht ausschloß, daß die abrupt endigenden Lisenen an den Heidentürmen noch Relikte älterer Bauglieder sein könnten [18].
Eine völlig neue Beurteilung der zeitlichen Stellung des Riesentores ergab sich aus den Bauuntersuchungen von Erika Doberer [19]. Aufgrund von stilistischen Unterschieden innerhalb der Portalplastik und strukturellen Merkmalen in der prinzipiellen Art der Anbringung der Figurennischen am Außenbau kam Doberer zu dem Schluß, daß der Vorbau einschließlich des Spitzbogens und Teilen der dort aufgestellten Plastiken das Ergebnis einer historisierenden Umgestaltungsphase um 1500 sei. Gestützt wird diese Annahme durch die Figur des hl. Stephanus (bezeichnet 1500), die spätgotischen Stabwerkskapitelle am Portalbogen und die Darstellung des Riesentores auf dem Holzschnitt des Heilthumbuches von 1502, wo ihrer Ansicht nach der Vorbau als neuer Bauteil gekennzeichnet wird. Entgegen bisheriger Anschauung wurde der Vorbau daher nicht beim Bau des großen gotischen Westfensters (um 1422) teilweise abgetragen, sondern erst bei Errichtung des Rokoko-Gitters um die Mitte des 18. Jahrhunderts [20].
Fundamentuntersuchungen an der Westseite von St. Stephan im Jahre 1970 ergaben unerwartete Einblicke in baugeschichtliche Fakten: Die Fundamente, auf denen der Vorbau des Riesentores aufruht, binden in jene der Heidentürme fugenlos ein. Nach Josef Zykan kann dies nur bedeuten, daß schon der Erstbau von St. Stephan aus dem 12. Jahrhundert eine Vorhalle in Art eines geschlossenen "Paradieses", jedoch ohne Empore besessen hatte [21]. Der Riesentor-Vorbau, der demnach nicht als ein jüngeres Element (mit Veränderungen der äußeren Erscheinung im 13. und 19. Jahrhundert) aufzufassen sei, sondern "logisch und in der Planung auch chronologisch älter ist als das Riesentor" [22], hätte nach Zykan sein Vorbild in dem durch einen Stich von Philipp Sadeler (1633) überlieferten Bauzustand der romanischen Westanlage des Passauer Domes [23].
Die Auswertung der Grabungen von 1970 mit den daraus erwachsenden Konsequenzen für die Baugeschichte der Westfassade aus archäologischer Sicht erfolgte erst 1990 durch Ortolf Harl [24]. Gestützt auf die Beobachtung, daß die Baufluchten der Heidentürme vom Erdgeschoß bis in die oktogonalen Turmaufsätze durchlaufen, einer Analyse der Giebelformen und einer eigenständigen Ausweitung der von E. Doberer zunächst nur für den Riesentorvorbau in Anspruch genommenen Hypothese eines historisierenden Umbaus um 1500 kommt Harl zu dem Schluß, daß "das Westwerk von St. Stephan in nachromanischer Zeit romanisiert wurde, um ein bewußt altertümliches Aussehen zu erhalten" [25]. Diese Hypothese wurde noch in der gleichen Zeitschrift von Marlene Zykan [26] aus kunsthistorischer Sicht in überzeugender Weise widerlegt.
Durch das Zusammenwirken mehrerer Institutionen [27] wurde die Möglichkeit geschaffen, 1991 am Albertinischen Chor und 1992/93 an der Westfassade von St. Stephan erneut systematische Forschungen an der Bausubstanz durchzuführen, mit dem Ziel, offene und unzureichend geklärte Fragen der Baugeschichte mit modernen Methoden der Bauforschung, der Kunstgeschichte und der Petrographie zu untersuchen [28]. Bezüglich der Untersuchungen am Albertinischen Chor wurden bereits erste Ergebnisse der petrographischen Aufnahme publiziert [29]. Sie lassen aus gesteinskundlicher Sicht eine Mehrphasigkeit im Baufortschritt des bisher von der kunstgeschichtlichen Forschung als einheitlich zwischen 1304 und 1345 errichteten Chores erkennen, wobei diese Beobachtungen mit den Erkenntnissen aus den gleichzeitig durchgeführten Analysen der Baustrukturen und der Plastiken am Außenbau zur Deckung gebracht werden können [30]. Die seit 1992 laufenden Arbeitsetappen an der Westfassade haben die Zielsetzung, die Überlagerungen des Baugeschehens vom 12. bis zum 16. Jahrhundert festzustellen und von den seit dem 19. Jahrhundert stattgefundenen ergänzenden Restaurierungen zu differenzieren [31].
Die Befunde der Bauuntersuchungen von 1992/93
(Abb.: Petrographische Aufnahme der Westfassade [H. W. Müller et. al.])
Die Befundung beschränkte sich auf die Autopsie der Westfassade von einem fahrbaren Gerüst aus bis in eine Höhe von ca. 10 m bzw. von einer Hebebühne aus bis in Höhe von 33 m, das entspricht der Höhe der gotischen Abschlußgalerie. Zur Differenzierung der seit Mitte des 19. Jahrhunderts restaurierten Teile vom mittelalterlichen Altbestand wurden die Bearbeitungsspuren, der Stich von Carl Schütz (Abb. 1) aus dem Jahre 1792 und Photographien ab 1866 herangezogen. Genauere Angaben einzelner Restaurierungsphasen konnten den Mitteilungen der Dombaumeister im Wiener Dombauvereinsblatt entnommen werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Befunde der Fassadenwand von jenen des Riesentorvorbaus getrennt behandelt.
Die Befunde der Sockelzone bis in Höhe des ornamentalen Friesbandes am Riesentorvorbau
Die gesamte Sockelzone einschließlich der Sockel- und Basenprofile mit ihrer Eckzier erweisen sich aufgrund des sorgfältigen Fugenschnitts und der glatten, nahezu geschliffen wirkenden Oberflächengestaltung als Auswechslungen des 19. Jahrhunderts. Wie aus dem topographisch verläßlichen Stich von Carl Schütz (1792) [32] zu ersehen ist, waren die heute senkrecht vorspringenden Sockel der Wandgliederung mit schrägen Platten verkleidet. Diese Sockelgestaltung ist zweifellos nicht mittelalterlich sondern barock, wie auch die an den geböschten Flächen sichtbaren Kreuze im Bereich des romanischen Fassadenteils nahelegen.
Abweichend von der Ausführung der heutigen Sockel und Basen fehlen am romanischen Fassadenteil die fallend profilierten Ecksporne und am Wandfeld zwischen der nördlichen Doppelvorlage und der Wandvorlage beim Riesentorvorbau das Sockelband. Diese Vorlage wird bis in Höhe knapp unter den Ornamentfries der Vorhalle durch das Grabdenkmal des Sewastian Khobler von St. Gallen (gest. 1566) verdeckt (Abb. 2). Das Pendant der Vorlage an der Südflanke der Vorhalle trägt an dieser Stelle ebenfalls ein Grabdenkmal, das mit der zu diesem Zeitpunkt mit einer barocken Rahmung versehenen Platte des Simon Rückhenpaum (gest. 1643) zu identifizieren ist (Abb. 3).
Die barocke Sockelverkleidung scheint noch auf einer Photographie von A. Groll (Abb. 4) aus dem Jahre 1866 erkennbar zu sein. Auf einer vor 1880 angefertigten Detailaufnahme der Riesentorvorhalle (Abb. 5) fehlt sie bereits [33]. Eine weitere Photographie, die um 1894 entstand [34], läßt erkennen, daß die nördliche romanische Doppelvorlage (Abb. 6) als Sockel nur eine einfache Schräge besitzt und daß das heute gegen die Vorhalle anschließende Wulstprofil, das bei Schütz noch fehlt, ebenfalls lediglich als einfache Schräge ergänzt wurde. Das gegengleiche Sockelband der südlichen Fassadenhälfte (Abb. 7) und die dort anschließende Basis der Doppelvorlage sind eindeutig als schlichtes Wulstprofil ausgebildet. Bedeutsamer ist, daß die Basis dieser Doppelvorlage keine Eckzier besitzt und im Profil nicht - wie heute - asymmetrisch abfallend geformt erscheint, sondern eindeutig halbrund-wulstförmig [35]. Dieses symmetrisch aufgebaute Profil hat die gleichen formalen und stilistischen Eigenschaften wie jenes, das Friedrich v. Schmidt als bleibenden Befund an der Ostwand der Herzogenkapelle und somit an der ehemaligen Südseite der spätromanischen Außenmauer freilegte. Während das heutige Profil durch die fallende Form der Eckzier und den abfließenden Wulstquerschnitt Merkmale aufweist, die erst im 13. Jahrhundert auftreten, zeigt das ursprüngliche Profil die strengen Formen des 12. Jahrhunderts. Das heutige Sockelprofil ist eine "romanisierende" Neuschöpfung der Restaurierung von 1898 durch Dombaumeister Julius Hermann! [36] Daraus folgt zunächst, daß die ursprüngliche Sockelgestaltung der romanischen Westfassade und damit auch zumindest die unteren Partien der Wandgliederungen stilistisch altertümlicher sind als die eindeutig dem 13. Jahrhundert zuzuordnenden Dreipaßfriese und die spätromanischen Teile des Riesentores. Es müßte daher zwischen den unteren Teilen des Vorbaus und den flankierenden Wandvorlagen an den Heidentürmen eine Baufuge nachzuweisen sein.
Durch die beiden seit der Barockzeit an den das Riesentor flankierenden Wandvorlagen angebrachten Epitaphien des Sewastian Khobler (links) und Simon Rückhenpaum wurden die Wandvorlagen bis eine Quaderlage unter den äußeren Portalfries bzw. bis in Höhe der dort befindlichen Fensteröffnungen der Wendeltreppen auf die Empore beschädigt. Die Quader dieser Zone mußten daher bei der Restaurierung von 1898 erneuert werden [37], sodaß die entsprechenden Baufugen heute unmittelbar im Zwickel zwischen Vorhalle und Fassadenwand liegen. Allerdings ist auf der Photographie (Abb. 7) von 1894 an der Fehlstelle, die nach Abtragung des Epitaphs für Simon Rückhenpaum sichtbar wurde, zu erkennen, daß eine Baufuge unmittelbar zwischen der linken Kante der rechten Vorlage und dem Vorbau besteht [38]. Daraus ist abzuleiten, daß die flankierenden Wandvorlagen bis in diese Höhe - wie schon bereits für die ursprüngliche Sockelzone erschlossen wurde - älter sind als der Portalvorbau.
Ab den beiden unteren Fensteröffnungen der Portaltreppen und über dem ornamentalen äußeren Vorhallenfries ist diese Baufuge zwischen Wandvorlage und Vorhalle nicht mehr nachzuweisen. Hier stehen die Quader des Vorbaus und der Wandvorlagen, die aufgrund des petrographischen Befundes und des Erhaltungszustandes nicht zu den Restaurierungen des 19. Jahrhunderts gehören, sondern eindeutig zum Altbestand, fugenlos im Verband (Abb. 8). Die Wandvorlagen und der Vorbau müssen daher ab diesem Bereich zeitgleich sein. Im Zusammenhang mit den zugehörigen Dreipaßfriesen der oberen Wandgliederungen sind sie der Instrumentierung des zweiten Viertels des 13. Jahrhunderts zuzuordnen.
Aufgrund dieser Befunde stammen der Sockel und die Anlage der unteren Teile der flankierenden Wandvorlagen, die bis 1897 erhalten waren, noch aus dem 12. Jahrhundert, die Vorhalle und die oberen Teile der Wandvorlagen über dem Portalfries aus dem 13. Jahrhundert. Die hier zu erwartende horizontale Bauzäsur drückt sich auch im Aufbau der Fassadenwand aus. Die Fassadenwand im Bereich der Heidentürme läuft bis in die oktogonalen Heidenturmaufsätze in einer Ebene durch [39]. Die zweite Ebene wird durch die Dreipaßfriese gebildet, die vorderste durch die Stirnflächen der Wandvorlagen. Die schmale Wandfläche zwischen den inneren Lisenen der Heidentürme und der Vorhalle müßte daher wieder um 40 cm auf die Tiefe der Wandebene zurückspringen. Tatsächlich liegt sie aber unterhalb der Oberkante des Portalfrieses rund 25 cm vor der allgemeinen Wandebene. Über dem Portalfries tritt sie noch weiter vor und bildet mit der Stirnfläche der Wandvorlagen eine Ebene. Dadurch wird der Mittelteil der Fassade über dem Vorhallenfries zu einer Art flachen Risalit und die Lisenen degenerieren zu bloßen Kantenprofilierungen.
Man scheint die unteren Teile der Vorhalle zunächst nur mäßig vorspringend bis in Höhe des Portalfrieses aufgemauert zu haben, denn der Portalfries läuft an das schmale Wandstück zwischen Vorhalle und Lisenen an (Abb. 8). Dann erfolgte ein Planwechsel, bei dem die Mittelfassade vorgezogen wurde. Dieses risalitartige Vorziehen der oberen Fassadenwand hängt ursächlich mit der nischenartigen Gestaltung der inneren Westwand der Empore zusammen. F. v. Schmidt konnte hier unter dem gotischen Emporenboden zwei spätromanische Basenprofile nachweisen, deren zugehörige Wandvorlagen die Westnische rahmten. Der Mittelteil wird damit sowohl im Inneren der Empore als auch am Außenbau architektonisch hervorgehoben. Im Bereich des Portalinneren fällt die kritische Zone des Planwechsels bezeichnenderweise mit der Höhe des skulpierten Kämpfergesimses zusammen, das mehrfach im Fugenschnitt nicht zusammengehörige oder unvermittelt abbrechende Friesstücke zeigt [40].
Daß auch die abrupt unter den spätromanischen Rundfenstern endenden Doppelvorlagen in ihrer Anlage dem Bau des 12. Jahrhunderts angehören, ergibt sich aus der Lage der kleinen Fensteröffnungen im Erdgeschoß der Heidentürme. Die im Inneren relativ breiten Fensterlaibungen sind seitlich so verschoben, daß sie in ihrem Verlauf bereits die Doppellisenen berücksichtigen. Da keine Hinweise auf eine spätere Veränderung der Fensterlaibungen zu erkennen sind, gehören sie und damit die Doppellisenen zur gleichen Bauphase des 12. Jahrhunderts wie die Würfelkonsolen in den Untergeschossen der Heidentürme.
Im unteren Fassadenbereich der Westkapellen des 14. Jahrhunderts konnte, neben der bereits erwähnten vollständigen Auswechslung der Sockelzone um 1898 durch Dombaumeister Julius Hermann, die seit langem bekannte Baufuge zwischen den romanischen äußeren Wandvorlagen und der Kapellenwand beobachtet werden. Die Kapellenwände setzen im unteren Bereich direkt an die leicht abgeschrägten Kanten der rechteckigen Mittellisene an. Im Obergeschoß tritt sogar ein Teil der Mittellisene bis zu 5 cm hervor, ohne daß festgestellt werden konnte, ob die romanische Westwand leicht überhängt, oder die Kapellenobergeschosse sich nach innen neigen. Durch diesen Befund ist gesichert, daß die verbauten romanischen Eckvorlagen im Norden und Süden den gleichen Pfeilerquerschnitt haben wie an der Westseite.
Die oft massiven Auswechslungen des 19. Jahrhunderts konnten dort, wo die glatten Oberflächen bereits stärker verwittert sind, über den petrographischen Befund erschlossen werden. Bemerkenswert ist der Oberflächenbefund beim Epitaph für Georg, Barbara und Walpurga Prügl (Abb. 9). Dieses war zur Zeit der Befundung abgenommen und in Restaurierung. Die neben dem Epitaph befindlichen Wandpartien zeigten Spuren des Stockhammers. Unmittelbar an der Kante zum Epitaph wurden die für den Stockhammer unzugänglichen Stellen mit dem Zahneisen bearbeitet. Diese differenzierte Überarbeitung der mittelalterlichen Quaderflächen ließ sich auch an anderen Stellen nachweisen. Da das Epitaph beim Abstocken der Fassadenwand im 19. Jahrhundert nicht abgenommen wurde, blieb unter diesem "als Schatten" ein 3 - 5 mm hoher Materialsteg übrig. Daraus kann geschlossen werden, daß mit Ausnahme des Riesentorvorbaus und der plastischen Zierteile an Gesimsen bzw. Fenstern die gesamte Fassadenoberfläche seit dem 19. Jahrhundert um diesen Betrag dezimiert wurde. Dies ist auch der Grund, wieso an der Fassadenwand fast keine mittelalterlichen Werkzeugspuren und originale Steinmetzzeichen erhalten blieben.
Die Befunde der oberen Fassadenteile
(Abb.: Petrographische Aufnahme der Westfassade [H. W. Müller et. al.])
Eine erste Restaurierung dieser Teile der Westfassade erfolgte schon 1858 unter Dombaumeister Leopold Ernst [41], wobei sich jedoch die reichliche Anwendung von Portlandzement derartig nachteilig auswirkte, daß bereits sein Nachfolger, Dombaumeister Friedrich von Schmidt, ab 1876 erneut umfangreiche Restaurierungen vornehmen mußte. Der Umfang der Restaurierungen Ernsts kann daher heute am Bau nicht mehr festgestellt werden.
Zwischen 1876 und 1879 trug Friedrich von Schmidt die gesamte, aus der Zeit um 1450 stammende, gotische Steinverkleidung am Helm des südlichen Heidenturmes ab; die Helmgalerie und die darüberliegende Turmspitze wurden neu aufgebaut. Am Turmhelm des nördlichen Heidenturmes beschränkten sich die Arbeiten auf die Ergänzung der Helmkrabben, der Giebelschenkelblumen und der Kreuzrosen sowie die Wiederherstellung der Fialen über der Maßwerkbrüstung der Helmgalerie. Die offensichtlich stark beschädigten Fenstersäulchen der Turmaufsätze wurden von Schmidt nach dem Vorbild eines gegen den Dachraum vollständig erhaltenen Säulchens angefertigt [42].
1881 erfolgte die Auswechslung des gotischen Maßwerks und der Seitenpfosten an dem um 1420/30 errichteten großen Westfenster [43]. Die gotischen Quaderlagen, welche beim Ausbrechen dieses Fensters im romanischen Teil der Fassadenwand versetzt wurden, blieben von diesen Maßnahmen unberührt, sodaß die dabei entstandene Baufuge erhalten blieb und optisch an den gegenüber dem romanischen Mauerwerk versetzten Lagerfugen zu erkennen ist. Sie verläuft nicht streng lotrecht, sondern erweitert sich nach oben um bis zu zwei Quaderlängen. Die linke gotische Baufuge beginnt unmittelbar über der Verdachung des Riesentorvorbaus und steht im Verband mit der Sohlbank. Das gotische Fenster wurde daher in seiner heutigen Dimensionierung geplant und auch ausgeführt. Aus diesem Baubefund ergibt sich eindeutig, daß der Vorbau des Riesentores bereits mit dem Einbau des gotischen Fensters um 1420/30 abgesenkt wurde und nicht - wie E. Doberer vorschlug - erst im 18. Jahrhundert [44].
Hinweise auf Größe, Lage und Form des vermuteten romanischen Westfensters können aus dem Baubefund nur bedingt abgeleitet werden. In den erhaltenen Teilen der romanischen Westwand sind keine Störungen festzustellen, die den Schluß auf ein Rundfenster, das größer als der gotische Fensterausriß wäre, rechtfertigen. Die entsprechenden Rekonstruktionsvorschläge des 19. Jahrhunderts sind daher nicht haltbar. Die mögliche Dimensionierung des Westfensters ergibt sich aus dem Versatz der Lagerfugen. In geschlossenen Wandteilen unter und über den Fensteröffnungen der gesamten Fassade werden stets durchgehende Lagerfugen angestrebt. Zu Seiten der Öffnungen jedoch haben die Quader meist unterschiedliche Höhen, so auch am Mittelteil. Hier endet der Fugenversatz mit geringen Ausnahmen im wesentlichen in Höhe der Lisenenkapitelle bzw. der oberen Dreipaßfriese. Daraus ergäbe sich eine durchschnittliche Fenstergröße, die jener der spätromanischen Fenster in den Heidentürmen entspräche. Ob dieses Fenster als Rundfenster gestaltet war, wie es uns in restaurierter Form am Dom von Wiener Neustadt überliefert ist, oder als Biforenfenster, vielleicht ähnlich jenen in den Emporengeschossen wie es in Jak zur Ausführung gelangte, kann letztlich aus Befunden nicht mehr abgeleitet werden. Gerade das Beispiel von Jak zeigt, daß im Prinzip trotz des Rundfensters im Turmbereich als Mittelfenster eine Bifore kleineren Zuschnitts denkbar wäre.
Das Biforenfenster an der Fassade im nördlichen Heidenturm erweist sich in jetziger Form als zweifelhaft. Auf dem Stich von Carl Schütz (Abb. 1) wird es mit gotischem Maßwerk und einer tief abgeschrägten Sohlbank wiedergegeben. Zumindest die Form dieser Sohlbank läßt sich noch auf der Photographie (Abb. 4) von A. Groll (1866) nachweisen. Friedrich v. Schmidt erneuerte dieses Fenster 1881 "nach dem Vorbild" jener Biforenfenster, die er im gleichen Jahr auf der Nord- und Südwand unter einer "völlig nutzlosen Vermauerung" freigelegt hatte [45]. Es besteht daher Grund zur Annahme, daß Schmidt nicht nur die Form der Sohlbank korrigierte, sondern den gesamten Binnenaufbau aufgrund der neu entdeckten Emporenfenster "reromanisierte". Substanziell stammt dieses Fenster jedenfalls zur Gänze aus dem 19. Jahrhundert.
In die Jahre 1889 bis 1891 fällt als eine der letzten Arbeiten Friedrich von Schmidts am Dom die Restaurierung der Rundfenster, insbesondere des gotischen an der Herzogenkapelle aus dem 14. Jahrhundert. Dieses Fenster wurde mit seinem Ornamentrahmen nahezu vollständig erneuert. Die heute dort "räthselhaften [Steinmetz-]Zeichen" wurden dabei übernommen, sodaß formal die Ergänzungen als getreue Kopie angesehen werden können. 1880 erfolgte außerdem am Riesentorvorbau anläßlich der Anbringung des vom Hofschlosser Anton Biro gestifteten neogotischen Abschlußgitters eine Restaurierung im Bereich des Spitzbogens und der Vorhallenwand.
Eine neuerliche Restaurierung der Westfassade, die im wesentlichen das heutige Erscheinungsbild der Fassade bestimmt, erfolgte unter Dombaumeister Julius Hermann in den Jahren 1897 bis 1903 [46]. Im Gegensatz zur Schmidt'schen Restaurierung ist sie durch großflächige Auswechslungen und vor allem - wie schon beim Fassadensockel aufgezeigt wurde - durch "stilkorrigierende Neuschöpfungen" gekennzeichnet. Nahezu die gesamte Fassadenoberfläche mußte steinmetzmäßig überarbeitet werden, da insbesondere im oberen Bereich die Quader mit einer Mörtelschichte überzogen und stark abgewittert waren [47].
1897 wurde mit der nördlichen Fassadenhälfte begonnen und wegen herabfallender Steinteile zunächst der südliche und anschließend der nördliche Heidenturm eingerüstet. Bis 1898 wurden am linken Fassadenteil der nordwestliche Eckpfeiler, die romanische Ecklisene mit dem über der Tirnakapelle liegenden Strebepfeiler und die Dachgalerie der Bartholomäuskapelle einschließlich des Ornamentfrieses erneuert; ebenso der Überleitungsgiebel mit dem Wandzwickel am nördlichen Heidenturmaufsatz und die Pfeilerbekrönungen an den romanischen Ecklisenen. Die oft bis zum Formverlust abgewitterten Dreipaßfriese und Konsolen wurden großteils kopiert. Wo noch genügend erhaltenswerte Altsubstanz vorhanden war, wie bei einigen Konsolen, wurde nur eine Hälfte ergänzt und dem Bestand angepaßt. Nicht rekonstruierbare Formteile, wie die Endigungen an den Dreipaßfriesen, beließ Hermann in der stereometrischen Grundform.
Die südliche Fassadenhälfte wurde 1898 bis 1901 im gleichen Umfang restauriert [48]. Bei diesen Arbeiten mußten die Fenstermaßwerke und Ornamente der romanischen Rundfenster neuerlich steinmetzmäßig übergangen werden.
Die Restaurierung der Mittelfassade erfolgte 1901 bis 1903. Dabei wurden Teile der Sohlbank des gotischen Westfensters, die Verdachungen am Rücksprung zwischen der romanischen zur gotischen Westwand und die gesamte Westwand in Höhe der drei Figurenbaldachine bis einschließlich der Maßwerkgalerie erneuert. Bei der gleichzeitigen Restaurierung der Heidentürme wurden die bereits von Schmidt hergestellte Steinverkleidungen des südlichen Turmhelms abermals abgetragen und auch der nördliche Turmhelm zur Gänze erneuert. Substanziell sind, von den Auswechslungen um 1960 abgesehen, die Turmhelme als eine Kopie Hermanns zu betrachten.
In der Zone der Überleitungsgiebel blieb es unter Julius Hermann nicht beim reproduzierenden Auswechseln von Quadern, wie ein Vergleich mit älteren Abbildungen belegt. Schon bei Carl Schütz (Abb. 1) ist zu erkennen, daß nur der nördliche Giebel eine Giebelzier trägt. Der südliche Überleitungsgiebel schloß mit einer glatten Spitze. Den gleichen Befund zeigen die Überleitungsgiebel an der Ostseite über den Seitenschiffen [49]. Außerdem schlossen vor der Restaurierung durch Hermann sowohl an der Westfassade als auch an der Ostseite der Heidentürme nicht alle Kantenlisenen der oktogonalen Aufsätze unmittelbar an die Überleitungsgiebel an, sondern endeten darüber in einem konsolartigen Auslauf.
Wie schon Marlene Zykan beobachtet und ausführlich beschrieben hat, sind diese Giebelschrägen am Übergang vom quadratischen zum oktogonalen Teil der Türme vorgeblendet und sitzen nicht im ursprünglichen Steinverband. Die Vorlagen, welche die Giebel stützen, sind im Fugenverband mit dem Mittelteil der Fassade, nicht aber mit den Heidentürmen, wobei eine "logische Verbindung" der Giebel zu den abgetreppten Pfeilern der oberen Geschoße der Westkapellen besteht [50]. Durch die petrographische Untersuchung und den Arbeitsbericht Hermanns wird jedoch deutlich, daß die hier befindlichen Baufugen und der Steinverband für eine Beurteilung der Bauabfolge nicht unmittelbar herangezogen werden können. Sie dokumentieren zunächst lediglich jene Bauzäsuren, welche durch die vollständige Auswechslung der Giebel und der anschließenden Wandteile unter Hermann entstanden sind. Das getreu kopierte Profil der Giebel mit einfacher Schräge, Platte und Hohlkehle entstammt zweifellos nicht dem spätromanischen Formenvorrat. Gleiches gilt für die bereits beschriebene kompositorische Verbindung zu den Pfeileraufsätzen der Westkapellen. Da die Giebel auch auf den Ostseiten ausgeführt wurden, muß dieser Teil freigestanden sein. Die gotischen Giebel können daher nur im 14. Jahrhundert in die spätromanische Architektur eingesetzt worden sein, denn um 1450 war dieser Bereich bereits überdacht.
In welchem zeitlichen Verhältnis steht nun die vor der Restaurierung durch Hermann noch vorhandene "konsolartige Abkragung" der Ecklisenen an den oktogonalen Teilen der Heidentürme? Als Lösung eines spätromanischen Planungskonzeptes wäre sie wahrscheinlich unitär. Da die spätromanischen Ecklisenen nicht überall konsequent gleich enden, läßt dies darauf schließen, daß sie erst durch das Herausnehmen einzelner Quader beim Einbau der gotischen Überleitungsgiebel im unteren Bereich beschädigt und im Anschluß daran nicht mehr zur vollen Form ergänzt wurden.
Die Befunde an der Vorhalle des Riesentores
Die älteste, für die Bauforschung verwertbare Darstellung des Riesentorvorbaus ist uns in der Nordwestansicht im Heilthumbuch von 1502 überliefert (Abb. 10). Sie zeigt den Vorbau mit dem umlaufenden Sockel und dem äußeren Friesband; darüber liegen, summarisch angedeutet, zwei hochrechteckige Nischen und knapp unter dem Dachgesimse fünf weitere Nischen. Daß mit letzteren tatsächlich die Nischen und nicht die Konsolen gemeint sind, geht aus einem Vergleich der wesentlich kleiner wiedergegebenen Konsolen der Dreipaßfriese an den Heidentürmen hervor. Der gesamte Vorbau hebt sich durch das Fehlen einer Schraffur weiß von der sonst dunkel schraffierten Fassadenfläche ab. Erika Doberer hat diese Differenzierung in der Signatur der Fassadendarstellung als Hinweis auf einen "neuen, eben erst vollendeten Bau" aus der Zeit um 1500 interpretiert [51]. Allerdings tragen auch die Vorderflächen der sicher aus dem 13. Jahrhundert stammenden Dreipaß- und Rundbogenfriese und die Überleitungsgiebel aus dem 14. Jahrhundert keine Schraffur, sodaß die Schraffuren der Fassade nicht als Signaturen des Erhaltungszustandes aufgefaßt werden können, sondern als Kunstgriff des Holzschneiders. Er hebt so nahezu alle vortretenden Teile von der dunklen Fassadefläche ab. Der Holzschnitt von 1502 belegt somit erneut, daß der Riesentorvorbau schon um 1420/30 im Zusammenhang mit der Errichtung des gotischen Westfensters rudimentiert wurde und daher seine Errichtung in eine Zeit fällt, die vor den von Erika Doberer festgestellten romanisierenden Eingriffen um 1500 liegt.
Über den Zustand des Riesentorvorbaus vor 1880 gibt die bereits erwähnte Detailaufnahme (Abb. 5) mit dem Rokokogitter Auskunft. Die Sockelzone mit den oben einfach abgeschrägten Profilen endet - wie heute - vor der Portalöffnung. Stilistisch und petrographisch gehört sie nicht zum Altbestand des 13. Jahrhunderts und stammt wahrscheinlich aus der Barockzeit. Da das Rokokogitter an der Frontseite angeschlagen war und sich, abweichend vom jetzigen Gitter, nach außen öffnen ließ, mußte dieser Sockel im Bereich der Portalöffnung ausgespart werden. Zur Konstruktion des Rokokogitters gehörten weiters zwei Befestigungshäken an den Ecken des Vorbaus. Die Reste der eisernen Befestigungsösen stecken noch heute im Quaderwerk, desgleichen haben sich die Kratzspuren der Haken erhalten. An der linken Seite wurden diese Kratzspuren durch eine Mörtelschicht teilweise verdeckt; der sogenannte "Brotlaib" über den eisernen Maßstäben ist somit kein "Normmaß", sondern eine Ausflickung der Restaurierung von 1880.
Die rechte Ecke des Vorbaus ist nischenartig abgefast. Bei Carl Schütz wird hier eine kleine, leere Figurennische angegeben. Die jetzige Abfasung dürfte von Leopold Ernst stammen, der 1863 die "Pfeiler der Vorhalle" restaurierte [52]. In Höhe der ursprünglichen Nische befindet sich heute ein Quader, der grob mit dem Zahneisen zugerichtet wurde.
Der Birnstab des Spitzbogens weist starke Beschädigungen auf. Bemerkenswert ist, daß im linken unteren Drittel des Birnstabes auf der Photographie (Abb. 5) eine Reihe von regelmäßigen Bohrungen zu erkennen ist, deren Zweck nicht geklärt werden konnte [53].
Bei der Restaurierung durch Friedrich v. Schmidt (1880) [54] wurden die Quader der linken Torwange weitgehend erneuert, bei der rechten behielt man den Orthostaten, welcher die Scharnieren des Rokokogitters trug, bei. Vom Spitzbogen wechselte man nur die Steine des Birnstabes aus; das übrige Profil mit der tief unterschnittenen Kehle gehört dem Altbestand an. Bei der Errichtung des jetzigen Steindaches wurde das Kranzgesimse fast zur Gänze erneuert. Ein erhaltenes Profil weist Stilmerkmale der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf.
Die petrographische Untersuchung am Vorhallenbau ergab, daß lediglich die Figur des hl. Stephan, die Stabwerkskapitelle und die Basen, die Altteile des Kranzgesimses sowie ein Werkstück im linken Portalfries materialmäßig der Reromanisierung um 1500 zuzuschreiben sind. Die übrigen Plastiken und die Quader der Nischen, soweit sie nicht im 19. Jahrhundert erneuert wurden, gehören dem spätromanischen Bestand an. Bezüglich der Werkzeugspuren deckt sich dieses Ergebnis mit dem petrographischen Befund. Sämtliche Innenflächen der Nischen weisen kreuzförmig geführte Hieblagen der Steinhacke ("Fläche") auf. Daraus folgt, daß die Nischen nicht nachträglich aus der Vorhallenwand herausgearbeitet wurden, sondern bereits vor dem Versetzen fertig bearbeiten waren. Dies gilt auch für die südliche "Greifennische", welche sich mit ihrer rechten Flanke schräg nach außen öffnet. Lediglich die "Stephanusnische" wurde nach unten um ca. 5 cm erweitert, was aus dem Fugenverband hervorgeht.
Über der Reihe der Konsolköpfe konnten die bereits bekannten Abarbeitungsspuren der Halbsäulchen näher untersucht werden. Im rechten Frontteil hat sich dabei die Abrißspur eines Kapitells erhalten, welche die von Schmidt angenommene Rekonstruktion eines abschließenden Bogenfrieses bestätigt. Eine nähere Formbestimmung des Frieses kann aus den Befunden nicht erschlossen werden, doch läßt sich die ungefähre Höhenerstreckung des romanischen Vorbaus abschätzen, der maximal zwei Quaderlagen über dem gotischen Kranzgesimse geendet haben müßte.
Sowohl die bereits bei der Behandlung der unteren Fassadenzone beschriebenen Befunde, als auch jene des Vorbaus selbst sprechen dafür, daß die Vorhalle in ihrem prinzipiellen Aufbau in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet wurde, wobei ein Planwechsel in Höhe des äußeren Ornametfrieses stattfand. Die romanisierenden Veränderungen am Außenbau der Vorhalle beschränkten sich aus der Sicht der Bauforschung lediglich auf die unteren Teile der Portalgliederung und die Vervollständigung der figuralen Ausstattung durch die Stephanusfigur, während die Anordnung der Figurennischen zum Konzept des 13. Jahrhunderts gehört. Gleiches dürfte für den Spitzbogen gelten.
Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick.
Vom Bau des 12. Jahrhunderts waren bis zur Restaurierung ab 1897 auch am Außenbau Teile der Sockelzone erhalten. Diese Gliederungselemente waren beim Neubau im 13. Jahrhunderts mitbestimmend und wurden bis in die Zone der romanischen Rundfenster bzw. bis in Höhe des zweiten Dreipaßfrieses beibehalten. Die Fassade des 12. Jahrhunderts wurde daher nicht im 13. Jahrhundert ummantelt, sondern unter Beibehaltung des älteren Gliederungssystems in veränderter Struktur (Risalit) fortgeführt. Der Vorhallenbau gehört bereits zum Konzept des 13. Jahrhunderts, wobei die romanisierenden Veränderungen aus der Zeit um 1500 keinen substanziell einschneidenden Anteil hatten. Die Fortführung der romanischen Fassade über den unvermittelt endenden Kantengliederungen des Mittelrisalits markieren einen weiteren Planwechsel im 13. Jahrhundert.
Bei der Fassadenerweiterung durch die beiden Westkapellen im 14. Jahrhundert entstanden die Überleitungsgiebel und die Umformung der Kantenlisenen an den oktogonalen Turmteilen mit Konsolen.
Im 15. Jahrhundert erbaute man die obere Fassadenwand, senkte wegen des großen Westfensters die romanische Vorhalle um maximal zwei Quaderlagen ab und gotisierte die Helme der Heidentürme mit einer Steinverkleidung.
Die Restaurierungen des 19. Jahrhunderts blieben nicht auf eine konservierend-reproduzierende Tätigkeit beschränkt, sondern nahmen vor allem unter Julius Hermann "stilkorrigierende" Veränderungen im Sockelbereich des 12. Jahrhunderts und bei den Zierformen vor. Durch diese Maßnahmen wurden die in unterschiedlichen Phasen errichteten Teile der romanischen Fassade stilistisch vereinheitlicht und die Bauzäsuren zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert im Bereich der Überleitungsgiebel beseitigt.
Die hier skizzierten Ergebnisse der Baubefundungen an der Westfassade stellen einen ersten Forschungsansatz dar, der durch weitere Untersuchungen, vor allem im Inneren der Westanlage und der Kapellen, überprüft und erweitert werden soll. Ein zusätzlicher Punkt wird die Einbeziehung der noch in Bearbeitung befindlichen Untersuchungen zur Bauplastik sein, von denen unter anderem eine "Feinchronologie" der Bauphasen erwartet wird.
Ein wesentlicher Anteil an der differenzierten Darstellung der Baugeschichte beruht auf der petrographischen Bestandsaufnahme, die - wie etwa im Falle des Riesentorvorbaus - eine zeitliche Absicherung der Baubefunde aus der Sicht der Gesteinsverwendung ermöglicht. Darüber hinausgehend können aufgrund der petrographischen Untersuchung Rückschlüsse auf den Baufortschritt gezogen werden, die methodisch durch Bauforschung und Kunstgeschichte nicht erfaßt werden können. Exemplarisch sei hier auf die Problematik der Westkapellen verwiesen: Sie zeigen eine periodische Abfolge von wiederverwendetem romanischen Altmaterial und Gesteinen des 14. Jahrhunderts, die stratigraphisch bei der nördlichen Kapelle genau umgekehrt verläuft wie bei der südlichen. Dies läßt auf eine unterschiedliche Bauabfolge schließen, da während des Baugeschehens offensichtlich nur zu bestimmten Zeiten Abbruchmaterial vom spätromanischen Dom zur Verfügung stand, ohne daß beim gegenwärtigen Forschungsstand die Prioritätsfrage gelöst werden kann. Die Klärung dieses Problems steht aber andererseits mit der Herkunft dieser Altgesteine - vom Chor oder vom Langhaus - in Verbindung und würde Aufschluß über den zeitlichen Ablauf beim Bau des gotischen Langhauses geben.
Dieses Beispiel zeigt, daß die zahlreichen noch offenen Fragen der Bau- und Kunstgeschichte nicht allein durch Teilbeobachtungen eines Fachbereiches gelöst werden können, sondern nur durch eine intensive Zusammenarbeit geistes- u n d naturwissenschaftlicher Disziplinen, welche die Beurteilung des gesamten Domes zum Ziel haben - ein Forschungsvorhaben, das letztlich einen der Eckpfeiler in der denkmalpflegerischen und kunsthistorischen Beurteilung bildet.
ANMERKUNGEN
[H. W. Müller et. al.] H. W. Müller, A. Rohatsch, B. Schwaighofer, F. Ottner und A. Thinschmidt, Gesteinsbestand in der Bausubstanz der Westfassade und des Albertinischen Chores von St. Stephan, in: Österr. Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege XLVII, H. 3/4, 1993, S. 106ff. Faltplan.
[1] E. Melly, Das Westportal des Domes zu Wien, in seinen Bildwerken und ihrer Bemalung, Wien 1850.
[2] F. X. Kleindienst, Die Restauration des St. Stephansdomes in Wien in den Jahren 1853 bis 1880, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, IV. Jg., 1884, S. 100.
[3] F. Schmidt, Ueber die zwei älteren Bauepochen der Domkirche zu St. Stephan, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, I. Jg., 1881, S. 1f und 6f.
[4] F. Schmidt, Das Riesenthor des Domes zu St. Stephan in Wien, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, II. Jg., 1882, S. 37.
[5] W. A. Neumann, Chronologie der Domportalfrage aus dem amtlichen Materiale des Dombauvereins-Ausschusses, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, XXI. Jg., 1902, S. 35f. - Derselbe, Beiträge zur Riesentorfrage, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, XXI. Jg., 1902, S. 37ff.
[6] P. Müller, Das Riesenthor des St. Stephansdomes zu Wien. Seine Beschreibung und seine Geschichte, Innsbruck 1883 (Sonderdruck). Vgl. dazu die polemische Rezension von W. A. Neumann, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, III. Jg., 1883, S. 76.
[7] H. Swoboda, Zur Lösung der Riesentorfrage. Das Riesentor des Wiener St. Stefansdomes und seine Restaurierung, Wien 1902.
[8] J. Mantuani, Das Riesentor zu St. Stephan in Wien und Fr. v. Schmidts Projekt für dessen Wiederherstellung. Randglossen zu Dr. Heinrich Swobodas Schrift: "Zur Lösung der Riesentorfrage", Wien 1903.
[9] Müller (zit. Anm. 6), S. 55f. Der Vorbau des 14. Jhs. ist "den bestehenden Verhältnissen so verständig angepasst worden, dass er den Uebergang aus der alten romanischen Portalhalle zu dem gothischen Erweiterungsbaue geschickt vermittelt" (S. 56). Hier taucht also erstmals die Hypothese einer historisierenden Umgestaltung des romanischen Portals in der Gotik auf.
[10] Vgl. dazu H. Swoboda, Die Entscheidung in der Riesentorfrage, Wien 1903 (Sonderdruck) und die Rezension von W. A. Neumann, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, XXII. Jg, 1903, S. 46ff.
[11] Vorwort zu den Protokollen des Dombauvereines, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, XXII. Jg., 1903, S. 59.
[12] J. Hermann, Ueber die zwei gothischen Bauperioden des St. Stephansdomes, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, XV. Jg., 1895, S. 128.
[13] Hermann (zit. Anm. 12), in: Wiener Dombauvereins-Blatt, XIV. Jg., 1894, S. 122. Vgl. dazu F. X. Kleindienst, Der Stephansdom ein Denkmal der Habsburger, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, II. Jg., 1882, S. 58. Den gleichen Baufortgang nahm F. Schmidt beim ersten Erweiterungsbau an. Siehe Schmidt (zit. Anm. 3.), S. 6.
[14] W. A. Neumann, Die vielnamige Kreuzkapelle und ihre Wohltäter, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, IV. Jg., 1884, S. 121, Fußnote 9: "Die schwarzen Steine, die man im Inneren der [Kreuz-]Kapelle sieht, gehören dem alten Baue an." Über die bei den petrographischen Untersuchungen 1992/93 festgestellte tatsächliche Verteilung des romanischen Altmaterials an den Westkapellen vgl. den Beitrag H. W. Müller et al.
[15] K. Oettinger, Die Grabungen von St. Stephan 1945 - 1948, in: Mitteilungen des Institutes für österreichische Geschichtsforschung, LVII. Bd., 1949, S. 339ff.
[16] A. Kieslinger, Die Steine von St. Stephan, Wien 1949, S. 222ff. Die Publikation stellt die bisher umfassendste Darstellung der Bautechnik und einen ersten Ansatz zu petrographischen Untersuchungen des Domes dar.
[17] F. Kieslinger, Unser Dom. Bemerkungen über sein mittelalterliches Werden und seine Schöpfer, Wien 1952 (Sonderdruck), S. 5.
[18] J. Zykan, Zur Baugeschichte der romanischen Stephanskirche in Wien, in: Ausstellung "Romanische Kunst in Österreich", Krems a. D. 1964, S. 261ff.
[19] E. Doberer, Der plastische Schmuck am Vorbau des Riesentores, in: Festschrift Karl Oettinger, Erlanger Forschungen A 20, 1967, S. 353ff.
[20] Doberer (zit. Anm. 19), S. 360.
[21] J. Zykan, Das romanische "Westwerk" von St. Stephan in neuer Sicht nach den Fundamentuntersuchungen des Jahres 1970, in: Mittn. der Gesellschaft für vergleichende Kunstforschung, Jg. 24, 1972, Nr. 3, S. 14ff.
[22] J. Zykan (zit. Anm. 21), S. 16.
[23] Über den Einfluß des Passauer Domes auf die romanische Architektur in Österreich vgl.: M. Schwarz, Die Vorbildwirkung des Passauer Domes auf die österreichische Architektur des Hochmittelalters, in: K. Möseneder (Hrsg.), Kunst in Passau. Von der Romanik zur Gegenwart, Passau 1993, S. 9ff. Schwarz (ebenda, S. 12) identifizert die bei Sadeler wiedergegebene Westanlage des Passauer Domes mit dem Bau Bischof Pilgrims (reg. 971 - 991). Bezüglich St. Stephan in Wien bleibt die bislang in der Literatur unwidersprochene Hypothese E. Doberers bei Schwarz (ebenda, S. 16f und 25f) unberücksichtigt.
[24] O. Harl, Archäologische Beiträge zur Baugeschichte des Westwerks von St. Stephan in Wien, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, XLIV, 1990, S. 39ff. (Mit weiteren Befunden zu seinen Grabungen von 1979). Die noch nicht umgezeichneten und ausgewerteten Befundpläne der durch Baustatiker durchgeführten Fundamentuntersuchungen (September bis November 1970) wurden erstmals abgedruckt in: O. Harl, Archäologische Ergebnisse aus dem Bau der U 1 für die mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte Wiens, Studien 79/80 aus dem Historischen Museum der Stadt Wien, hrsg. von R. Waissenberger = Wiener Schriften, 44, 1980, S. 41 und Abb. 25 - 33.
[25] Harl, Westwerk (zit. Anm. 24), S. 47: "Am ehesten kommt dafür, einer mündlich geäußerten Vermutung von E. Doberer entsprechend, die späte Gotik in Frage, die Zeit vor 1474, da die Türme auf dem Altar des Schottenmeisters, der vor 1474 entstanden ist, in der heute bekannten Gestalt erscheinen."
[26] M. Zykan, Der Westbau von St. Stephan. Zur Forschungslage und aktuellen Problematik, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, XLIV, 1990, S. 47ff.
[27] Kommission für Kunstgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Dombauhütte von St. Stephan und Bundesdenkmalamt.
[28] Siehe E. Bacher, Bauforschung in St. Stephan, in: Der Dom, Mitteilungsblatt des Wiener Domerhaltungsvereines, Folge 1, 1992, S. Für die Zusammenfassung der bisherigen wissenschaftlichen Forschung siehe: M. Zykan, Der Stephansdom, Wien 1981.
[29] Vgl. dazu die Angaben im Beitrag H. W. Müller et al.
[30] Referate anläßlich einer Arbeitssitzung im Jahre 1991 durch G. Seebach (Bauforschung) und R. Wlattnig (Konsolplastik und Wasserspeier).
[31] Die Untersuchungen im Inneren des Riesentores bleiben aus technischen Gründen einer späteren Arbeitsetappe vorbehalten. Die Auswertung der von F. Dahm 1992 im Rahmen eines Projektes des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich durchgeführten Untersuchungen an der Bauplastik sind noch in Bearbeitung.
[32] Zur Entstehungsgeschichte des Stiches siehe: H. Tietze, Stadtregulierungsfragen im alten Wien, in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale, Bd. III., 1909, S. 153f.
[33] Die Aufnahme zeigt noch das Rokokogitter der Vorhalle. Es wurde 1880 durch das heutige, vom Hofschlosser Anton Biro gestiftete, ersetzt.
[34] Das Epitaph des Simon Rückhenpaum an der rechten Wandvorlage neben dem Riesentor fehlt auf dem Foto bereits. Es wurde kurz vor 1894 abgenommen und in der Dombauhütte restauriert (Wiener Dombauvereins-Blatt, S. 134). Hingegen ist das an der linken Vorlage 1895 abgenommene und in der Dombauhütte restaurierte Epitaph des Sewastian Khobler von St. Gallen noch in situ. Beide Epitaphien wurden 1896 an ihre heutige Stelle im rechten Wandfeld des südlichen Heidenturmes transferiert (Wiener Dombauvereins-Blatt, S. 137 und 159).
[35] Lediglich der hohe Sockel weist an der Ecke eine Abschrägung auf, die jedoch nicht mit einer eventuell abgewitterten Eckzier in Verbindung gebracht werden kann.
[36] Wiener Dombauvereins-Blatt, XVII. Jg., 1897, S. 159. Restaurierungsvorhaben für 1898. Schlußbericht in Wiener Dombauvereins-Blatt, XI. Jg., 1902, S. 29.
[37] Wiener Dombauvereins-Blatt, XVII. Jg., 1897, S. 159. In die gleiche Zeit fällt die Erneuerung der gesamten Sockelzone. Die Höhe der Auswechslungen an den übrigen Wandvorlagen ist aus der petrographischen Untersuchung bei H. W. Müller et al. ersichtlich.
[38] Sie zeichnet sich durch den Versatz der Lagerfugen aus.
[39] Daß dies tatsächlich so ist, wurde anläßlich einer geodätischen Vermessung der "Fensterebene" durch O. Harl bestätigt. Siehe Harl, Westwerk (zit. Anm. 24), S. 45.
[40] Es wäre denkbar, daß vor dem Planwechsel bereits Teile des inneren Kämpferfrieses fertiggestellt waren, die dann wenig sorgfältig dem zweiten Portalplan eingebunden wurden. Hier sind erst die Ergebnisse einer noch zu leistenden Bauuntersuchung abzuwarten.
[41] F. X. Kleindienst (zit. Anm. 2), in: Wiener Dombauvereins-Blatt, V. Jg., 1855, S. 155f.
[42] ebenda.
[43] Wiener Dombauvereins-Blatt, II. Jg., 1882, S. 27.
[44] Friedrich von Schmidt berichtet (Wiener Dombauvereins-Blatt, II. Jg., S. 27), daß er bei der Restaurierung dieser Wandteile die Abrißspuren der Vorhallenbekrönung nachweisen konnte.
[45] Wiener Dombauvereins-Blatt, II. Jg., S. 27.
[46] Berichte der Dombauhütte in: Wiener Dombauvereins-Blatt, VIII. Jg., 1897 bis XXII. Jg., 1903.
[47] Wiener Dombauvereins-Blatt, XIX. Jg., 1899, S. 193.
[48] Wiener Dombauvereins-Blatt, XVIII. Jg., 1898, S. 169.
[49] Die Giebel liegen heute unterhalb der neuen Betondecke der Seitenschiffböden von 1945. Sie sind jedoch auf den 1945 photographierten Aufnahmen vom zerstörten Dom zweifelsfrei zu erkennen.
[50] M. Zykan (zit. Anm. 26), S. 50.
[51] Doberer (zit. Anm. 19), S. 355.
[52] Kleindienst (zit. Anm. 2), in: Wiener Dombauvereins-Blatt, V. Jg., 1855, S. 155.
[53] Wäre es denkbar, daß sie der letzte Rest der Unterschneidungen eines spätromanisch-normannischen Gitterdekors sind, der im 15. Jahrhundert abgeschlagen wurde?
[54] Kleindienst (zit. Anm. 2), in: Wiener Dombauvereins-Blatt, V. Jg., 1855, S. 155.
ABBILDUNGEN
Wien, St. Stephan, Fassadenplan; gesteinskundliche Zusammensetzung der Westfassade. Quelle: H. W. Müller et al.
.
Abb. 1 Wien, St. Stephan, Westansicht; Kupferstich von Carl Schütz, 1792.
.
Abb. 2 Wien, St. Stephan, Westansicht von Carl Schütz; Detail der nördlichen Fassadenwand mit barocker Sockelgestaltung.
.
Abb. 3 Wien, St. Stephan, Westansicht von Carl Schütz; Detail der südlichen Fassadenwand mit barocker Sockelgestaltung.
.
Abb. 4 Wien, St. Stephan, Südwestansicht, Photographie von A. Groll (bez. 1866). Die Aufnahme zeigt den Zustand vor der Restaurierung durch Friedrich v. Schmidt.
.
Abb. 5 Wien, St. Stephan, Westansicht des Portalvorbaus mit dem 1880 entfernten Rokokogitter. Am Spitzbogen links Bohrungen im "Birnstabprofil. Am rechten Fassadenpfeiler befindet sich noch das Rückhenpaum-Epitaph.
.
Abb. 6 Wien, St. Stephan, Westansicht, um 1894; Detail der linken Fassadenhälfte. Die romanischen Sockel- und Basenprofile sind durch schräge Platten ersetzt. Über dem Vorbau Abwitterungen (vielleicht die von Schmidt beobachteten Abrißspuren des ursprünglich höheren romanischen Vorbaus?).
.
Abb. 7 Wien, St. Stephan, Westansicht, um 1894; Detail der rechten Fassadenhälfte. Die Fehlstelle am Fassadenpfeiler läßt am Lagerfugenversatz die Baufuge zwischen dem Pfeiler des 12. Jahrhunderts und der Vorhallenwand des 13. Jahrhunderts erkennen. Die Doppellisene besitzt noch das ursprüngliche Sockel- und Basenprofil des 12. Jahrhunderts ohne Ecksporne.
.
Abb. 8 Wien, St. Stephan; Detail in der nördlichen Vorhallenwand. Im Bereich der Sohlbank des Wendeltreppenfensters endet die Baufuge von 1898 unmittelbar an der Vorhallenwand, oberhalb des Frieses beginnt der einheitliche Bauverband des spätromanischen "Mittelrisalits".
.
Abb. 9 Wien, St. Stephan, Detail der Westwand des südlichen Kapellenanbaus (Herzogenkapelle, 14. Jh.) Am linken und oberen Bildrand "Schattenriß" der Konsole für das Prügl-Epitaph. Die angrenzende Fläche liegt ca. 5 mm tiefer als die der Konsole. Unterhalb der Volute Spuren des Zahneisens, rechts davon Abstockung (1897ff).
.
Abb. 10 Wien, St. Stephan, Nordwestansicht; Holzschnitt aus dem Heilthumbuch von 1502.
ABBILDUNGSNACHWEIS
Abb. 1 - 3, 5 - 7, 10 Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek.
Abb. 4 Bundesdenkmalamt, Wien
Abb. 8 - 9 R. Koch (Forschungsapparat, Österr. Akademie der Wissenschaften, Kommission für Kunstgeschichte)
H. W. Müller, A. Rohatsch, B. Schwaighofer, F. Ottner und A. Thinschmidt, Gesteinsbestand in der Bausubstanz der Westfassade und des Albertinischen Chores von St. Stephan, in: Österr. Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege XLVII, H. 3/4, 1993, S. 106ff. Faltplan
>
Rudolf Koch, Wien
Aus: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege XLVII, Heft 3/4, 1993, S. 116 - 129. [Gesamtindex]
Zum Stand der Bauforschung an St. Stephan.
Die Geschichte der Bauforschung an St. Stephan in Wien beginnt um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Eduard Melly [1] beschrieb erstmals eingehend die Bauplastik des Riesentores und die 1846 noch erkennbaren Fassungsreste. Im Jahre 1852 setzt mit der Renovierung der Liechtensteinkapelle die kontinuierliche Restaurierung des Baubestandes ein, der 1858 die zunächst auf die Feststellung von Bauschäden beschränkte Untersuchung der gesamten Kirche durch Leopold Ernst (Dombaumeister 1858 - 1862) folgte [2].
Erst Friedrich von Schmidt (Dombaumeister 1863 - 1891) setzte gezielt Methoden der Bauforschung für die Klärung der Baugeschichte ein [3].Aufgrund dieser Baubeobachtungen plante Schmidt die "Reromanisierung" des Riesentores und die Beseitigung der spitzbogig geschlossenen Vorhallenwand [4]. An dieser vom Historismus geprägten "stilgerechten Zurückführung des Domportales" entzündete sich 1882 die sogenannte "Riesentorfrage" [5], welche eingehende Untersuchungen des Riesentorkomplexes durch Paul Müller [6], Heinrich Swoboda [7] und Joseph Mantuani [8] bewirkte. Nach Schmidts Rekonstruktion öffnete sich die Vorhalle in einem Rundbogen in Breite der Vorhalle und wurde erst später durch Zungenmauern und den Spitzbogen geschlossen. Müller hingegen unterschied drei Bauphasen: Den Kernbau des Portaltrichters mit den am Vorbau freistehenden Skulpturen vom 1147 geweihten Erstbau, die Portalvorhalle und die ornamentalen Bauglieder aus der Zeit nach dem Brand von 1258 und schließlich die Vorhallenwand mit dem Spitzbogen und den Figurennischen, die unter Wiederverwendung älterer Plastiken in den letzten Jahren des 14. Jhs. entstanden sein soll [9]. Swoboda beruft sich auf Baubeobachtungen Julius Hermanns (Dombaumeister 1891 - 1908) und datiert Portal und Vorbau einschließlich des Spitzbogens zeitgleich mit der Fassadenwand in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts, wobei er stilistische Unterschiede zwischen Portal und Vorbau mit einem Plan- bzw. Meisterwechsel erklärt. Mantuani richtet seine Kritik vor allem gegen Swoboda und verteidigt das Projekt Schmidts, das er mit ästhetischen Argumenten und einer Analyse der Brandspuren untermauert [10]. Die Untersuchungen zur "Riesentorfrage" führten letztlich zu kontroversiellen Lösungen; das Problem der Reromanisierung wurde aufgrund einer geänderten Auffassung des Denkmalbegriffes 1903 als erledigt betrachtet [11].
Für den Bauvorgang beim Abbruch der spätromanischen Kirche und den gotischen Neubau ab 1403 sind die Beobachtungen Julius Hermanns von Bedeutung. Die inneren Sockel der Langhauswände waren in einem hohen Grade verwittert, was seiner Einsicht nach nur daraus zu erklären war, daß die Langhauswände bis in das 15. Jh. freistanden und erst nach dem Abbruch der bis dahin noch bestehenden romanischen Seitenschiffwände unter Dach kamen [12]. Diese Eigenheit im Baufortschritt nahm Hermann auch für den Albertinischen Chor in Anspruch und untermauert seine Hypothese mit stilistischen Abweichungen zwischen den Wand- und den Freipfeilern des Chores [13]. Nach W. A. Neumann wurde das Abbruchmaterial des romanischen Chores teilweise beim Bau der Westkapellen wiederverwendet [14].
Durch Grabungen nach dem Dombrand von 1945 konnte Karl Oettinger im Bereich der Querhausvierung und im nördlichen Seitenschiff die Grundrißgestalt des Erstbaus von 1137/47 und des spätromanischen Nachfolgebaus aus der Zeit um 1230/40 erschließen [15]. Gleichzeitig durchgeführte Untersuchungen von Alois Kieslinger in den Erdgeschossen der Heidentürme ergaben, daß zumindest das Kernmauerwerk dieser Teile noch aus dem 12. Jh. stammt [16]. Die dort entdeckten Eckkonsolen wurden von Franz Kieslinger als stilverwandt mit Würfelkapitellen in der Krypta von Gurk (Weihe 1174) erkannt [17]. Da an der romanische Westfassade ausschließlich Formen ab dem zweiten Viertel des 13. Jhs. erhalten sind, nahm Joseph Zykan eine vollständige Verkleidung der älteren Heidentürme im 13. Jahrhundert an, wobei er jedoch nicht ausschloß, daß die abrupt endigenden Lisenen an den Heidentürmen noch Relikte älterer Bauglieder sein könnten [18].
Eine völlig neue Beurteilung der zeitlichen Stellung des Riesentores ergab sich aus den Bauuntersuchungen von Erika Doberer [19]. Aufgrund von stilistischen Unterschieden innerhalb der Portalplastik und strukturellen Merkmalen in der prinzipiellen Art der Anbringung der Figurennischen am Außenbau kam Doberer zu dem Schluß, daß der Vorbau einschließlich des Spitzbogens und Teilen der dort aufgestellten Plastiken das Ergebnis einer historisierenden Umgestaltungsphase um 1500 sei. Gestützt wird diese Annahme durch die Figur des hl. Stephanus (bezeichnet 1500), die spätgotischen Stabwerkskapitelle am Portalbogen und die Darstellung des Riesentores auf dem Holzschnitt des Heilthumbuches von 1502, wo ihrer Ansicht nach der Vorbau als neuer Bauteil gekennzeichnet wird. Entgegen bisheriger Anschauung wurde der Vorbau daher nicht beim Bau des großen gotischen Westfensters (um 1422) teilweise abgetragen, sondern erst bei Errichtung des Rokoko-Gitters um die Mitte des 18. Jahrhunderts [20].
Fundamentuntersuchungen an der Westseite von St. Stephan im Jahre 1970 ergaben unerwartete Einblicke in baugeschichtliche Fakten: Die Fundamente, auf denen der Vorbau des Riesentores aufruht, binden in jene der Heidentürme fugenlos ein. Nach Josef Zykan kann dies nur bedeuten, daß schon der Erstbau von St. Stephan aus dem 12. Jahrhundert eine Vorhalle in Art eines geschlossenen "Paradieses", jedoch ohne Empore besessen hatte [21]. Der Riesentor-Vorbau, der demnach nicht als ein jüngeres Element (mit Veränderungen der äußeren Erscheinung im 13. und 19. Jahrhundert) aufzufassen sei, sondern "logisch und in der Planung auch chronologisch älter ist als das Riesentor" [22], hätte nach Zykan sein Vorbild in dem durch einen Stich von Philipp Sadeler (1633) überlieferten Bauzustand der romanischen Westanlage des Passauer Domes [23].
Die Auswertung der Grabungen von 1970 mit den daraus erwachsenden Konsequenzen für die Baugeschichte der Westfassade aus archäologischer Sicht erfolgte erst 1990 durch Ortolf Harl [24]. Gestützt auf die Beobachtung, daß die Baufluchten der Heidentürme vom Erdgeschoß bis in die oktogonalen Turmaufsätze durchlaufen, einer Analyse der Giebelformen und einer eigenständigen Ausweitung der von E. Doberer zunächst nur für den Riesentorvorbau in Anspruch genommenen Hypothese eines historisierenden Umbaus um 1500 kommt Harl zu dem Schluß, daß "das Westwerk von St. Stephan in nachromanischer Zeit romanisiert wurde, um ein bewußt altertümliches Aussehen zu erhalten" [25]. Diese Hypothese wurde noch in der gleichen Zeitschrift von Marlene Zykan [26] aus kunsthistorischer Sicht in überzeugender Weise widerlegt.
Durch das Zusammenwirken mehrerer Institutionen [27] wurde die Möglichkeit geschaffen, 1991 am Albertinischen Chor und 1992/93 an der Westfassade von St. Stephan erneut systematische Forschungen an der Bausubstanz durchzuführen, mit dem Ziel, offene und unzureichend geklärte Fragen der Baugeschichte mit modernen Methoden der Bauforschung, der Kunstgeschichte und der Petrographie zu untersuchen [28]. Bezüglich der Untersuchungen am Albertinischen Chor wurden bereits erste Ergebnisse der petrographischen Aufnahme publiziert [29]. Sie lassen aus gesteinskundlicher Sicht eine Mehrphasigkeit im Baufortschritt des bisher von der kunstgeschichtlichen Forschung als einheitlich zwischen 1304 und 1345 errichteten Chores erkennen, wobei diese Beobachtungen mit den Erkenntnissen aus den gleichzeitig durchgeführten Analysen der Baustrukturen und der Plastiken am Außenbau zur Deckung gebracht werden können [30]. Die seit 1992 laufenden Arbeitsetappen an der Westfassade haben die Zielsetzung, die Überlagerungen des Baugeschehens vom 12. bis zum 16. Jahrhundert festzustellen und von den seit dem 19. Jahrhundert stattgefundenen ergänzenden Restaurierungen zu differenzieren [31].
Die Befunde der Bauuntersuchungen von 1992/93
(Abb.: Petrographische Aufnahme der Westfassade [H. W. Müller et. al.])
Die Befundung beschränkte sich auf die Autopsie der Westfassade von einem fahrbaren Gerüst aus bis in eine Höhe von ca. 10 m bzw. von einer Hebebühne aus bis in Höhe von 33 m, das entspricht der Höhe der gotischen Abschlußgalerie. Zur Differenzierung der seit Mitte des 19. Jahrhunderts restaurierten Teile vom mittelalterlichen Altbestand wurden die Bearbeitungsspuren, der Stich von Carl Schütz (Abb. 1) aus dem Jahre 1792 und Photographien ab 1866 herangezogen. Genauere Angaben einzelner Restaurierungsphasen konnten den Mitteilungen der Dombaumeister im Wiener Dombauvereinsblatt entnommen werden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Befunde der Fassadenwand von jenen des Riesentorvorbaus getrennt behandelt.
Die Befunde der Sockelzone bis in Höhe des ornamentalen Friesbandes am Riesentorvorbau
Die gesamte Sockelzone einschließlich der Sockel- und Basenprofile mit ihrer Eckzier erweisen sich aufgrund des sorgfältigen Fugenschnitts und der glatten, nahezu geschliffen wirkenden Oberflächengestaltung als Auswechslungen des 19. Jahrhunderts. Wie aus dem topographisch verläßlichen Stich von Carl Schütz (1792) [32] zu ersehen ist, waren die heute senkrecht vorspringenden Sockel der Wandgliederung mit schrägen Platten verkleidet. Diese Sockelgestaltung ist zweifellos nicht mittelalterlich sondern barock, wie auch die an den geböschten Flächen sichtbaren Kreuze im Bereich des romanischen Fassadenteils nahelegen.
Abweichend von der Ausführung der heutigen Sockel und Basen fehlen am romanischen Fassadenteil die fallend profilierten Ecksporne und am Wandfeld zwischen der nördlichen Doppelvorlage und der Wandvorlage beim Riesentorvorbau das Sockelband. Diese Vorlage wird bis in Höhe knapp unter den Ornamentfries der Vorhalle durch das Grabdenkmal des Sewastian Khobler von St. Gallen (gest. 1566) verdeckt (Abb. 2). Das Pendant der Vorlage an der Südflanke der Vorhalle trägt an dieser Stelle ebenfalls ein Grabdenkmal, das mit der zu diesem Zeitpunkt mit einer barocken Rahmung versehenen Platte des Simon Rückhenpaum (gest. 1643) zu identifizieren ist (Abb. 3).
Die barocke Sockelverkleidung scheint noch auf einer Photographie von A. Groll (Abb. 4) aus dem Jahre 1866 erkennbar zu sein. Auf einer vor 1880 angefertigten Detailaufnahme der Riesentorvorhalle (Abb. 5) fehlt sie bereits [33]. Eine weitere Photographie, die um 1894 entstand [34], läßt erkennen, daß die nördliche romanische Doppelvorlage (Abb. 6) als Sockel nur eine einfache Schräge besitzt und daß das heute gegen die Vorhalle anschließende Wulstprofil, das bei Schütz noch fehlt, ebenfalls lediglich als einfache Schräge ergänzt wurde. Das gegengleiche Sockelband der südlichen Fassadenhälfte (Abb. 7) und die dort anschließende Basis der Doppelvorlage sind eindeutig als schlichtes Wulstprofil ausgebildet. Bedeutsamer ist, daß die Basis dieser Doppelvorlage keine Eckzier besitzt und im Profil nicht - wie heute - asymmetrisch abfallend geformt erscheint, sondern eindeutig halbrund-wulstförmig [35]. Dieses symmetrisch aufgebaute Profil hat die gleichen formalen und stilistischen Eigenschaften wie jenes, das Friedrich v. Schmidt als bleibenden Befund an der Ostwand der Herzogenkapelle und somit an der ehemaligen Südseite der spätromanischen Außenmauer freilegte. Während das heutige Profil durch die fallende Form der Eckzier und den abfließenden Wulstquerschnitt Merkmale aufweist, die erst im 13. Jahrhundert auftreten, zeigt das ursprüngliche Profil die strengen Formen des 12. Jahrhunderts. Das heutige Sockelprofil ist eine "romanisierende" Neuschöpfung der Restaurierung von 1898 durch Dombaumeister Julius Hermann! [36] Daraus folgt zunächst, daß die ursprüngliche Sockelgestaltung der romanischen Westfassade und damit auch zumindest die unteren Partien der Wandgliederungen stilistisch altertümlicher sind als die eindeutig dem 13. Jahrhundert zuzuordnenden Dreipaßfriese und die spätromanischen Teile des Riesentores. Es müßte daher zwischen den unteren Teilen des Vorbaus und den flankierenden Wandvorlagen an den Heidentürmen eine Baufuge nachzuweisen sein.
Durch die beiden seit der Barockzeit an den das Riesentor flankierenden Wandvorlagen angebrachten Epitaphien des Sewastian Khobler (links) und Simon Rückhenpaum wurden die Wandvorlagen bis eine Quaderlage unter den äußeren Portalfries bzw. bis in Höhe der dort befindlichen Fensteröffnungen der Wendeltreppen auf die Empore beschädigt. Die Quader dieser Zone mußten daher bei der Restaurierung von 1898 erneuert werden [37], sodaß die entsprechenden Baufugen heute unmittelbar im Zwickel zwischen Vorhalle und Fassadenwand liegen. Allerdings ist auf der Photographie (Abb. 7) von 1894 an der Fehlstelle, die nach Abtragung des Epitaphs für Simon Rückhenpaum sichtbar wurde, zu erkennen, daß eine Baufuge unmittelbar zwischen der linken Kante der rechten Vorlage und dem Vorbau besteht [38]. Daraus ist abzuleiten, daß die flankierenden Wandvorlagen bis in diese Höhe - wie schon bereits für die ursprüngliche Sockelzone erschlossen wurde - älter sind als der Portalvorbau.
Ab den beiden unteren Fensteröffnungen der Portaltreppen und über dem ornamentalen äußeren Vorhallenfries ist diese Baufuge zwischen Wandvorlage und Vorhalle nicht mehr nachzuweisen. Hier stehen die Quader des Vorbaus und der Wandvorlagen, die aufgrund des petrographischen Befundes und des Erhaltungszustandes nicht zu den Restaurierungen des 19. Jahrhunderts gehören, sondern eindeutig zum Altbestand, fugenlos im Verband (Abb. 8). Die Wandvorlagen und der Vorbau müssen daher ab diesem Bereich zeitgleich sein. Im Zusammenhang mit den zugehörigen Dreipaßfriesen der oberen Wandgliederungen sind sie der Instrumentierung des zweiten Viertels des 13. Jahrhunderts zuzuordnen.
Aufgrund dieser Befunde stammen der Sockel und die Anlage der unteren Teile der flankierenden Wandvorlagen, die bis 1897 erhalten waren, noch aus dem 12. Jahrhundert, die Vorhalle und die oberen Teile der Wandvorlagen über dem Portalfries aus dem 13. Jahrhundert. Die hier zu erwartende horizontale Bauzäsur drückt sich auch im Aufbau der Fassadenwand aus. Die Fassadenwand im Bereich der Heidentürme läuft bis in die oktogonalen Heidenturmaufsätze in einer Ebene durch [39]. Die zweite Ebene wird durch die Dreipaßfriese gebildet, die vorderste durch die Stirnflächen der Wandvorlagen. Die schmale Wandfläche zwischen den inneren Lisenen der Heidentürme und der Vorhalle müßte daher wieder um 40 cm auf die Tiefe der Wandebene zurückspringen. Tatsächlich liegt sie aber unterhalb der Oberkante des Portalfrieses rund 25 cm vor der allgemeinen Wandebene. Über dem Portalfries tritt sie noch weiter vor und bildet mit der Stirnfläche der Wandvorlagen eine Ebene. Dadurch wird der Mittelteil der Fassade über dem Vorhallenfries zu einer Art flachen Risalit und die Lisenen degenerieren zu bloßen Kantenprofilierungen.
Man scheint die unteren Teile der Vorhalle zunächst nur mäßig vorspringend bis in Höhe des Portalfrieses aufgemauert zu haben, denn der Portalfries läuft an das schmale Wandstück zwischen Vorhalle und Lisenen an (Abb. 8). Dann erfolgte ein Planwechsel, bei dem die Mittelfassade vorgezogen wurde. Dieses risalitartige Vorziehen der oberen Fassadenwand hängt ursächlich mit der nischenartigen Gestaltung der inneren Westwand der Empore zusammen. F. v. Schmidt konnte hier unter dem gotischen Emporenboden zwei spätromanische Basenprofile nachweisen, deren zugehörige Wandvorlagen die Westnische rahmten. Der Mittelteil wird damit sowohl im Inneren der Empore als auch am Außenbau architektonisch hervorgehoben. Im Bereich des Portalinneren fällt die kritische Zone des Planwechsels bezeichnenderweise mit der Höhe des skulpierten Kämpfergesimses zusammen, das mehrfach im Fugenschnitt nicht zusammengehörige oder unvermittelt abbrechende Friesstücke zeigt [40].
Daß auch die abrupt unter den spätromanischen Rundfenstern endenden Doppelvorlagen in ihrer Anlage dem Bau des 12. Jahrhunderts angehören, ergibt sich aus der Lage der kleinen Fensteröffnungen im Erdgeschoß der Heidentürme. Die im Inneren relativ breiten Fensterlaibungen sind seitlich so verschoben, daß sie in ihrem Verlauf bereits die Doppellisenen berücksichtigen. Da keine Hinweise auf eine spätere Veränderung der Fensterlaibungen zu erkennen sind, gehören sie und damit die Doppellisenen zur gleichen Bauphase des 12. Jahrhunderts wie die Würfelkonsolen in den Untergeschossen der Heidentürme.
Im unteren Fassadenbereich der Westkapellen des 14. Jahrhunderts konnte, neben der bereits erwähnten vollständigen Auswechslung der Sockelzone um 1898 durch Dombaumeister Julius Hermann, die seit langem bekannte Baufuge zwischen den romanischen äußeren Wandvorlagen und der Kapellenwand beobachtet werden. Die Kapellenwände setzen im unteren Bereich direkt an die leicht abgeschrägten Kanten der rechteckigen Mittellisene an. Im Obergeschoß tritt sogar ein Teil der Mittellisene bis zu 5 cm hervor, ohne daß festgestellt werden konnte, ob die romanische Westwand leicht überhängt, oder die Kapellenobergeschosse sich nach innen neigen. Durch diesen Befund ist gesichert, daß die verbauten romanischen Eckvorlagen im Norden und Süden den gleichen Pfeilerquerschnitt haben wie an der Westseite.
Die oft massiven Auswechslungen des 19. Jahrhunderts konnten dort, wo die glatten Oberflächen bereits stärker verwittert sind, über den petrographischen Befund erschlossen werden. Bemerkenswert ist der Oberflächenbefund beim Epitaph für Georg, Barbara und Walpurga Prügl (Abb. 9). Dieses war zur Zeit der Befundung abgenommen und in Restaurierung. Die neben dem Epitaph befindlichen Wandpartien zeigten Spuren des Stockhammers. Unmittelbar an der Kante zum Epitaph wurden die für den Stockhammer unzugänglichen Stellen mit dem Zahneisen bearbeitet. Diese differenzierte Überarbeitung der mittelalterlichen Quaderflächen ließ sich auch an anderen Stellen nachweisen. Da das Epitaph beim Abstocken der Fassadenwand im 19. Jahrhundert nicht abgenommen wurde, blieb unter diesem "als Schatten" ein 3 - 5 mm hoher Materialsteg übrig. Daraus kann geschlossen werden, daß mit Ausnahme des Riesentorvorbaus und der plastischen Zierteile an Gesimsen bzw. Fenstern die gesamte Fassadenoberfläche seit dem 19. Jahrhundert um diesen Betrag dezimiert wurde. Dies ist auch der Grund, wieso an der Fassadenwand fast keine mittelalterlichen Werkzeugspuren und originale Steinmetzzeichen erhalten blieben.
Die Befunde der oberen Fassadenteile
(Abb.: Petrographische Aufnahme der Westfassade [H. W. Müller et. al.])
Eine erste Restaurierung dieser Teile der Westfassade erfolgte schon 1858 unter Dombaumeister Leopold Ernst [41], wobei sich jedoch die reichliche Anwendung von Portlandzement derartig nachteilig auswirkte, daß bereits sein Nachfolger, Dombaumeister Friedrich von Schmidt, ab 1876 erneut umfangreiche Restaurierungen vornehmen mußte. Der Umfang der Restaurierungen Ernsts kann daher heute am Bau nicht mehr festgestellt werden.
Zwischen 1876 und 1879 trug Friedrich von Schmidt die gesamte, aus der Zeit um 1450 stammende, gotische Steinverkleidung am Helm des südlichen Heidenturmes ab; die Helmgalerie und die darüberliegende Turmspitze wurden neu aufgebaut. Am Turmhelm des nördlichen Heidenturmes beschränkten sich die Arbeiten auf die Ergänzung der Helmkrabben, der Giebelschenkelblumen und der Kreuzrosen sowie die Wiederherstellung der Fialen über der Maßwerkbrüstung der Helmgalerie. Die offensichtlich stark beschädigten Fenstersäulchen der Turmaufsätze wurden von Schmidt nach dem Vorbild eines gegen den Dachraum vollständig erhaltenen Säulchens angefertigt [42].
1881 erfolgte die Auswechslung des gotischen Maßwerks und der Seitenpfosten an dem um 1420/30 errichteten großen Westfenster [43]. Die gotischen Quaderlagen, welche beim Ausbrechen dieses Fensters im romanischen Teil der Fassadenwand versetzt wurden, blieben von diesen Maßnahmen unberührt, sodaß die dabei entstandene Baufuge erhalten blieb und optisch an den gegenüber dem romanischen Mauerwerk versetzten Lagerfugen zu erkennen ist. Sie verläuft nicht streng lotrecht, sondern erweitert sich nach oben um bis zu zwei Quaderlängen. Die linke gotische Baufuge beginnt unmittelbar über der Verdachung des Riesentorvorbaus und steht im Verband mit der Sohlbank. Das gotische Fenster wurde daher in seiner heutigen Dimensionierung geplant und auch ausgeführt. Aus diesem Baubefund ergibt sich eindeutig, daß der Vorbau des Riesentores bereits mit dem Einbau des gotischen Fensters um 1420/30 abgesenkt wurde und nicht - wie E. Doberer vorschlug - erst im 18. Jahrhundert [44].
Hinweise auf Größe, Lage und Form des vermuteten romanischen Westfensters können aus dem Baubefund nur bedingt abgeleitet werden. In den erhaltenen Teilen der romanischen Westwand sind keine Störungen festzustellen, die den Schluß auf ein Rundfenster, das größer als der gotische Fensterausriß wäre, rechtfertigen. Die entsprechenden Rekonstruktionsvorschläge des 19. Jahrhunderts sind daher nicht haltbar. Die mögliche Dimensionierung des Westfensters ergibt sich aus dem Versatz der Lagerfugen. In geschlossenen Wandteilen unter und über den Fensteröffnungen der gesamten Fassade werden stets durchgehende Lagerfugen angestrebt. Zu Seiten der Öffnungen jedoch haben die Quader meist unterschiedliche Höhen, so auch am Mittelteil. Hier endet der Fugenversatz mit geringen Ausnahmen im wesentlichen in Höhe der Lisenenkapitelle bzw. der oberen Dreipaßfriese. Daraus ergäbe sich eine durchschnittliche Fenstergröße, die jener der spätromanischen Fenster in den Heidentürmen entspräche. Ob dieses Fenster als Rundfenster gestaltet war, wie es uns in restaurierter Form am Dom von Wiener Neustadt überliefert ist, oder als Biforenfenster, vielleicht ähnlich jenen in den Emporengeschossen wie es in Jak zur Ausführung gelangte, kann letztlich aus Befunden nicht mehr abgeleitet werden. Gerade das Beispiel von Jak zeigt, daß im Prinzip trotz des Rundfensters im Turmbereich als Mittelfenster eine Bifore kleineren Zuschnitts denkbar wäre.
Das Biforenfenster an der Fassade im nördlichen Heidenturm erweist sich in jetziger Form als zweifelhaft. Auf dem Stich von Carl Schütz (Abb. 1) wird es mit gotischem Maßwerk und einer tief abgeschrägten Sohlbank wiedergegeben. Zumindest die Form dieser Sohlbank läßt sich noch auf der Photographie (Abb. 4) von A. Groll (1866) nachweisen. Friedrich v. Schmidt erneuerte dieses Fenster 1881 "nach dem Vorbild" jener Biforenfenster, die er im gleichen Jahr auf der Nord- und Südwand unter einer "völlig nutzlosen Vermauerung" freigelegt hatte [45]. Es besteht daher Grund zur Annahme, daß Schmidt nicht nur die Form der Sohlbank korrigierte, sondern den gesamten Binnenaufbau aufgrund der neu entdeckten Emporenfenster "reromanisierte". Substanziell stammt dieses Fenster jedenfalls zur Gänze aus dem 19. Jahrhundert.
In die Jahre 1889 bis 1891 fällt als eine der letzten Arbeiten Friedrich von Schmidts am Dom die Restaurierung der Rundfenster, insbesondere des gotischen an der Herzogenkapelle aus dem 14. Jahrhundert. Dieses Fenster wurde mit seinem Ornamentrahmen nahezu vollständig erneuert. Die heute dort "räthselhaften [Steinmetz-]Zeichen" wurden dabei übernommen, sodaß formal die Ergänzungen als getreue Kopie angesehen werden können. 1880 erfolgte außerdem am Riesentorvorbau anläßlich der Anbringung des vom Hofschlosser Anton Biro gestifteten neogotischen Abschlußgitters eine Restaurierung im Bereich des Spitzbogens und der Vorhallenwand.
Eine neuerliche Restaurierung der Westfassade, die im wesentlichen das heutige Erscheinungsbild der Fassade bestimmt, erfolgte unter Dombaumeister Julius Hermann in den Jahren 1897 bis 1903 [46]. Im Gegensatz zur Schmidt'schen Restaurierung ist sie durch großflächige Auswechslungen und vor allem - wie schon beim Fassadensockel aufgezeigt wurde - durch "stilkorrigierende Neuschöpfungen" gekennzeichnet. Nahezu die gesamte Fassadenoberfläche mußte steinmetzmäßig überarbeitet werden, da insbesondere im oberen Bereich die Quader mit einer Mörtelschichte überzogen und stark abgewittert waren [47].
1897 wurde mit der nördlichen Fassadenhälfte begonnen und wegen herabfallender Steinteile zunächst der südliche und anschließend der nördliche Heidenturm eingerüstet. Bis 1898 wurden am linken Fassadenteil der nordwestliche Eckpfeiler, die romanische Ecklisene mit dem über der Tirnakapelle liegenden Strebepfeiler und die Dachgalerie der Bartholomäuskapelle einschließlich des Ornamentfrieses erneuert; ebenso der Überleitungsgiebel mit dem Wandzwickel am nördlichen Heidenturmaufsatz und die Pfeilerbekrönungen an den romanischen Ecklisenen. Die oft bis zum Formverlust abgewitterten Dreipaßfriese und Konsolen wurden großteils kopiert. Wo noch genügend erhaltenswerte Altsubstanz vorhanden war, wie bei einigen Konsolen, wurde nur eine Hälfte ergänzt und dem Bestand angepaßt. Nicht rekonstruierbare Formteile, wie die Endigungen an den Dreipaßfriesen, beließ Hermann in der stereometrischen Grundform.
Die südliche Fassadenhälfte wurde 1898 bis 1901 im gleichen Umfang restauriert [48]. Bei diesen Arbeiten mußten die Fenstermaßwerke und Ornamente der romanischen Rundfenster neuerlich steinmetzmäßig übergangen werden.
Die Restaurierung der Mittelfassade erfolgte 1901 bis 1903. Dabei wurden Teile der Sohlbank des gotischen Westfensters, die Verdachungen am Rücksprung zwischen der romanischen zur gotischen Westwand und die gesamte Westwand in Höhe der drei Figurenbaldachine bis einschließlich der Maßwerkgalerie erneuert. Bei der gleichzeitigen Restaurierung der Heidentürme wurden die bereits von Schmidt hergestellte Steinverkleidungen des südlichen Turmhelms abermals abgetragen und auch der nördliche Turmhelm zur Gänze erneuert. Substanziell sind, von den Auswechslungen um 1960 abgesehen, die Turmhelme als eine Kopie Hermanns zu betrachten.
In der Zone der Überleitungsgiebel blieb es unter Julius Hermann nicht beim reproduzierenden Auswechseln von Quadern, wie ein Vergleich mit älteren Abbildungen belegt. Schon bei Carl Schütz (Abb. 1) ist zu erkennen, daß nur der nördliche Giebel eine Giebelzier trägt. Der südliche Überleitungsgiebel schloß mit einer glatten Spitze. Den gleichen Befund zeigen die Überleitungsgiebel an der Ostseite über den Seitenschiffen [49]. Außerdem schlossen vor der Restaurierung durch Hermann sowohl an der Westfassade als auch an der Ostseite der Heidentürme nicht alle Kantenlisenen der oktogonalen Aufsätze unmittelbar an die Überleitungsgiebel an, sondern endeten darüber in einem konsolartigen Auslauf.
Wie schon Marlene Zykan beobachtet und ausführlich beschrieben hat, sind diese Giebelschrägen am Übergang vom quadratischen zum oktogonalen Teil der Türme vorgeblendet und sitzen nicht im ursprünglichen Steinverband. Die Vorlagen, welche die Giebel stützen, sind im Fugenverband mit dem Mittelteil der Fassade, nicht aber mit den Heidentürmen, wobei eine "logische Verbindung" der Giebel zu den abgetreppten Pfeilern der oberen Geschoße der Westkapellen besteht [50]. Durch die petrographische Untersuchung und den Arbeitsbericht Hermanns wird jedoch deutlich, daß die hier befindlichen Baufugen und der Steinverband für eine Beurteilung der Bauabfolge nicht unmittelbar herangezogen werden können. Sie dokumentieren zunächst lediglich jene Bauzäsuren, welche durch die vollständige Auswechslung der Giebel und der anschließenden Wandteile unter Hermann entstanden sind. Das getreu kopierte Profil der Giebel mit einfacher Schräge, Platte und Hohlkehle entstammt zweifellos nicht dem spätromanischen Formenvorrat. Gleiches gilt für die bereits beschriebene kompositorische Verbindung zu den Pfeileraufsätzen der Westkapellen. Da die Giebel auch auf den Ostseiten ausgeführt wurden, muß dieser Teil freigestanden sein. Die gotischen Giebel können daher nur im 14. Jahrhundert in die spätromanische Architektur eingesetzt worden sein, denn um 1450 war dieser Bereich bereits überdacht.
In welchem zeitlichen Verhältnis steht nun die vor der Restaurierung durch Hermann noch vorhandene "konsolartige Abkragung" der Ecklisenen an den oktogonalen Teilen der Heidentürme? Als Lösung eines spätromanischen Planungskonzeptes wäre sie wahrscheinlich unitär. Da die spätromanischen Ecklisenen nicht überall konsequent gleich enden, läßt dies darauf schließen, daß sie erst durch das Herausnehmen einzelner Quader beim Einbau der gotischen Überleitungsgiebel im unteren Bereich beschädigt und im Anschluß daran nicht mehr zur vollen Form ergänzt wurden.
Die Befunde an der Vorhalle des Riesentores
Die älteste, für die Bauforschung verwertbare Darstellung des Riesentorvorbaus ist uns in der Nordwestansicht im Heilthumbuch von 1502 überliefert (Abb. 10). Sie zeigt den Vorbau mit dem umlaufenden Sockel und dem äußeren Friesband; darüber liegen, summarisch angedeutet, zwei hochrechteckige Nischen und knapp unter dem Dachgesimse fünf weitere Nischen. Daß mit letzteren tatsächlich die Nischen und nicht die Konsolen gemeint sind, geht aus einem Vergleich der wesentlich kleiner wiedergegebenen Konsolen der Dreipaßfriese an den Heidentürmen hervor. Der gesamte Vorbau hebt sich durch das Fehlen einer Schraffur weiß von der sonst dunkel schraffierten Fassadenfläche ab. Erika Doberer hat diese Differenzierung in der Signatur der Fassadendarstellung als Hinweis auf einen "neuen, eben erst vollendeten Bau" aus der Zeit um 1500 interpretiert [51]. Allerdings tragen auch die Vorderflächen der sicher aus dem 13. Jahrhundert stammenden Dreipaß- und Rundbogenfriese und die Überleitungsgiebel aus dem 14. Jahrhundert keine Schraffur, sodaß die Schraffuren der Fassade nicht als Signaturen des Erhaltungszustandes aufgefaßt werden können, sondern als Kunstgriff des Holzschneiders. Er hebt so nahezu alle vortretenden Teile von der dunklen Fassadefläche ab. Der Holzschnitt von 1502 belegt somit erneut, daß der Riesentorvorbau schon um 1420/30 im Zusammenhang mit der Errichtung des gotischen Westfensters rudimentiert wurde und daher seine Errichtung in eine Zeit fällt, die vor den von Erika Doberer festgestellten romanisierenden Eingriffen um 1500 liegt.
Über den Zustand des Riesentorvorbaus vor 1880 gibt die bereits erwähnte Detailaufnahme (Abb. 5) mit dem Rokokogitter Auskunft. Die Sockelzone mit den oben einfach abgeschrägten Profilen endet - wie heute - vor der Portalöffnung. Stilistisch und petrographisch gehört sie nicht zum Altbestand des 13. Jahrhunderts und stammt wahrscheinlich aus der Barockzeit. Da das Rokokogitter an der Frontseite angeschlagen war und sich, abweichend vom jetzigen Gitter, nach außen öffnen ließ, mußte dieser Sockel im Bereich der Portalöffnung ausgespart werden. Zur Konstruktion des Rokokogitters gehörten weiters zwei Befestigungshäken an den Ecken des Vorbaus. Die Reste der eisernen Befestigungsösen stecken noch heute im Quaderwerk, desgleichen haben sich die Kratzspuren der Haken erhalten. An der linken Seite wurden diese Kratzspuren durch eine Mörtelschicht teilweise verdeckt; der sogenannte "Brotlaib" über den eisernen Maßstäben ist somit kein "Normmaß", sondern eine Ausflickung der Restaurierung von 1880.
Die rechte Ecke des Vorbaus ist nischenartig abgefast. Bei Carl Schütz wird hier eine kleine, leere Figurennische angegeben. Die jetzige Abfasung dürfte von Leopold Ernst stammen, der 1863 die "Pfeiler der Vorhalle" restaurierte [52]. In Höhe der ursprünglichen Nische befindet sich heute ein Quader, der grob mit dem Zahneisen zugerichtet wurde.
Der Birnstab des Spitzbogens weist starke Beschädigungen auf. Bemerkenswert ist, daß im linken unteren Drittel des Birnstabes auf der Photographie (Abb. 5) eine Reihe von regelmäßigen Bohrungen zu erkennen ist, deren Zweck nicht geklärt werden konnte [53].
Bei der Restaurierung durch Friedrich v. Schmidt (1880) [54] wurden die Quader der linken Torwange weitgehend erneuert, bei der rechten behielt man den Orthostaten, welcher die Scharnieren des Rokokogitters trug, bei. Vom Spitzbogen wechselte man nur die Steine des Birnstabes aus; das übrige Profil mit der tief unterschnittenen Kehle gehört dem Altbestand an. Bei der Errichtung des jetzigen Steindaches wurde das Kranzgesimse fast zur Gänze erneuert. Ein erhaltenes Profil weist Stilmerkmale der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf.
Die petrographische Untersuchung am Vorhallenbau ergab, daß lediglich die Figur des hl. Stephan, die Stabwerkskapitelle und die Basen, die Altteile des Kranzgesimses sowie ein Werkstück im linken Portalfries materialmäßig der Reromanisierung um 1500 zuzuschreiben sind. Die übrigen Plastiken und die Quader der Nischen, soweit sie nicht im 19. Jahrhundert erneuert wurden, gehören dem spätromanischen Bestand an. Bezüglich der Werkzeugspuren deckt sich dieses Ergebnis mit dem petrographischen Befund. Sämtliche Innenflächen der Nischen weisen kreuzförmig geführte Hieblagen der Steinhacke ("Fläche") auf. Daraus folgt, daß die Nischen nicht nachträglich aus der Vorhallenwand herausgearbeitet wurden, sondern bereits vor dem Versetzen fertig bearbeiten waren. Dies gilt auch für die südliche "Greifennische", welche sich mit ihrer rechten Flanke schräg nach außen öffnet. Lediglich die "Stephanusnische" wurde nach unten um ca. 5 cm erweitert, was aus dem Fugenverband hervorgeht.
Über der Reihe der Konsolköpfe konnten die bereits bekannten Abarbeitungsspuren der Halbsäulchen näher untersucht werden. Im rechten Frontteil hat sich dabei die Abrißspur eines Kapitells erhalten, welche die von Schmidt angenommene Rekonstruktion eines abschließenden Bogenfrieses bestätigt. Eine nähere Formbestimmung des Frieses kann aus den Befunden nicht erschlossen werden, doch läßt sich die ungefähre Höhenerstreckung des romanischen Vorbaus abschätzen, der maximal zwei Quaderlagen über dem gotischen Kranzgesimse geendet haben müßte.
Sowohl die bereits bei der Behandlung der unteren Fassadenzone beschriebenen Befunde, als auch jene des Vorbaus selbst sprechen dafür, daß die Vorhalle in ihrem prinzipiellen Aufbau in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet wurde, wobei ein Planwechsel in Höhe des äußeren Ornametfrieses stattfand. Die romanisierenden Veränderungen am Außenbau der Vorhalle beschränkten sich aus der Sicht der Bauforschung lediglich auf die unteren Teile der Portalgliederung und die Vervollständigung der figuralen Ausstattung durch die Stephanusfigur, während die Anordnung der Figurennischen zum Konzept des 13. Jahrhunderts gehört. Gleiches dürfte für den Spitzbogen gelten.
Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick.
Vom Bau des 12. Jahrhunderts waren bis zur Restaurierung ab 1897 auch am Außenbau Teile der Sockelzone erhalten. Diese Gliederungselemente waren beim Neubau im 13. Jahrhunderts mitbestimmend und wurden bis in die Zone der romanischen Rundfenster bzw. bis in Höhe des zweiten Dreipaßfrieses beibehalten. Die Fassade des 12. Jahrhunderts wurde daher nicht im 13. Jahrhundert ummantelt, sondern unter Beibehaltung des älteren Gliederungssystems in veränderter Struktur (Risalit) fortgeführt. Der Vorhallenbau gehört bereits zum Konzept des 13. Jahrhunderts, wobei die romanisierenden Veränderungen aus der Zeit um 1500 keinen substanziell einschneidenden Anteil hatten. Die Fortführung der romanischen Fassade über den unvermittelt endenden Kantengliederungen des Mittelrisalits markieren einen weiteren Planwechsel im 13. Jahrhundert.
Bei der Fassadenerweiterung durch die beiden Westkapellen im 14. Jahrhundert entstanden die Überleitungsgiebel und die Umformung der Kantenlisenen an den oktogonalen Turmteilen mit Konsolen.
Im 15. Jahrhundert erbaute man die obere Fassadenwand, senkte wegen des großen Westfensters die romanische Vorhalle um maximal zwei Quaderlagen ab und gotisierte die Helme der Heidentürme mit einer Steinverkleidung.
Die Restaurierungen des 19. Jahrhunderts blieben nicht auf eine konservierend-reproduzierende Tätigkeit beschränkt, sondern nahmen vor allem unter Julius Hermann "stilkorrigierende" Veränderungen im Sockelbereich des 12. Jahrhunderts und bei den Zierformen vor. Durch diese Maßnahmen wurden die in unterschiedlichen Phasen errichteten Teile der romanischen Fassade stilistisch vereinheitlicht und die Bauzäsuren zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert im Bereich der Überleitungsgiebel beseitigt.
Die hier skizzierten Ergebnisse der Baubefundungen an der Westfassade stellen einen ersten Forschungsansatz dar, der durch weitere Untersuchungen, vor allem im Inneren der Westanlage und der Kapellen, überprüft und erweitert werden soll. Ein zusätzlicher Punkt wird die Einbeziehung der noch in Bearbeitung befindlichen Untersuchungen zur Bauplastik sein, von denen unter anderem eine "Feinchronologie" der Bauphasen erwartet wird.
Ein wesentlicher Anteil an der differenzierten Darstellung der Baugeschichte beruht auf der petrographischen Bestandsaufnahme, die - wie etwa im Falle des Riesentorvorbaus - eine zeitliche Absicherung der Baubefunde aus der Sicht der Gesteinsverwendung ermöglicht. Darüber hinausgehend können aufgrund der petrographischen Untersuchung Rückschlüsse auf den Baufortschritt gezogen werden, die methodisch durch Bauforschung und Kunstgeschichte nicht erfaßt werden können. Exemplarisch sei hier auf die Problematik der Westkapellen verwiesen: Sie zeigen eine periodische Abfolge von wiederverwendetem romanischen Altmaterial und Gesteinen des 14. Jahrhunderts, die stratigraphisch bei der nördlichen Kapelle genau umgekehrt verläuft wie bei der südlichen. Dies läßt auf eine unterschiedliche Bauabfolge schließen, da während des Baugeschehens offensichtlich nur zu bestimmten Zeiten Abbruchmaterial vom spätromanischen Dom zur Verfügung stand, ohne daß beim gegenwärtigen Forschungsstand die Prioritätsfrage gelöst werden kann. Die Klärung dieses Problems steht aber andererseits mit der Herkunft dieser Altgesteine - vom Chor oder vom Langhaus - in Verbindung und würde Aufschluß über den zeitlichen Ablauf beim Bau des gotischen Langhauses geben.
Dieses Beispiel zeigt, daß die zahlreichen noch offenen Fragen der Bau- und Kunstgeschichte nicht allein durch Teilbeobachtungen eines Fachbereiches gelöst werden können, sondern nur durch eine intensive Zusammenarbeit geistes- u n d naturwissenschaftlicher Disziplinen, welche die Beurteilung des gesamten Domes zum Ziel haben - ein Forschungsvorhaben, das letztlich einen der Eckpfeiler in der denkmalpflegerischen und kunsthistorischen Beurteilung bildet.
ANMERKUNGEN
[H. W. Müller et. al.] H. W. Müller, A. Rohatsch, B. Schwaighofer, F. Ottner und A. Thinschmidt, Gesteinsbestand in der Bausubstanz der Westfassade und des Albertinischen Chores von St. Stephan, in: Österr. Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege XLVII, H. 3/4, 1993, S. 106ff. Faltplan.
[1] E. Melly, Das Westportal des Domes zu Wien, in seinen Bildwerken und ihrer Bemalung, Wien 1850.
[2] F. X. Kleindienst, Die Restauration des St. Stephansdomes in Wien in den Jahren 1853 bis 1880, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, IV. Jg., 1884, S. 100.
[3] F. Schmidt, Ueber die zwei älteren Bauepochen der Domkirche zu St. Stephan, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, I. Jg., 1881, S. 1f und 6f.
[4] F. Schmidt, Das Riesenthor des Domes zu St. Stephan in Wien, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, II. Jg., 1882, S. 37.
[5] W. A. Neumann, Chronologie der Domportalfrage aus dem amtlichen Materiale des Dombauvereins-Ausschusses, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, XXI. Jg., 1902, S. 35f. - Derselbe, Beiträge zur Riesentorfrage, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, XXI. Jg., 1902, S. 37ff.
[6] P. Müller, Das Riesenthor des St. Stephansdomes zu Wien. Seine Beschreibung und seine Geschichte, Innsbruck 1883 (Sonderdruck). Vgl. dazu die polemische Rezension von W. A. Neumann, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, III. Jg., 1883, S. 76.
[7] H. Swoboda, Zur Lösung der Riesentorfrage. Das Riesentor des Wiener St. Stefansdomes und seine Restaurierung, Wien 1902.
[8] J. Mantuani, Das Riesentor zu St. Stephan in Wien und Fr. v. Schmidts Projekt für dessen Wiederherstellung. Randglossen zu Dr. Heinrich Swobodas Schrift: "Zur Lösung der Riesentorfrage", Wien 1903.
[9] Müller (zit. Anm. 6), S. 55f. Der Vorbau des 14. Jhs. ist "den bestehenden Verhältnissen so verständig angepasst worden, dass er den Uebergang aus der alten romanischen Portalhalle zu dem gothischen Erweiterungsbaue geschickt vermittelt" (S. 56). Hier taucht also erstmals die Hypothese einer historisierenden Umgestaltung des romanischen Portals in der Gotik auf.
[10] Vgl. dazu H. Swoboda, Die Entscheidung in der Riesentorfrage, Wien 1903 (Sonderdruck) und die Rezension von W. A. Neumann, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, XXII. Jg, 1903, S. 46ff.
[11] Vorwort zu den Protokollen des Dombauvereines, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, XXII. Jg., 1903, S. 59.
[12] J. Hermann, Ueber die zwei gothischen Bauperioden des St. Stephansdomes, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, XV. Jg., 1895, S. 128.
[13] Hermann (zit. Anm. 12), in: Wiener Dombauvereins-Blatt, XIV. Jg., 1894, S. 122. Vgl. dazu F. X. Kleindienst, Der Stephansdom ein Denkmal der Habsburger, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, II. Jg., 1882, S. 58. Den gleichen Baufortgang nahm F. Schmidt beim ersten Erweiterungsbau an. Siehe Schmidt (zit. Anm. 3.), S. 6.
[14] W. A. Neumann, Die vielnamige Kreuzkapelle und ihre Wohltäter, in: Wiener Dombauvereins-Blatt, IV. Jg., 1884, S. 121, Fußnote 9: "Die schwarzen Steine, die man im Inneren der [Kreuz-]Kapelle sieht, gehören dem alten Baue an." Über die bei den petrographischen Untersuchungen 1992/93 festgestellte tatsächliche Verteilung des romanischen Altmaterials an den Westkapellen vgl. den Beitrag H. W. Müller et al.
[15] K. Oettinger, Die Grabungen von St. Stephan 1945 - 1948, in: Mitteilungen des Institutes für österreichische Geschichtsforschung, LVII. Bd., 1949, S. 339ff.
[16] A. Kieslinger, Die Steine von St. Stephan, Wien 1949, S. 222ff. Die Publikation stellt die bisher umfassendste Darstellung der Bautechnik und einen ersten Ansatz zu petrographischen Untersuchungen des Domes dar.
[17] F. Kieslinger, Unser Dom. Bemerkungen über sein mittelalterliches Werden und seine Schöpfer, Wien 1952 (Sonderdruck), S. 5.
[18] J. Zykan, Zur Baugeschichte der romanischen Stephanskirche in Wien, in: Ausstellung "Romanische Kunst in Österreich", Krems a. D. 1964, S. 261ff.
[19] E. Doberer, Der plastische Schmuck am Vorbau des Riesentores, in: Festschrift Karl Oettinger, Erlanger Forschungen A 20, 1967, S. 353ff.
[20] Doberer (zit. Anm. 19), S. 360.
[21] J. Zykan, Das romanische "Westwerk" von St. Stephan in neuer Sicht nach den Fundamentuntersuchungen des Jahres 1970, in: Mittn. der Gesellschaft für vergleichende Kunstforschung, Jg. 24, 1972, Nr. 3, S. 14ff.
[22] J. Zykan (zit. Anm. 21), S. 16.
[23] Über den Einfluß des Passauer Domes auf die romanische Architektur in Österreich vgl.: M. Schwarz, Die Vorbildwirkung des Passauer Domes auf die österreichische Architektur des Hochmittelalters, in: K. Möseneder (Hrsg.), Kunst in Passau. Von der Romanik zur Gegenwart, Passau 1993, S. 9ff. Schwarz (ebenda, S. 12) identifizert die bei Sadeler wiedergegebene Westanlage des Passauer Domes mit dem Bau Bischof Pilgrims (reg. 971 - 991). Bezüglich St. Stephan in Wien bleibt die bislang in der Literatur unwidersprochene Hypothese E. Doberers bei Schwarz (ebenda, S. 16f und 25f) unberücksichtigt.
[24] O. Harl, Archäologische Beiträge zur Baugeschichte des Westwerks von St. Stephan in Wien, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, XLIV, 1990, S. 39ff. (Mit weiteren Befunden zu seinen Grabungen von 1979). Die noch nicht umgezeichneten und ausgewerteten Befundpläne der durch Baustatiker durchgeführten Fundamentuntersuchungen (September bis November 1970) wurden erstmals abgedruckt in: O. Harl, Archäologische Ergebnisse aus dem Bau der U 1 für die mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte Wiens, Studien 79/80 aus dem Historischen Museum der Stadt Wien, hrsg. von R. Waissenberger = Wiener Schriften, 44, 1980, S. 41 und Abb. 25 - 33.
[25] Harl, Westwerk (zit. Anm. 24), S. 47: "Am ehesten kommt dafür, einer mündlich geäußerten Vermutung von E. Doberer entsprechend, die späte Gotik in Frage, die Zeit vor 1474, da die Türme auf dem Altar des Schottenmeisters, der vor 1474 entstanden ist, in der heute bekannten Gestalt erscheinen."
[26] M. Zykan, Der Westbau von St. Stephan. Zur Forschungslage und aktuellen Problematik, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege, XLIV, 1990, S. 47ff.
[27] Kommission für Kunstgeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Dombauhütte von St. Stephan und Bundesdenkmalamt.
[28] Siehe E. Bacher, Bauforschung in St. Stephan, in: Der Dom, Mitteilungsblatt des Wiener Domerhaltungsvereines, Folge 1, 1992, S. Für die Zusammenfassung der bisherigen wissenschaftlichen Forschung siehe: M. Zykan, Der Stephansdom, Wien 1981.
[29] Vgl. dazu die Angaben im Beitrag H. W. Müller et al.
[30] Referate anläßlich einer Arbeitssitzung im Jahre 1991 durch G. Seebach (Bauforschung) und R. Wlattnig (Konsolplastik und Wasserspeier).
[31] Die Untersuchungen im Inneren des Riesentores bleiben aus technischen Gründen einer späteren Arbeitsetappe vorbehalten. Die Auswertung der von F. Dahm 1992 im Rahmen eines Projektes des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich durchgeführten Untersuchungen an der Bauplastik sind noch in Bearbeitung.
[32] Zur Entstehungsgeschichte des Stiches siehe: H. Tietze, Stadtregulierungsfragen im alten Wien, in: Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale, Bd. III., 1909, S. 153f.
[33] Die Aufnahme zeigt noch das Rokokogitter der Vorhalle. Es wurde 1880 durch das heutige, vom Hofschlosser Anton Biro gestiftete, ersetzt.
[34] Das Epitaph des Simon Rückhenpaum an der rechten Wandvorlage neben dem Riesentor fehlt auf dem Foto bereits. Es wurde kurz vor 1894 abgenommen und in der Dombauhütte restauriert (Wiener Dombauvereins-Blatt, S. 134). Hingegen ist das an der linken Vorlage 1895 abgenommene und in der Dombauhütte restaurierte Epitaph des Sewastian Khobler von St. Gallen noch in situ. Beide Epitaphien wurden 1896 an ihre heutige Stelle im rechten Wandfeld des südlichen Heidenturmes transferiert (Wiener Dombauvereins-Blatt, S. 137 und 159).
[35] Lediglich der hohe Sockel weist an der Ecke eine Abschrägung auf, die jedoch nicht mit einer eventuell abgewitterten Eckzier in Verbindung gebracht werden kann.
[36] Wiener Dombauvereins-Blatt, XVII. Jg., 1897, S. 159. Restaurierungsvorhaben für 1898. Schlußbericht in Wiener Dombauvereins-Blatt, XI. Jg., 1902, S. 29.
[37] Wiener Dombauvereins-Blatt, XVII. Jg., 1897, S. 159. In die gleiche Zeit fällt die Erneuerung der gesamten Sockelzone. Die Höhe der Auswechslungen an den übrigen Wandvorlagen ist aus der petrographischen Untersuchung bei H. W. Müller et al. ersichtlich.
[38] Sie zeichnet sich durch den Versatz der Lagerfugen aus.
[39] Daß dies tatsächlich so ist, wurde anläßlich einer geodätischen Vermessung der "Fensterebene" durch O. Harl bestätigt. Siehe Harl, Westwerk (zit. Anm. 24), S. 45.
[40] Es wäre denkbar, daß vor dem Planwechsel bereits Teile des inneren Kämpferfrieses fertiggestellt waren, die dann wenig sorgfältig dem zweiten Portalplan eingebunden wurden. Hier sind erst die Ergebnisse einer noch zu leistenden Bauuntersuchung abzuwarten.
[41] F. X. Kleindienst (zit. Anm. 2), in: Wiener Dombauvereins-Blatt, V. Jg., 1855, S. 155f.
[42] ebenda.
[43] Wiener Dombauvereins-Blatt, II. Jg., 1882, S. 27.
[44] Friedrich von Schmidt berichtet (Wiener Dombauvereins-Blatt, II. Jg., S. 27), daß er bei der Restaurierung dieser Wandteile die Abrißspuren der Vorhallenbekrönung nachweisen konnte.
[45] Wiener Dombauvereins-Blatt, II. Jg., S. 27.
[46] Berichte der Dombauhütte in: Wiener Dombauvereins-Blatt, VIII. Jg., 1897 bis XXII. Jg., 1903.
[47] Wiener Dombauvereins-Blatt, XIX. Jg., 1899, S. 193.
[48] Wiener Dombauvereins-Blatt, XVIII. Jg., 1898, S. 169.
[49] Die Giebel liegen heute unterhalb der neuen Betondecke der Seitenschiffböden von 1945. Sie sind jedoch auf den 1945 photographierten Aufnahmen vom zerstörten Dom zweifelsfrei zu erkennen.
[50] M. Zykan (zit. Anm. 26), S. 50.
[51] Doberer (zit. Anm. 19), S. 355.
[52] Kleindienst (zit. Anm. 2), in: Wiener Dombauvereins-Blatt, V. Jg., 1855, S. 155.
[53] Wäre es denkbar, daß sie der letzte Rest der Unterschneidungen eines spätromanisch-normannischen Gitterdekors sind, der im 15. Jahrhundert abgeschlagen wurde?
[54] Kleindienst (zit. Anm. 2), in: Wiener Dombauvereins-Blatt, V. Jg., 1855, S. 155.
ABBILDUNGEN
Wien, St. Stephan, Fassadenplan; gesteinskundliche Zusammensetzung der Westfassade. Quelle: H. W. Müller et al.
.
Abb. 1 Wien, St. Stephan, Westansicht; Kupferstich von Carl Schütz, 1792.
.
Abb. 2 Wien, St. Stephan, Westansicht von Carl Schütz; Detail der nördlichen Fassadenwand mit barocker Sockelgestaltung.
.
Abb. 3 Wien, St. Stephan, Westansicht von Carl Schütz; Detail der südlichen Fassadenwand mit barocker Sockelgestaltung.
.
Abb. 4 Wien, St. Stephan, Südwestansicht, Photographie von A. Groll (bez. 1866). Die Aufnahme zeigt den Zustand vor der Restaurierung durch Friedrich v. Schmidt.
.
Abb. 5 Wien, St. Stephan, Westansicht des Portalvorbaus mit dem 1880 entfernten Rokokogitter. Am Spitzbogen links Bohrungen im "Birnstabprofil. Am rechten Fassadenpfeiler befindet sich noch das Rückhenpaum-Epitaph.
.
Abb. 6 Wien, St. Stephan, Westansicht, um 1894; Detail der linken Fassadenhälfte. Die romanischen Sockel- und Basenprofile sind durch schräge Platten ersetzt. Über dem Vorbau Abwitterungen (vielleicht die von Schmidt beobachteten Abrißspuren des ursprünglich höheren romanischen Vorbaus?).
.
Abb. 7 Wien, St. Stephan, Westansicht, um 1894; Detail der rechten Fassadenhälfte. Die Fehlstelle am Fassadenpfeiler läßt am Lagerfugenversatz die Baufuge zwischen dem Pfeiler des 12. Jahrhunderts und der Vorhallenwand des 13. Jahrhunderts erkennen. Die Doppellisene besitzt noch das ursprüngliche Sockel- und Basenprofil des 12. Jahrhunderts ohne Ecksporne.
.
Abb. 8 Wien, St. Stephan; Detail in der nördlichen Vorhallenwand. Im Bereich der Sohlbank des Wendeltreppenfensters endet die Baufuge von 1898 unmittelbar an der Vorhallenwand, oberhalb des Frieses beginnt der einheitliche Bauverband des spätromanischen "Mittelrisalits".
.
Abb. 9 Wien, St. Stephan, Detail der Westwand des südlichen Kapellenanbaus (Herzogenkapelle, 14. Jh.) Am linken und oberen Bildrand "Schattenriß" der Konsole für das Prügl-Epitaph. Die angrenzende Fläche liegt ca. 5 mm tiefer als die der Konsole. Unterhalb der Volute Spuren des Zahneisens, rechts davon Abstockung (1897ff).
.
Abb. 10 Wien, St. Stephan, Nordwestansicht; Holzschnitt aus dem Heilthumbuch von 1502.
ABBILDUNGSNACHWEIS
Abb. 1 - 3, 5 - 7, 10 Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek.
Abb. 4 Bundesdenkmalamt, Wien
Abb. 8 - 9 R. Koch (Forschungsapparat, Österr. Akademie der Wissenschaften, Kommission für Kunstgeschichte)
H. W. Müller, A. Rohatsch, B. Schwaighofer, F. Ottner und A. Thinschmidt, Gesteinsbestand in der Bausubstanz der Westfassade und des Albertinischen Chores von St. Stephan, in: Österr. Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege XLVII, H. 3/4, 1993, S. 106ff. Faltplan
>
Kommentare
Kommentar veröffentlichen