Katalogtexte zur früh- und hochmittelalterlichen Architektur in Österreich
Katalogtexte zur früh- und hochmittelalterlichen Architektur in Österreich
Ortsregister
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Bischofshofen (Sbg.)
ehemaliges Kloster Maximilianszelle, jetzt Pfarrkirche hl. Maximilian.
Flachnischenbau mit Querhaus; frühmittelalterlich, 8. - 9. Jahrhundert.
Aus den Schilderungen der wundersamen Ereignisse um die Gründung der Maximilianszelle im Pongau in den ältesten Salzburger Güterverzeichnissen, den "Notitia Arnonis" (788 - 790) und den "Breves Notitiae" (nach 798), reiste der hl. Rupert nach Pongau, um dort eine Kirche und ein Kloster zu errichten. Die Weihe erfolgte 711/712 im Beisein Herzog Theodos. Um 720 zerstörten die Slawen das Kloster. Bis zum Sturz Tassilos III. im Jahre 788 war die Maximilianszelle Eigentum der Albina-Sippe, dann bewirkte Erzbischof Arno (785 - 821) bei Karl dem Großen die Rückstellung des Klosters an das Bistum Salzburg. 820 wurde das Kloster erneut durch die Slawen zerstört, jedoch im Jahr darauf neu geweiht.
Im 12. Jahrhundert errichtete Erzbischof Konrad I. (1106 - 1147) in Bischofshofen ein Augustiner-Chorherrenstift. Ob es sich dabei um eine Regulierung des frühmittelalterlichen Missionsklosters handelte, bleibt allerdings ungeklärt, da bei den archäologischen Sondierungen (1953) keine baulichen Reste des Klosters aus dem 8. Jahrhundert gefunden werden konnten. Zwischen 1209 und 1403 wurde das Kloster aufgelöst; die Maximilianskirche ist seither Pfarrkirche. Ab 1216 war die Kirche bis 1807 im Besitz des Bistums Chiemsee.
An die gotische, dreischiffige, dreijochige Staffelkirche schließen ein im Kern romanisches Querhaus und ein zweijochiger Polygonchor des 14. Jahrhunderts an. Die Grabungen im Querhausbereich erbrachten einen Flachnischenbau mit fünf Nischen und ein älteres Querhaus. Vor der Nischenwand befand sich eine Stufe und vor den Wandpfeilern, zwischen den Nischen eine weitere Stufe als Basis für gekuppelte Wandvorlagen mit Stuckdekor (?). Möglicherweise lag unter der Hauptnische ein Tiefraum (eine Kapelle des hl. Rupert oder eine Krypta?).
Die Datierung der nicht vollständig erfaßten Nischenkirche schwankt zwischen dem 8. und dem 11. Jahrhundert. Nach Juraschek spricht der gerade Abschluß der durch enge Nischen ausgehöhlten Ostwand für die Frühdatierung, vergleicht man damit etwa die Ostwand von St. Benedikt in Mals (Südtirol), oder die Saalkirche von S. Maria di Aurona in Mailand (vor 740), bei der außen gerade geschlossene Rechtecknischen eine Mittelapsis begleiten. Nach K. Czerwenka wäre der Nischenbau mit dem Weihedatum von 821 in Verbindung zu bringen.
Literatur: Schaffran, Bischofshofen, 1954, 32f. - Juraschek, Bischofshofen, Bericht, 1956. - Juraschek, Bischofshofen, 1956, 6 - 13. - Janotta, Bischofshofen, 1977, 73 - 88. - Dopsch, Bischofshofen, 1984, 61 - 64. - Apfelthaler, Bischofshofen, 1984, 153 - 164. - Czerwenka, Architektur, 1992, 93 - 96.
Bregenz-Mehrerau (Vlbg.)
Benediktinerkloster.
Dreischiffige, sechsjochige Säulenbasilika mit Querschiff und geradem Chorschluß; 1097 begonnen.
Über die Gründungsumstände der Klosterniederlassung zu "St. Peter in der Au am See" sind nur wenige Angaben in der Mitte 12. Jahrhunderts entstandenen Chronik des Klosters Petershausen überliefert. Demnach wäre unter Abt Theoderich von Petershausen zuerst in Andelsbuch, dann in Bregenz eine kleine Kirche und das Kloster aus Holz errichtet worden. Ein in den romanischen Boden des südlichen Querschiffs eingelassenes Bruchstück einer Flechtwerkplatte aus dem 8. Jahrhundert ist der einzige Hinweis auf eine frühmittelalterliche Bautätigkeit, da sich bei den 1962 durchgeführten Grabungen keine Fundamente einer vorromanische Klosterkirche in Mehrerau nachweisen ließen.
Die Grundsteinlegung der Steinkirche, welche auf dem von Graf Ulrich X. von Bregenz und seiner Gemahlin Bertha, Tochter König Rudolfs von Rheinfelden, gestifteten Grund errichtet wurde, erfolgte 1097 durch Bischof Gebhard III. von Konstanz, der zuvor Mönch in Hirsau war. Laut Überlieferung aus dem 16. Jahrhundert soll die Klosterkirche erst 1125 geweiht worden sein. Sie wurde ab 1740 durch einen barocken Neubau ersetzt; der heutige Bau entstand ab 1808.
Den 1962 ergrabenen Fundamenten nach war der romanische Bau eine dreischiffige, sechsjochigen Säulenbasilika mit weit ausladendem Querschiff und gerade geschlossenem Mittelchor, an den in Breite der Seitenschiffe Nebenchöre anschlossen. Beim neoromanischen Neubau wurde die Langhausbreite und annähernd die Lage des Querhauses übernommen. Aus Beschreibungen vor dem Abbruch ist zu entnehmen, daß die Seitenchöre sich gegen den Mittelchor in zwei Arkaden öffneten und die Vierung durch einen ungegliederten quadratischen Turm überhöht wurde. Wie K. Spahr nachweisen konnte, orientiert sich die Mehrerauer Basilika an Reformbauten in Hirsau (St. Peter und Paul) oder Alpirsbach im Schwarzwald.
Literatur: Spahr, Mehrerau, 1965, 1 - 9. - Vonbank, Bregenz-Mehrerau, 1965, 9 - 24. - Czerwenka, Architektur, 1992, 158f.
Eisenreichdornach (NÖ.)
Filialkirche hl. Agatha.
Apsidensaal; 9. Jahrhundert.
Chorquadratkirche; romanisch, 13. Jahrhundert.
Der Ortsname geht vermutlich auf Isanrich, Sohn des Markgrafen Aribo (9. Jahrhundert), zurück. Der Ort war vom 9. Jahrhundert bis 1788 im Besitz der bayerischen Benediktinerabtei Metten und wurde 1128 erstmals urkundlich erwähnt.
Durch die Grabungen von G. Melzer (1973) konnte - über römischen Mauerzügen - als erster Sakralbau ein Apsidensaal erschlossen werden, der im 13. Jahrhundert durch eine Chorquadratkirche überbaut wurde. Um 1513 wurde das Langhaus des 13. Jahrhunderts durch einen polygonalen Langchor mit Sakristei erweitert.
An den annähernd im Verhältnis von 1 : 2 proportionierter ersten Saalraum schloß ohne Einziehung eine leicht oblonge langgezogene Apsis an. Der kapellenartige Grundrißtypus wird aufgrund der Besitzverhältnisse mit "Baugepflogenheiten" (K. Czerwenka) des bayrischen Kloster Metten in Verbindung gebracht, wobei die Datierung ins 9. Jahrhundert durch Keramikfunde untermauert werden kann. Eine ähnlich oblonge Apsis konnte beim Erstbau der Pfarrkirche von Kirchdorf (T) aus dem 7. - 8. Jahrhundert ergraben werden.
Literatur: Melzer, Eisenreichdornach, 1973, 123 - 125. - Moßler, Kirchengrabungen, 1976, 449. - Czerwenka, Architektur, 1992, 7f.
Göß bei Leoben (Stmk.)
Ehemaliges Benediktiner-Nonnenstift.
Ehemalige Stiftskirche hl. Maria und hl. Margaretha, seit 1782 Pfarrkirche hl. Andreas.
Göß I: Dreischiffige flach gedeckte Basilika (Rekonstruktion), Hallenkrypta mit Umgang; vor 1020.
Göß II: Neu- oder Wiederaufbau inkorporierter Osttürme; 1. Hälfte 12. Jahrhundert.
König Ludwig das Kind schenkte 904 dem Grafen Arpo (Aribo) 20 Königshuben beidseits der Mur. Dieses Schenkungsgut verwendeten um 1000 der bayrische Pfalzgraf Aribo II. und seine Gattin Adala für die Gründung des ersten steirischen Klosters. Ihr Sohn, Aribo III., schloß 1020 die Stiftung ab und übergab sie im Beisein des Papstes Benedikt VIII. dem Schutz Kaiser Heinrichs II., der dem Stift die Immunität verlieh. Die Erhebung zur reichsunmittelbaren Abtei - der einzigen Österreichs - entzog das Stift dem unmittelbaren Einfluß des Salzburger Metropoliten und kann nur im Zusammenhang mit der politischen Stellung Aribo III. gesehen werden. Aribo III. war Erzdiakon von Salzburg, Blutsverwandter und Kapellan des Kaisers, ab 1021 - 1031 Erzbischof von Mainz und Erzkanzler. Aribos Schwester Kunigunde trug als erste Äbtissin auch den Titel einer geistlichen Reichsfürstin. Die Besiedlung erfolgte durch Benediktinerinnen bzw. Kanonissen des Stiftes Nonnberg (Sbg.) Bei der Übergabe 1020 waren Stift und Kirche bereits eingerichtet.
Die der hl. Maria und hl. Margaretha geweihte Stiftskirche übernahm um 1070 auch die Funktion der Pfarrkirche. Diese Funktion ging jedoch unter dem Einfluß der Hirsauer Reform zwischen 1177 und 1188 auf die neu erbaute Andreas-Kirche über. Seit der Aufhebung des Stiftes 1782 dient die Stiftskirche wieder als Pfarrkirche von der sie das Patrozinium des hl. Andreas übernahm. Von 1783 - 1800 war Göß Bischofsresidenz des durch Kaiser Joseph II. errichteten Bistums Leoben.
Die Stiftskirche, eine sechsjochige, dreischiffige Hallenkirche von 1510 - 1522, an die ein erhöhter zweijochiger Langchor von 1338 anschließt, trägt über den östlichsten Seitenschiffjochen ein romanisches Ostturmpaar, das 1868 noch um zwei Geschosse erhöht wurde. Zwischen den Turmjochen befindet sich unter dem gotischen Chor eine dreischiffige Hallenkrypta mit Umgang, der jedoch - ebenso wie die zugehörige Apsis - durch den gotischen Chorbau zerstört wurde.
Die erste Klosterkirche von Göß, welche bei der Übergabe des Klosters 1020 bereits fertiggestellt war, kann als dreischiffige flachgedeckte Pfeilerbasilika mit sechs quadratischen Seitenschiffjochen, denen drei Mittelschiffjoche entsprachen, rekonstruiert werden, sodaß sich die Länge des Kirchenschiffs zur Breite wie 3 : 2 verhielt. Die Langhausbreite wurde beim spätgotischen Neubau beibehalten, während man das gotische Kirchenschiff um ein Joch nach Westen erweiterte. Dem frühromanischen Langhaus war - ähnlich wie bei der Stiftskirche von Nonnberg (Sbg.) - ein westlicher Kreuzgang vorgelagert. Auch die beiden kapellenartigen Ostjoche der Seitenschiffe, die durch eine Art Triumphbogen vom übrigen Langhaus abgesonderten sind, gehören zum Erstbau von Göß. An sie schlossen ursprünglich zwei schmale Apsiden an, während die Hauptapsis in gleicher Flucht sich in voller Breite zum Mittelschiff öffnete.
Ein ungelöstes Problem bildet die Frage, ob schon der Erstbau über den ausgeschiedenen und kreuzgratgewölbten Ostjochen Türme trug. Am Dachboden über den Seitenschiffen konnte I. Woisetschläger-Mayer eine schräg verlaufende Baunaht zwischen dem Mauerwerk der östlichen Seitenschiffwand und der Turmwand feststellen, welche sich auch durch das Mauerwerk unterscheidet. I. Woisetschläger-Mayer nimmt - wie die Forschung seit R. Pühringer - schon für den Erstbau ein Ostturmpaar an, welches jedoch nach einem Brand, der allerdings nicht urkundlich belegbar ist, mit vier Obergeschossen wieder aufgebaut wurde. Die Datierung stützt sich dabei auf die Form der gekoppelten Rundbogenfenster mit einfachen Kämpferplatten in der ehemaligen Glockenstube. W. Deuer hingegen sieht in der Baunaht eine ehemalige Giebelschräge, welche beim frühromanischen Bau das Pultdach des Seitenschiffs trug. Die Stiftskirche wäre somit entgegen der bisherigen Forschung als ursprünglich turmlos zu rekonstruieren; erst nach dem Brand, den Deuer zeitlich mit 1100 - 1150 präzisiert, hätte man das Ostturmpaar auf die Giebelschrägen aufgesetzt. W. Deuer versucht dies auch aus der Typengenese zu untermauern, wobei er sich auf die gleichen Beispiele beruft, welche schon R. Pühringer und zuletzt I. Woisetschläger-Mayer für die frühromanische Variante integrierter Ostturmpaare genannt haben. Sicher ist lediglich, daß die vier mittelalterlichen Turmgeschosse substanziell aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts stammen, während das Untergeschoß noch zum Bau des frühen 11. Jahrhunderts gehört. Es erscheint jedoch wenig überzeugend, daß integrierte Ostturmanlagen erst gegen Ende des 11. Jahrhunderts in unser Gebiet kamen und in Verbindung mit drei vorgelegten Apsiden erst ein Charakteristikum des 12. Jahrhunderts sein sollen, wie W. Deuer meint, denn schon bei der 1072 geweihten Benediktinerstiftskirche von Michaelbeuern (Sbg.) kann ein Ostturmpaar in nuce nachgewiesen werden. Gleiches gilt für den Heinrichsbau des Bamberger Domes (ca. 1007 - 1012), wie Grabungen und die Nennung der Türme in Herbords "Vita Ottonis" belegen. Auf die Möglichkeit, daß ein engerer Zusammenhang zwischen der Gründungsgeschichte der Aribonenstiftung in Göß und dem von Kaiser Heinrich II. gestifteten Dombau in Bamberg bestünde, hat bereits R. Wagner-Rieger hingewiesen. In diesem Sinne wäre eine Ableitung der inkorporierten Osttürme in Göß von schwäbisch-hirsauischen Vorbilder ebenso hinfällig, wie die prinzipielle Spätdatierung in die zweite Bauphase.
Die dreischiffige, dreijochige, kreuzgratgewölbte Hallenkrypta mit tonnengewölbten Umgang wurde ursprünglich durch seitliche Eingänge am Triumphbogen erschlossen, wobei die Außenmauern des Umganges zugleich die Fundamente für die Mittelapsis bildeten. Im Barock ersetzte man die Zugänge durch eine Stiegenanlage im Nordturm und im Langhaus.
Die wenig sorgfältig geformten Kreuzgratgewölbe des kleinen Vierstützenraums werden durch sichelförmige Gurtbögen unterteilt. Die nordwestliche Säule mit Spiralkannelur ist eine monolithe Spolie, die von einer bei Donawitz lokalisierten antiken Grabkapelle stammt. Das südliche Pendant ist unprofiliert und aus zwei Teilen zusammengesetzt. Die basenlosen Ost-Pfeiler tragen Trapezkapitelle aus Tuff. R. Pühringer hat erstmals darauf hingewiesen, daß die einfache Pfeilerform, die Pyramidenstumpfkapitelle und die Gewölbe mit den sichelförmig heruntergezogenen Gurtbögen Merkmale einer Gruppe schwäbischer bzw. baden-württembergischer Krypten sind, welche die Krypta von Göß als Werk des frühromanischen Erstbaus ausweisen. Der Vierstützenraum mit halbkreisförmigem Abschluß kann als Typus schon im Frühmittelalter nachgewiesen werden. Auffallende Übereinstimmung besteht mit der Krypta der Stiftskirche von Amsoldingen (Kanton Bern, Ende 10. - Mitte 11. Jahrhundert) und der Pfarrkirche von Ladenburg (Baden-Württemberg, 2. Viertel 11. Jahrhundert). Amsoldingen ist außerdem im Grundriß - vor allem in der Gestaltung der Ostteile ohne aufgesetzte Türme - mit Göß verwandt, ohne daß daraus auf eine konkret nachvollziehbare Abhängigkeit geschlossen werden kann. Ganz allgemein werden hier Verbindungen zu Schwaben und den Oberrhein fühlbar, worauf schon R. Pühringer verwiesen hat.
Als zweite Komponente der Krypta von Göß ist der Umgang anzusehen, der durch seine Enge und Art der Wölbung seine Wurzel im Typus der Ringkrypta verrät. Die Krypta könnte in näherem Zusammenhang mit den Grabstätten der Stifterin Adala und der ersten Äbtissin von Göß, ihrer Tochter Kunigunde, stehen, woraus sich vielleicht die Wahl für eine Umgangskrypta erklärt, welche die Memorialfunktion mit der Möglichkeit der Prozession verbindet.
Literatur: Lind, Göß, 1866, 91 - 98. - Pühringer, Denkmäler 1931, 72 - 75. - Woisetschläger-Mayer, Göss, 1961. - Oswald/Schaeffer/Sennhauser, Kirchenbauten, 1966, 23f. und 101. - Deuer, Klosterkirchen, 1980, 9 - 21. - Dehio, Steiermark, 1982, 263 - 266. - Deuer, Göß, 1982, 275 - 302. - Lebenbauer, Göss, 1992. - Wagner-Rieger, Architektur, 1988, 36.
Gurk (Ktn.)
Pfarr- und ehemalige Domkirche Mariä Himmelfahrt
Dreischiffige flach gedeckte Pfeilerbasilika mit Dreiapsidenschluß, Hallenkrypta und westlicher Doppelturmanlage; nach 1131 bis 1179/1180.
Einbau eines Querhauses; nach 1179/1180 bis vor 1220.
898 übergab Kaiser Arnulf einen Hof Gurk und Güter im Gurktal Zwentibolch, einen Vorfahren der Gräfin Hemma. 975 erteilte Kaiser Otto II. ein Privileg für ein bestehendes Nonnenkloster. Zwischen 1043 und 1045 kam es der Überlieferung nach zur Neugründung des Klosters durch Gräfin Hemma, das 1066 als Monasterium Gurk genannt wurde. 1072 stattete Erzbischof Gebhard von Salzburg (1060 - 1088) das Bistum Gurk mit den Gütern des aufgehobenen Klosters aus. 1124 wurde das Domstift gegründet und 1131 erhielt das Bistum eine kleine Diözese. Der Sitz des Bischofs befand sich jedoch im nahegelegenen Straßburg, während in Gurk der Propst und das Domkapitel residierten. Erst unter Joseph II. erhielt Gurk eine größere Diözese zugeteilt; Bistum und Domkapitel gingen in der Folge 1788 nach Klagenfurt.
Der Standort der von Gräfin Hemma im 11. Jahrhundert errichteten Klosterkirche ist ungewiß; Fundamentreste deuten darauf hin, daß sich die Anlage wahrscheinlich westlich des heutigen Domes befand. Dieser wurde unter Bischof Roman I. (1131-1167) begonnen. 1174 erfolgte die Übertragung des Hemma-Grabes in die Kirche und die Weihe der Krypta. Um 1179/1180 führten massive kriegerische Auseinandersetzungen zu einer Bauunterbrechung. Für das Jahr 1200 wird die Weihe des Hochaltars urkundlich überliefert. Dom und Stift waren vor 1220 fertiggestellt und ausgestattet. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts zerstörte ein Brand unter anderem die Westempore. Nach weiteren Bränden wurden der Ostteil der Kirche wiederhergestellt und die Emporen im Querhaus entfernt. Die Schlußweihe erfolgte 1287. Um 1446 ersetzte man die Flachdecke im Querhaus durch Netzrippengewölbe, um 1500 wurden im Chorquadrat Sternrippengewölbe eingezogen. Ein weiterer Brand zerstörte 1525 die hölzerne Langhausdecken, die Netzrippengewölbe im Mittelschiff waren jedoch erst 1591 vollendet. 1779 fiel die Westemporenapsis dem barocken Orgelbau zum Opfer, 1808 vernichtete ein Brand die Dächer, den Giebel der Apsiswand und Teil des östlichen Westemporengewölbes.
Im Grundriß zeigt der Dom eine dreischiffige, fünfeinhalbjochige Pfeilerbasilika mit erhöhtem zweijochigen Chorraum, ein zweijochiges Querhaus und drei gleichfluchtenden Apsiden. Unter dem Querschiff und dem Chor erstreckt sich eine Hallenkrypta. Die westliche Doppelturmfassade trägt über ihrer tonnengewölbten und ursprünglich offenen Vorhalle die zweijochige Bischofskapelle. Die Ostwand der Kapelle öffnet sich in seitlichen Bogenstellungen gegen das Langhaus und war in der Mittelachse bis 1779 durch eine ins Langhaus vorkragende halbrunde Apsis abgeschlossen. Als Substruktion für diesen Kapellenchor diente die Bogenarchitektur der inneren Vorhalle, welche den Westteil des Langhauses um ein halbes Joch hinausschiebt.
Die Außenansicht wirkt in erster Linie durch die Verteilung der Baumassen. Die mächtige Westturmanlage ist bis auf die 1337 abgemauerte Vorhallenöffnung mit seitlich eingestellten Halbsäulen und die Dreifenster-Gruppe der darüberliegenden Bischofskapelle ungegliedert. Gleiches gilt für die Langhauswände, die bis auf den durchlaufenden attisch profilierten Sockel und die Rundbogenfriese keine ausgeprägten vertikalen Gliederungselemente aufweisen. Erst die Apsiden und die oberen Teile des Querhauses sind plastisch durch Wandschichtungen und Säulchen durchgestaltet.
Die drei Apsiden gliedern sich in die reich profilierte Sockelzone über denen Lisenen mit Halbsäulen und vegetabil ornamentierten Kapitellen eine zweistufige Blendarkatur bilden. Jede Apsis wird nur durch ein Rundbogenfenster erleuchtet, wobei jenes der Hauptapsis bis an die Wandgliederung herangeführt und in sechs Abstufungen aufgelöst ist. Die unterschiedliche Wertigkeit in der Dekoration kommt auch in den abschließenden Gesimsen zum Ausdruck: an den Seitenapsiden einfache attisch-romanische Profile, an der Hauptapsis ein Rundbogenfries mit Zierband und Schachbrettfries. Im Scheitel der Hauptapsis wurde als einzige figurale Plastik ein Löwen-Basilisken-Relief (um 1175) angebracht.
Unterschiede in der Farbe und Dimensionierung der Quader am südlichen Seitenschiff lassen deutlich zwei Bauphasen erkennen. Der Bau wurde zunächst ohne die Westtürme bis über den Scheitel des Südportals einheitlich hochgeführt. Das dreifach abgetreppte Portal mit der Halbfigur des segnenden Christus ist mit relativ hohen Wulstbasen und plumpen Würfelkapitellen besetzt, welche noch in die Zeit um 1150 weisen. Die seitlich des Portals angebrachte Bauinschrift nennt einen "WIDO", der nach W. Deuer 1152 auch beim Bau der Turmportale der Stiftskirche von Admont nachweisbar ist.
Nach der Bauzäsur von 1179/1180 kam es offensichtlich zu einem Planwechsel. Die letzten beiden Chorjoche wurden durch erhöhen der Seitenschiffsmauern zu einem Querhaus mit Emporen umgebaut. Diese waren nur über den Dachboden der Seitenschiffe erreichbar. Die Gründe für die Planänderung und die damit verbundene architektonische Aufwertung des Kirchenbaus sind nicht überliefert. Einerseits könnte damit die bischöfliche Funktion der Kirche zum Ausdruck gebracht werden (Schnerich), andererseits könnte man darin eine "Trotzreaktion" der jungen Diözese gegen das Salzburger Erzbistum sehen (Hartwagner). Das Vorbild für die Querhausemporen könnte St. Michael in Hildesheim gewesen sein (1007 - 1033) und über Erzbischof Konrad I. aus Sachsen vermittelt worden sein (Deuer). Die architektonische Kompromißlösung der raumteilenden und schwer zugänglichen Emporen wurde in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts wieder abgetragen, wobei man die beiden Rundbogenfenster der Giebelseiten nach unten verlängerte.
Eine weitere Bauzäsur besteht zwischen den seitlich vorspringenden Westtürmen und dem Langhaus. Die Doppelturmanlage wurde im salzburgischen Einflußbereich durch Erzbischof Konrad I. am Salzburger Dombau um 1127 eingeführt und fand in der Diözese rasche Verbreitung. Die Doppelturmanlage von Gurk dürfte schon von Bischof Roman I. geplant worden sein, doch scheint man den Baubefunden nach erst in der zweiten Bauphase im späten 12. Jahrhundert mit der Ausführung des älteren Konzepts begonnen zu haben. Die innere Vorhalle setzt die Untergeschosse der Türme voraus und kann aufgrund der Kapitelle in die Zeit vor 1200 datiert werden. In die gleiche Zeit führt die Datierung des Westportals (siehe Kat. Nr.). Unter Bischof Walther (1200 - 1213) müssen die Türme bereits über die von ihm gestiftete Bischofskapelle hinaus gediehen sein, den 1214 stiftete der im gleichen Jahr verstorbene Bischof Otto bereits eine erste malerische Ausstattung, die jedoch dem Brand um 1260 zum Opfer fiel.
Literatur: Ankershofen, Gurk, 1856, 229 f. - Schnerich, Gurk, 1883, 16 - 19. - Schnerich, Gurk, 1925. - Löw, Gurk, 1927. - Ginhart/Grimschitz, Gurk, 1930. - Hartwagner, Gurk, 1969. - Pühringer, Denkmäler, 1931, 22 - 31. - Posch, Gurk, 1963. - Deuer, Kärnten, 1988, 230 - 246. - Deuer/Kallen, Gurk, 1995.
Gurk (Ktn.)
Pfarr- und ehemalige Domkirche Mariä Himmelfahrt
Krypta
Hallenkrypta; geweiht 1174.
Die Hallenkrypta wurde für die Stifterin von Gurk, Gräfin Hemma (gest. 1045) errichtet. 1174 wurden ihre Gebeine aus der ehemaligen Marienkirche des 11. Jahrhunderts in die eben fertiggestellte Krypta übertragen.
Die zur Hälfte in die Erde versenkte quadratische Halle erstreckt sich unter den gesamten presbyterialen Bereich und ist von zwei Abgängen von den Seitenschiffen aus betretbar. Die Stützen der Oberkirche ruhen in der Krypta auf drei rechteckigen Pfeilerpaaren auf, wobei das östlichste Pfeilerpaar vor der zweiten Kirchenbauphase (nach 1180) offensichtlich die durchlaufende Stützenreihe der noch querhauslosen Kirche zu tragen hatte. Vom statischen Konzept her gesehen wäre die Krypta als dreischiffige Halle mit Mittelapsis aufzufassen. Durch die Einfügung von 96 gleichartigen monolithen Säulen mit Würfelkapitellen und Basen mit Eckknollen sowie zwei zusätzliche Doppelsäulen vor der korbbogig geschlossenen Mittelapsis entstand der einzigartige Raumeindruck der "hundertsäuligen Krypta". Über den Säulen setzen hochgestelzte Kreuzgratgewölbe an. Die Belichtung dieses Raumes erfolgte ursprünglich nur im Süden und Westen durch kleine Fensteröffnungen, welchen barocke Durchbrüche an der Süd-, Nord- und Apsiswand folgten.
Mit Ausnahme des Hemma-Altares wurden die romanischen Tischaltäre im Barock umgestaltet und neu aufgestellt. Am südöstlichen Kryptapfeiler befindet sich das Hemma-Grab, das unter seiner Marmorverkleidung durch fensterartige Ausschnitteden Blick auf den romanischen Steinsarg mit drei romanischen Tragsäulen (vor 1174?) freigibt. Die außergewöhnlich große Krypta ist zweifellos mit der schon früh umfangreich einsetzenden Hemma-Verehrung - sie wurde erst 1287 selig- und 1938 heiliggesprochen - erklärbar, dennoch dürfte auch ein gesteigertes Repräsentationsbedürfnis eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben. Die Vorbilder für die Hallenkrypta von Gurk liegen einerseits bei den oberitalienischen Krypten in Modena (um 1106), Nonantola (nach 1120) oder Piacenza (nach 1120), andererseits weisen die Einzelformen von Basen und Würfelkapitellen in ihrer monotonen Abfolge und geometrisch-nüchternen Struktur auf hirsauisches Gedankengut hin. Der durch die enge Stützenstellung entstehende Säulenwald mit wechselnden Überschneidungen, vor allem im Gewölbebereich, wird von der Forschung bis in jüngste Zeit (W. Deuer) mit der islamischen bzw. omaijadischen Moscheenarchitektur in Verbindung gebracht, doch konnte dafür bisher keine konkrete historische Beziehung glaubhaft gemacht werden.
Literatur: Ankershofen, Gurk, 1856, 229 f. - Schnerich, Gurk, 1883, 16 - 19. - Schnerich, Gurk, 1925. - Löw, Gurk, 1927. - Ginhart/Grimschitz, Gurk, 1930. - Hartwagner, Gurk, 1969. - Pühringer, Denkmäler, 1931, 22 - 31. - Posch, Gurk, 1963. - Deuer, Kärnten, 1988, 230 - 246. - Deuer/Kallen, Gurk, 1995.
Gurk (Ktn.)
Pfarr- und ehemalige Domkirche Mariä Himmelfahrt
Westportal
Siebenfach gestuftes Portal; vor 1200.
Das siebenfach abgestufte Hauptportal nimmt die gesamte Breite der Vorhalle ein. Das Tympanon ist nicht skulptiert und hat als Sturz eine schmale Leiste. Die verbleibende Fläche zwischen Portaltrichter und Vorhallenstirnwand ist triumphbogenartig gestaltet und den Seitenpfosten sind je zwei Säulchen, die einen asymmetrischen Profilfries tragen. Die Gewände gliedern sich in eine Sockelzone mit leicht ausschwingenden Plinthen, darüber folgen attisch profilierte Basen mit teilweise umgeschlagenen Eckblättern oder Knospen geziert sind. Die schlanken Säulchen tragen Knollenkapitelle. Die Pfosten sind an den Ecken gekehlt und mit Rosetten, Palmetten oder Rundstäben geziert. Diese ausschließlich vegetabile Ornamentik wird von den Archivolten übernommen, sodaß sich ein symmetrischer Aufbau der Portalgliederung ergibt. Das Tympanon wiederholt als Rahmung die Rosetten der Türpfosten und dürfte ursprünglich bemalt gewesen sein. Letze Reste einer farbigen Fassung des Portales wurden leider 1912 entfernt. Die in Resten noch vorhandenen hölzernen Türreliefs mit geschnitzten figürlichen und polychromierten Darstellungen in Rankenmedaillons stammen vom Anfang 13. Jahrhunderts und dürften zum ursprünglichen Konzept der Portalgestaltung gehört haben.
Die Motivik der Portalornamentik und die Dünngliedrigkeit und rasche Abfolge von schlanken Pfostenflächen und Säulchen verrät Oberitalienischen Einfluß, während die relativ trockne Ausführung der Ornamentik eher an einheimische Künstler denken läßt.
Literatur: Ankershofen, Gurk, 1856, 229 f. - Schnerich, Gurk, 1883, 16 - 19. - Schnerich, Gurk, 1925. - Löw, Gurk, 1927. - Ginhart/Grimschitz, Gurk, 1930. - Hartwagner, Gurk, 1969. - Pühringer, Denkmäler, 1931, 22 - 31. - Posch, Gurk, 1963. - Deuer, Kärnten, 1988, 230 - 246. - Deuer/Kallen, Gurk, 1995.
Hartberg (Stmk.)
Karner hl. Michael (bis Ende 16. Jahrhundert mit hl. Ulrich).
Zweigeschossiger Rundbau mit Dreiviertelapsis; 2. Hälfte 12. Jahrhundert. Ergänzungen am Hauptbau Mitte 13. Jahrhundert.
Nach einer nicht erhaltenen neuzeitlichen Inschrift am Portal wurde der Karner 1167 erbaut. Eine in Aussicht genommene Erhebung von Hartberg als markgräfliches Landesbistum führte 1173 unter Pfarrer Ulrich (1163 - 1201 nachweisbar) zur Aufwertung der Pfarre. Pfarrer Ulrich war von hochfreier Herkunft und bedeutender Bildung. 1157 war er Kaplan des Salzburger Erzbischofs Eberhard I. (1147 - 1164) und später im Gefolge der Markgrafen. Die Wahl des Patroziniums für den Karner dürfte mit Pfarrer Ulrichs Rolle als Bauherr erklärbar sein.
Der Karner wurde südwestlich der Kirche an einer steil abfallenden Terrassenkante erbaut, sodaß auch das Ossuarium sichtbar bleibt. Daraus ergibt sich ein steiler, außen reich gegliederter Rundbau. Der Zugang in den Kapellenraum erfolgt über eine im 19. Jahrhundert angefügte Treppe. Das zweifach abgetreppte, rundbogige Stufenportal zeigt zwei eingestellten Säulenpaaren auf Tellerbasen, welche Knospenkapitelle tragen. Über den Kämpfern laufen die Abtreppungen in Kehlen weiter. Die Außenwand der Kapelle wird durch neun gebündelte Dreiergruppen von schlanken Halbrunddiensten gegliedert, hinter denen als Rücklage die an den Ecken herabgezogenen Profile der Kleeblattfriese verlaufen. Die Dienstbündel, welche über dem abschließenden Fries frei enden, tragen Knollenkapitelle mit menschlichen Köpfen. Ein weiterer Kleeblattfries trennt die Kapelle vom Ossuarium. Der dreiviertelkreisförmige Chor ist im Gegensatz zum Hauptraum wesentlich schlichter gehalten, da hier die Dienstbündel fehlen. Über diesem Kleeblattbogen mündet an der Apsissüdseite ein Abflußrinnstein aus dem Kapellenraum ins Freie, der auf eine erweiterte Funktion des Kapellenraumes oder eine kurzfristige Umwidmung als Taufkapelle schließen läßt.
Das durch einen nördlichen Zugang betretbare Ossuarium besitzt eine Kuppelwölbung mit vier Bandrippen. Das Obergeschoß wird durch acht Halbrunddienste mit Knospenkapitellen, welche die Bandrippen des kuppeligen Gewölbes tragen, gegliedert. Der Triumphbogen ist wegen der Dreiviertelapsis stark eingezogen und wird beidseitig von einem Säulenpaar flankiert.
Die reiche Freskierung wurde leider 1889 - 1894 rigoros rekonstruierend ergänzt, woraus sich Unsicherheiten in der Ikonographie ergeben. Als Programm wäre - unter der Majestas mit den zwölf Aposteln als oberste Zone - die Darstellung der vier Weltreiche nach dem, Buche Daniel oder die Illustration zu den sieben Hauptsünden (W. Deuer).
Das Gliederungssystem des Karners zeigt einerseits spätromanische Detailformen wie die schweren Friese und Kapitelle, andererseits sind die gebündelten Dienste bereits zu frühgotischen Vorstufen des Bündelpfeilers, bei dem der Pfeilerkern nicht mehr sichtbar ist, verschmolzen. Der spätromanische Dekor steht stilistisch den ungarischen Bauten des 2. Drittels des 13. Jahrhunderts (z. B. Jak) näher als den babenbergischen Bauten in Niederösterreich, jedoch fehlen in Hartberg die für dieses künstlerische Ambiente typischen normannischen Dekorationselemente. Nach W. Deuer wäre die Ausführung durch ungarische Werkstätte nach 1254 denkbar.
Die Bauornamentik stammt zweifellos nicht von einem Bau um 1167. Nach W. Deuer wäre die Ausführung durch ungarische Werkstätte nach 1254 denkbar. Wegen der tiefgreifenden Überarbeitungen und Auswechselungen zahlreicher Werkstücke kann die Datierungsproblematik derzeit nur unzureichend gelöst werden. Eine nachträgliche Neuadaptierung eines älteren Baukerns im 13. Jahrhundert kann daher nicht ausgeschlossen werden.
Literatur: Heider, Rundbauten, 1856, 53 - 60. - Grave, Hartberg, 1856, 178ff. - Cauzig, Karner, 1932, 110. - Capra, Karner, 1926, 125ff.; Schaffler, Hartberg, 1957, 9 - 11. - Woisetschläger/Krenn, Herrlichkeiten, 1968, 15.- Grabner, Karnerfresken, 1979, 133 - 141. - Schwarz, Spätzeit, 1976, 511. - Biedermann, Kunst, 1980, 402f. - Deuer, Kirchenbau, 1982, 209 - 211.
Karnburg (Ktn.)
Pfarrkirche hll. Peter und Paul.
Chorquadratkirche, karolingisch, vor 927 bzw. 888.
Das Gebiet war schon seit der Hallstattzeit, vor allem aber unter den Römern besiedelt. Die Im 9. Jahrhundert war Karnburg kaiserliche Pfalz und wird 888 urkundlich anläßlich des Besuchs König Arnulfs 888 als curtis carantana bezeichnet. Die Kirche wird 927 erstmals als St. Peter genannt, später als St. Petrus und Paulus. Karnburg ist die einzige für Österreich gesicherte karolingische Pfalz, die Kirche hatte die Funktion einer Pfalzkapelle.
An den mittelgroßen, rechteckiger Saalraum schließt ohne Zungenmauern im Osten ein nahezu quadratischer, aber stark verzogener und nicht in der Hauptachse liegender Chorraum an. Der Triumphbogen öffnete sich ursprünglich im Überhalbkreis. Das Mauerwerk - opus spicatum, ursprünglich wohl auf Sicht berechnet - weist ein für das Frühmittelalter charakteristisches Fugennetz aus rötlichem Mörtel auf. Die Fenster- und Portalöffnungen wurden stark verändert, die Flachdecke im Langhaus ist eine Rekonstruktion von 1928.
Im 14. und 15. Jahrhundert wurde die Kirche gotisiert und um einen Westturm mit Vorhalle erweitert. Die südliche Annenkapelle stammt erst aus dem 14. Jahrhundert, doch wird eine ältere Grundlage vermutet (Czerwenka).
K. Ginhart nahm an, daß die Kirche - wie jene von S. Sissinius in Laas (Vintschgau) - einen Chorturm besessen hätte, und somit als ältester Vertreter der Chorturmkirche in Kärnten anzusehen wäre. Jüngere Untersuchungen (G. Zivkovic) erbrachten jedoch den Nachweis, daß die Chorturmkirchen in Kärnten nicht vor dem 12. Jahrhundert nachzuweisen sind
Die Nennung von 927 ist lediglich ein terminus ante quem für den ersten Kirchenbau. Als Pfalzkapelle könnte er schon vor 888 entstanden sein. So weist unter anderem der Grundriß von St. Proculus in Naturns (Südtirol) einen ähnlich trapezförmig verzogenen Chor auf. Nach K. Czerwenka ist die anspruchslose Kirche nicht unter den Herrschersöhnen Karlmann und Arnulf, sondern bereits um die Mitte des 9. Jahrhunderts von karolingischen Herzögen erbaut worden.
Literatur: Ginhart, Karnburg, 1931, 93. - Ginhart, Karnburg, 1934, 85 - 90. - Egger, Chorturmkirche, 1940, 85f. - Egger, Karnburg, 1948, 198f. - Juraschek, Kirchen, 1958, 18f. - Hartwagner, Zollfeld, 1966, 35f. - Oswald/Schaeffer/Sennhauser, Kirchenbauten, 1966, 134f. - Czerwenka, Architektur, 1992, 36 - 39. - Zivkovic, Chorturmkirchen, 1993.
Kirchdorf (T)
Pfarrkirche hl. Stephanus.
Apsidensaal, 7./8. Jahrhundert.
Romanischer Bau
Das Gebiet um Kirchdorf war schon im 8. Jahrhundert missioniert, wie aus der Nennung der umliegenden Orte im Güterverzeichnis des Salzburger Bischofs Arno von 788 hervorgeht. Der Ort selbst wird erst zwischen 1125 und 1147 in einem Stiftungsbrief erstmals erwähnt. 1197 erfolgt die Schenkung der Pfarre an das Augustiner-Chorherrenstift St. Zeno in Reichenhall. Das Stephanuspatrozinium der Kirche ist ab 1289 nachweisbar.
Der heutige Bau stammt im Kern aus der Gotik und wurde in einen barocken Umbau von 1752 - 54 einbezogen. Grabungen von W. Sydow (1986) ergaben drei Bauphasen: einen frühmittelalterlichen Apsidensaal unmittelbar über den Resten einer kaiserzeitlichen villa rustica, einen romanischen und einen hochgotischen Kirchenbau.
Die frühmittelalterliche Saalkirche mit leicht verschobenen Grundriß hat als Ostabschluß eine eingezogene, gestelzte Apsis. W. Sydow verweist auf verwandte Bauten des 7. - 9. Jahrhunderts, die in der Schweiz ergraben wurden (Einigen, Messen, Räzuns und Pfäfers), und ebenfalls oblonge Apsiden aufweisen. Als österreichisches Beispiel für eine oblonge Apsis ist der Grundriß der ersten Kirche von Eisenreichdornach (NÖ.) aus dem 9. Jahrhundert zu nennen, jedoch ist dort die Apsis gegenüber dem Saalraum nicht eingezogen. Neben diesen typologischen Übereinstimmungen wäre es denkbar, daß der erste Kirchenbau noch aus der Zeit vor 788 (Indiculus Arnonis) stammt.
Literatur: Sydow, Kirchdorf, 1985, 127 - 138. - Czerwenka, Architektur, 1992, 139f.
Kundl (T)
Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt.
Dreischiffige Anlage mit Mittelapsis; vor 788 (Indiculus Arnonis).
Chorquadratkirche; romanisch.
Die früheste Nennung des Sakralbaus findet sich in dem 788 datierten Güterverzeichnis des Salzburger Erzbischofs Arno (Indiculus Arnonis); die Kirche gelangte vermutlich als aribonische Stiftung an Salzburg (Bachmann).
Durch Grabungen in der barocken Kirche mit Nordturm von 1734 - 1736 konnten H. Bachmann und G. Kaltenhauser (1970) einen mehrschiffigen (?) vorromanisch Bau, eine romanische Chorquadratkirche und einen gotischen Vorgängerbau aus dem 14. Jahrhundert erschließen.
Vom Erstbau wurden die Fundamente der Westwand, die Streifenfundamente einer dreiteiligen Anlage und eine nicht eingezogene Apsis. Die Nordmauer der barocken Kirche ruht dabei auf dem ältesten Bau auf. Die Fundamente könnten einerseits von einer dreischiffigen Kirche mit Mittelapsis stammen (Bachmann, Kaltenhauser), andererseits wäre auch eine Lösung mit seitlichen Annexräumen um einen Apsidensaal denkbar (Czerwenka). Diese Kirche wäre dann im Aufgehenden als Zellenbau zu rekonstruieren.
Bachmann und Kaltenhauser weisen die Fundamente dieser ersten nachweisbaren Phase der 788 erwähnten Kirche zu, welche aus der Sicht der Bauaufgabe als dreischiffige Anlage im 8. Jahrhundert ungewöhnlich wäre. Dies wird im Vergleich mit dem zeitlich naheliegenden Virgildom in Salzburg deutlich, der einen wesentlich höheren Anspruch gerecht werden mußte.
Literatur: Neuhardt, Kundl, 1971. - Kaltenhauser, Kundl, 1972, 152. - Bachmann, Studien, 1974, 57f. - Dehio, Tirol, 1980, 466. - Czerwenka, Architektur, 1992, 140.
Linz (OÖ.)
Pfarrkirche hl. Martin.
Bau I: Saalkirche mit Mittelschranke, 8. Jahrhundert.
Bau II: Zentralbau, agilolfingisch oder karolingisch, nach 799.
Bau III: Einschiffiger Nischenbau, nach Zerstörung während der Ungarneinfälle, Mitte 11. Jahrhundert.
In der frühesten Urkunde über die Martinskirche von 799 wird überliefert, daß Graf Gerold, Präfekt Bayerns und vermutlich seit 788 Statthalter von Linz, auf Lebenszeit das Lehen über die Martinskirche erhält, das nach 788 der Kapellan Karls des Großen, Rodland, innehatte. Nach dem noch im gleichen Jahr im Kampf gegen die Awaren gefallenen Graf Gerold ging St. Martin als Eigenkirche an den Bischof von Passau. Zwischen 985 und 991 wird eine Taufkirche in Linz erwähnt, welche im Allgemeinen mit der Martinskirche in Verbindung gebracht wird, jedoch ist St. Martin als Pfarrkirche erst ab 1111 urkundlich nachweisbar. Der Sitz der Pfarre wurde 1281 von St. Martin in die Stadt verlegt.
Durch die Bauuntersuchungen und ersten Ausgrabungen von F. Juraschek und W. Jenny (1947/1948) konnte zunächst festgestellt werden, daß im Mauerwerk des auffallend langgestreckten und barock umgestalteten Saalraums wesentliche Teile der vor- bzw. frühromanischen Bauten erhalten blieben. Die bisherige Annahme eines gänzlichen gotischen Neubaus erwies sich daher als irrig, da nur der polygonale Chor aus der Zeit um 1448 stammte. Weitere archäologische Teiluntersuchungen (1960, 1970 und 1975) in dem stark gestörten Gelände führten zu kontroversiellen Rekonstruktionsversuchen. Erst die letzte, leider noch nicht vollständig ausgewertete Untersuchung durch J. Offenberger (ab 1977), erbrachte zumindest die relative Chronologie und die Festlegung von drei früh- bis hochmittelalterlichen Bauphasen. Die nähere zeitliche Bestimmung und die kunsthistorische Einordnung hat zur Zeit noch hypothetischen Charakter und wird letztlich auch von der archäologischen Schlußbewertung abhängen.
Archäologisch konnte eine seit der Keltenzeit bestehende Siedlungskontinuität nachgewiesen werden. Dem ersten Kirchenbau gingen mehrere römische Bauphasen, ein militärischer Wirtschaftsbau (5. Jahrhundert) in Stein und eine Zerstörungsphase, die mit der bayrischen Landnahme in Beziehung gesetzt wird, voraus.
Von diesem Kirchenbau erhielten sich die Fundamente eines Rechteckbaus, der durch eine Schranke (?) in zwei Räume geteilt wurde. Die geringe Fundamentstärke läßt auf einen Holzbau über Sockelmauern schließen. Aufgrund mehrerer Bestattungen wird dieser sehr kleine und einfache Bau als Kapelle identifiziert und von J. Offenberger ins 8. Jahrhundert datiert, während K. Czerwenka aufgrund des Typus eine noch frühere Datierung nicht ausschließt.
Vom zweiten frühmittelalterlichen Kirchenbau wurden die Fundamente einer Dreikonchenanlage mit viertelkreisförmigen Hauptmauern ergraben. Die Pfeiler dieses Vierstützenbaus wurden beim Umbau zum bestehenden Saalraum beibehalten. Die Rekonstruktion des Aufgehenden erweist sich jedoch als schwierig, insbesondere was den Nachweis eines zentralen Turmaufbaus betrifft. Außerdem sind die Fundamente der Umfassungsmauern auffallend schmal dimensioniert.
Mögliche Vorbilder für den Zentralbau liegen einerseits in Oberitalien, andererseits zeigt auch die bischöfliche Stephanskirche in Werden (819 - 827) eine Dreikonchenanlage mit kreisförmigen Umfassungsmauern (K. Czerwenka). H. R. Sennhauser hat für den Typus des Zentralbaus auf die Kapelle Theodulfs von Orléans in Germigny-des-Prés (Frankreich, um 806) verwiesen, während B. Rittinger eine Rekonstruktion des Aufgehenden in der Art spanischer Zentralbauten vorschlägt.
Der Zentralbau von St. Martin in Linz wird - im Gegensatz zu früheren Datierungen (Juraschek, um 700), die auf der Interpretation der unvollständigen Grabungen beruhten - mit der 799 bereits als bestehend genannten Kirche identifiziert.
Durch Abmauerung der offenen Bogenstellungen des Zentralbaus und Schleifung der äußeren Umfassungsmauern wurde der bestehende, flachgedeckte Saalraum geschaffen. Die Ostkonche wurde als Apsis beibehalten. Die Westwand dürfte erst 1589 neu errichtet worden sein. Ein Streifenfundament zwischen den beiden ehemaligen Ostpfeilern kann als Rest einer Chorschranke gedeutet werden. Die Längswände werden durch Dreiergruppen von flachen Nischen gegliedert, deren Bogensteine nicht als Keilsteine, sondern - ähnlich wie in der Backsteintechnik - als kleine Quader ausgebildet sind. Durch die Materialdifferenzierung von Kalktuff und Ziegeln werden diese Bögen farblich rhythmisiert. Reste von im Querschnitt segmentbogigen Nischen im östlichen Drittel des Saalraumes, die im Gegensatz zu den Dreiergruppen im "Langhaus" bis zum Boden reichen, lassen darauf schließen, daß gemeinsam mit der im Fundament nachweisbaren Schranke eine Art Chor ausgewiesen wird, an den dann die Apsis des Vorgängerbaus anschloß.
Aus archäologischer Sicht wird der Umbau des Zentralbaus zum Nischenraum mit einer Wiederherstellung nach den Ungarnstürmen im 10. Jahrhundert in Verbindung gebracht. K. Ginhart datiert diese Phase aufgrund von Regensburger Nischenbauten (z. B. Wolfgangskrypta, St. Emmeram, 1052 geweiht) um die Mitte des 11. Jahrhunderts, während K. Czerwenka die Nennungen von 985 und 991 als termini ante quem in Betracht zieht.
Literatur: Juraschek/Jenny, Martinskirche, 1949. - Jenny, Martinskirche, 1950, 39ff. - Eckhart, Martinskirche, 1961, 90 - 96. - Egger, Martinskirche, 1963, 165 - 168. - Schmidt, Kirchen, 1964, 283 - 299. - Oswald/Schaeffer/Sennhauser, Kirchenbauten, 1966, 175f. - Ginhart, Martinskirche, 1968. - Offenberger, Martinskirche, 1977, 24ff. - Rausch, Martinskirche, 1977, 29ff. - Offenberger, Martinskirche, 1980, 579f. - Rausch, Martinskirche, 1985, 63ff. - Rittinger, Martinskirche, 1986, 26 - 35. - Czerwenka, Architektur, 1992, 75 - 79.
Ergänzungen 2005: Quelltext und Übersetzung der Urkunde von 799
Rudolf Koch, Die Baugeschichte der Martinskirche in Linz, vom frühen bis ins späte Mittelalter, in: 1200 Jahre Martinskirche Linz (799 - 1999), Kat. des oö. Landesmuseums, NF. 143, Linz 1999, S. 63 - 70
Linz, St. Martin. Die Urkunde von 799
Latores leges sancxerunt, ut qui de substantiis vel rebus ecclesiasticis alicui alicuid conaverit commodare, hoc coram pluris testibus per scripturarum seriem firmiter roboretur, ut in evum inconvulsum quiverit perseverare et non etiam umquam abstrahenda sint a iure ecclesiastico. Dum et omnibus non habetur incognitum, qualiter ego Keroldus comes postulando petii et obnixa prece deprecatus sum Unaldricum episcopum quendam capellam ipsius ex cessione regis ut nobis eam in beneficium concedere deberet usum fructuarium excolere. Quod ita et ipse propter amorem et magnam dilectionem nostram taliter visus est celsitudinem nostram honorare vel studium honoris impendere et ipsum prestitum dixit nobis esse concessum, hoc est in pago Trungouue in loco, cui vocabulum est Linze, super magnum flumen Danubium id est ecclesia, que constructa (est) in honore sancti ac beatissimi Martini episcopi atque confessoris Christi, cum omni pertinentia vel soliditate suacuicquid ad ipsa ecclesiam vel ad ipsum castrum aspicere vel pertinere videtur, quam quondam Rodlandus capellanus domi nostri regis in beneficium tenere visus fuit et postea domus rex ipsi pontifici per suam clementiar ipsam capellam vel res ipsius sub omni custodia vigilanti cura et pastorali gubernatione tradidit regendam. Nunc veto nobis in quantum sua fiat dominatio usque ad obitum vite nostre vel usque quo nostra decreverit voluntas libero arbitrio statuit ipsas res nobis fruere dominare atque possidere. Propterea visi sumus censire exinde ei amnis singulis de argento solidos XX, ut ipsos ad nativitatem sancti Johannis baptiste, quod est VIII. Kal. Jul., exsolvere non tardamus. Et statim complacuit nobis, ut in aliqua miseratione res ipsas eminorare non debemus et post obitum nostrum ad ipsum locum integriter deservire valeant secundum pristinam institutionem. Actum ad Treisma, quando illia sacra synodus ibi anno resedit, die XX. mensis Junii indictione VII in anno XXXII regni Caroli regis.
Die Gesetzgeber haben festgesetzt, daß, wenn jemand von kirchlichem Vermögen oder kirchlichen Dingen irgendjemand etwas zu leihen unternommen haben würde, dies in Gegenwart mehrerer Zeugen durch Ordnung in Schrift festiglich bekräftige werde damit es unverändert zu beharren vermag und nicht auch jemals vom kirchlichen Recht abgezogen werde. Es wird als allen nicht unbekannt gehalten, daß ich Graf Kerold bittweise begehre und mit inständiger Bitte von Bischof Waldricus erbeten habe, eine bestimmte Kapelle desselben aus Bewilligung des Königs, daß er sie uns als Beneficium überlassen dürfe, um den Ertrag zu verbessern. Weil er so auch selbst wegen (seiner) Liebe und unserer großen Wertschätzung derart erscheint, daß er unsere Herrlichkeit ehrt sowie Eifer für die Ehrung aufwendet, hat er ausgesprochen, daß dieses Begehren uns gewährt sei, das ist im Traungau in dem Ort, dessen Name Linz ist, über dem großen Fluß Donau nämlich die Kirche, die zu Ehren des heiligen und seeligsten Bischofs und Bekenners Christi Martinus erbaut ist, mit allem Zubehör und Besitz, was immer zu dieser Kirche und zu dieser Burg hinzusehen oder zu gehören scheint, die vordem der Kapellan unseres Herrn Rodland als Beneficium gehabt hat und hernach der Herr König dem Bischof durch seine Mildigkeit übergeben hat, damit er diese Kapelle unter seinem vollen Schutz mit wachsamer Sorge und bischöflicher Leitung regiere. Nun hat er uns festgesetzt, soweit seine Herrschaft reicht, bis zum Hingang unseres Lebens oder solange, als es unser Wille in freiem Entscheid beschließt, diese Dinge für uns zu nutzen, zu beherrschen und zu besitzen. Dafür müssen wir ihm davon Zinsen in jedem Jahr 20 Schilling in Silber, so daß wir nicht säumen, sie zum Geburtstag des hl. Johannes des Täufers, das ist am 24. Juni, zu zahlen. Und zugleich hat uns gefallen, daß wir in einem Unglück diese Sachen nicht vermindern dürfen und daß sie nach unserem Tod ungeschmälert demselben Ort dienen sollen entsprechend der früheren Einrichtung. Geschehen zu Treisma, in dem Jahr, als hier eine heilige Synode abgehalten wurde, am 20. Tag des Monats Juni, Römerzinszahl 7, im 32. Jahre des König Karls.
Übersetzung und Transkription nach Erich Trinks, Die Urkunde von 799, in: Franz Juraschek, Wilhelm Jenny, Die Martinskirche von Linz, ein vorkarolingischer Bau in seiner Umgestaltung zur Nischenkirche, Linz 1949, 83 f.
Mattsee (Sbg.)
Kollegiatstift, Stifts- und Pfarrkirche hl. Michael.
Klosteranlage I: Holzpfostenbau; letztes Viertel 8. Jahrhundert.
Klosteranlage II: Steinbau; 9. Jahrhundert.
Dreischiffige Hallenkirche, Holz-Ständerbau; letztes Viertel 8. bis 9. Jahrhundert.
Chorquadratkirche mit gleich breitem Chor; 10./11. Jahrhundert.
Dreischiffige Anlage mit Querhaus, Chorquadrat und Apsis; 12. Jahrhundert.
Das Kloster wurde von Herzog Tassilo III. gestiftet, jedoch bezieht sich das in diesem Zusammenhang seit dem 14. Jahrhundert tradierte Datum von 777 nicht auf die Gründung von Mattsee, sondern auf Kremsmünster. Im Verbrüderungsbuch von St. Peter (783/784) wird als Abt von Mattsee ein Albuin genannt, der auf der Synode von Dingolfing anwesend war, was auf ein Gründungsdatum für das Kloster um das Jahr 770 schließen läßt. 817 wird Mattsee als Reichsabtei bezeichnet (Eintragung im Aachener Klosterkatalog Ludwigs des Deutschen). 877 schenkte König Karlmann das Kloster Mattsee an seine Stiftung Altötting, mit der es 907 an das Bistum Passau übergeben wurde. Auf Bischof Berengar von Passau (1013 - 1045) dürfte die Umwandlung der ursprünglichen Benediktinerabtei in ein weltpriesterliches Kollegiatstift zurückzuführen sein. Die Stiftskirche wird erst 1276 anläßlich eines Brandes urkundlich erwähnt, der den Bau der bestehenden frühgotischen und später barockisierten Querhausbasilika bewirkte. Anläßlich von Grabungen durch G. Melzer (1978) konnten zwei Klosterbauphasen und drei sakrale Vorgängerbauten erfaßt werden.
Vom frühesten Klosterbau, einem langgestreckten Holz-Pfosten-Bau im Westteil des heutigen Langhauses, erhielten sich 19 Pfostengruben, die jedoch nur die Festlegung der Baufluchten zulassen. Die Identifizierung der Anlage mit dem agilolfingischen Klosterbau beruht auf der Orientierung eines Baumsarges (zweite Hälfte 8. - 9. Jahrhundert), der diesen Baufluchten folgt. Nach der Zerstörung des Holzklosters durch Brand im 9. Jahrhundert wurden die Klosterbauten in Stein mit etwas abweichenden Baufluchten wiedererrichtet. Der Befund erbrachte zwei ungleich große, gegeneinander versetzte Räume, welche einerseits den darunterliegenden älteren Holzbau überlagern und andererseits vom der darüberliegenden jüngeren Steinkirche aus der zweiten Kirchenbauphase (10. Jahrhundert) überbaut werden.
Von der ersten Klosterkirche konnten im Osten der heutigen Kirche und unter der Sakristei 16 Pfostengruben eines dreischiffigen Holzständerbaus ergraben werden, wobei die Schiffe gleich breit dimensioniert waren. Drei weitere Pfostengruben in Breite des Mittelschiffs bildeten vermutlich eine relativ kleine Vorhalle von 2 x 2 m. Dieser erste Kirchenbau weist im Grundriß Ähnlichkeiten mit süddeutschen Holzkirchen aus dem 8. - 9. Jahrhundert auf (St. Maternus in Breberen, Kreis Heinsberg, St. Martin in Pier, Kreis Düren und St. Gallus in Brenz, Kreis Heidenheim).
Der ersten, bereits mehrschiffigen Holzkirche aus dem 8. Jahrhundert folgte im 10. Jahrhundert ein Neubau in Stein. Die Ursache für den Neubau war offensichtlich nicht unmittelbar auf den Brand des 9. Jahrhunderts zurückzuführen, welcher den Neubau des Klosters in Stein bewirkte. Dieser zweite Kirchenbau kann als langgestreckter Saalraum mit nicht eingezogenem Chorquadrat rekonstruiert werden. Die Klosterbauten aus der zweiten Bauphase mußten bei seiner Errichtung teilweise abgebrochen werden. Der Altarraum der Steinkirche entspricht genau der Vierung der frühgotischen Kirche. Das Beispiel Mattsee zeigt, daß im Frühmittelalter die zeitliche Abfolge von Holz- und Steinbauten nicht immer mit einer qualitätsorientierten Wertung verbunden war. Auch für den zweiten Klosterkirchenbau können vergleichbare Kirchentypen im süddeutschen Raum namhaft gemacht werden (Kirche in Auen, Kreis Kreuznach, St. Willigis, die "Gezelinus"-Kapelle).
Im 12. Jahrhundert wurde die frühromanische Kirche durch eine dreischiffige Anlage mit Querhaus, Chorquadrat und Apsis ersetzt, die bis zum Brand von 1276 bestand. Für alle vorgotischen Bauphasen ist die strikte Beibehaltung der Kirchenachse bemerkenswert.
Literatur: Buberl, Kunsttopographie 10/2, 1913, 265f. - Spatzenegger, Mattsee, 1977, 285 - 292. - Koller, Klöster, 1977, 16f. - Melzer, Mattsee, 1979, 103 - 153. - Wagner, Mattsee, 1982. - Czerwenka, Architektur, 1992, 103 - 106.
Ossiach (Ktn.)
Ehemaliges Benediktinerstift
Pfarr- und ehemalige Benediktiner-Klosterkirche Mariae Himmelfahrt
Bau I: Apsidensaal (?), karolingisch bis vor 1000.
Klosterkirche: dreischiffige flachgedeckte Pfeilerbasilika mit Dreiapsidenschluß und Hallenkrypta; um 1000 bis vor 1028.
Querhaus und Vierungsturm romanisch.
Im ersten Viertel des 11. Jahrhunderts gründeten der bayrische Adelige Ozi I. und seine Frau Glismond das älteste Benediktinerstift Kärntens. Die ersten Mönche sollen aus dem bayrischen Kloster Niederaltaich, der Heimat Ozis, gekommen sein. 1028 verkauft Ozi II. die elterliche Stiftung seinem Bruder Poppo (gest. 1042), der seit 1019 das Patriarchat von Aquileia innehatte. Für 1096 ist das Marienpatrozinium gesichert; um 1215 wird erstmals die Stiftskirche als Pfarrkirche mit dem Patrozinium der hl. Katharina genannt. Nach Beschädigungen während der Türkeneinfälle (1476), dem Bauernaufstand (1478) und einem schweren Brand von 1484, der Kirche und Kloster betraf, erfolgte erst 1500 die Neuweihe. 1556 - 1587 wird die "getäfelte Decke" der Kirche neu bemalt. Bei der rigorosen Barockisierung und Wölbung unter Abt Hermann III. in den Jahren 1734 - 1744, welche noch heute das Erscheinungsbild der Kirche prägt, erhöhte man die Langhausarkaden und die Obergadenmauer. Seit der Klosteraufhebung von 1783 hat der Bau nur mehr die Funktion einer Pfarrkirche. 1937 konnte anläßlich von Sicherungsmaßnahmen unter dem Vierungsturm - er wurde in der Gotik und neuerlich 1889 aufgestockt - eine Hallenkrypta freigelegt, die allerdings 1946 - 1948 wieder zugeschüttet wurde.
Der Grundriß läßt trotz der umfassenden barocken Instrumentierung den Kern einer romanischen, vierjochigen Pfeilerbasilika mit nicht ausladendem Querhaus und einem einjochigen Dreiapsidenschluß erkennen. Ursprünglich war das Mittelschiff doppelt so hoch wie breit; alle drei Schiffe waren flach gedeckt. Die mächtigen gotischen Vierungspfeiler tragen den zweimal erhöhten Vierungsturm.
Unter den westlichen Vierungspfeilern befindet sich eine Hallenkrypta, die bis zu den Apsiden reicht. Vier von Nord nach Süd in einer Reihe aufgestellte Säulen wurden 1946 - 1948 geborgen und befinden sich seit 1975 an der Südseite der Kirche als Stützen für den Aufgang zur Orgelempore. Zwei Wandsäulen befinden sich noch in situ der derzeit unzugänglichen Krypta. Drei der geborgenen Freisäulen zeigen spornlose attisch profilierte steile Basen, teilweise polygonale Schäfte und derbe korinthisierende Kapitelle mit einfach profilierten, steilen Kämpferplatten. Vergleichsbeispiele ähnlicher Kapitelle aus Oberitalien (unter anderem in S. Salvatore in Brescia, 9. Jahrhundert) und Deutschland (Frauenchiemsee, um 860; Mettlach und Reichenau-Mittelzell) lassen nach K. Ginhart und K. Czerwenka eine Datierung der Krypta Ende des 10. bis Anfang des 11. Jahrhunderts zu. Die Krypta war bis zur Barockisierung im 2. Viertel des 18. Jahrhunderts zugänglich; seit 1615 fand hier der aus einem antiken Pfeiler gefertigte Sarkophag des Klosterstifters Ozi seine Aufstellung.
Im Bereich der Krypta und zwischen den beiden östlichsten Vierungspfeilern entdeckte man weiters Mauerreste eines älteren Kirchenbaus, vermutlich ein Apsidensaal, der nach K. Ginhart als Vorgängerbau der Gründung Ozis im 8. bis 9. Jahrhundert entstanden sein könnte, nach F. Oswald hingegen als der Gründungsbau vor 1028. Dies scheint wegen der geringen Größe der Vorgängerkirche dieser doch reich dotierten und somit bedeutenden Stiftung Ozis nicht zuzutreffen. K. Czerwenka datiert den Vorgängerbau daher ins 9. (?) - 10. Jahrhundert.
Bemerkenswert ist die Form des Dreiapsidenschlusses. Die Nebenapsiden zeigen unterschiedliche Radien und treten am Außenbau weniger stark von der Hauptapsis differenziert auf, als etwa die hochromanischen Apsiden des Domes von Gurk. Die südliche Nebenapsis wird im Gegensatz zu den übrigen mit breiten Lisenen gegliedert. Die ältere Forschung hat daher angenommen, daß die südliche Apsis älter als die übrigen und um 1000 zu datieren sei (K. Ginhart). Die drei Apsiden stehen jedoch im Mauerverband und wurden somit gleichzeitig mit der Hallenkrypta errichtet. Dies könnte - mit Ausnahme eines eventuell späteren romanischen Querhauses (man vergleiche dazu den Dom von Gurk) - für den gesamten Grundriß gelten.
Literatur: Kieslinger-Wurzer, Sicherungsarbeiten, 1949, 79 - 85. - Ginhart, Werkstücke, 1954, 222 - 239. - Ginhart, Seestifte, 1955, 7 - 18. - Oswald/Schaeffer/Sennhauser, Kirchenbauten, 1966, 246f. - Hartwagner, Ossiach, 1977. - Dehio, Kärnten, 1976, 446 - 450. - Czerwenka, Katalog, 1992, 49f.
Pfongau in Neumarkt am Wallersee (Sbg.)
Filialkirche hl. Martin und Michael.
Gründungsbau: Rechteckiger Holzbau (Reste); 8. Jahrhundert.
Steinkirche I.: Apsidensaal mit segmentförmigem Ostabschluß, karolingisch.
Erweiterungsbau mit halbrunde Apsis; 12. Jahrhundert.
Umbau zur Chorquadratkirche; 13. Jahrhundert.
Der Ort "Faungaune" wird schon im 8. Jahrhundert anläßlich seiner Erwerbung durch den Abt von Mondsee, Opportunus (ca. 735/748 - 785), erwähnt, die Kirche allerdings erst 1614. Der heutige Bau, ein Saalraum mit polygonaler Apsis, stammt aus dem 15. Jahrhundert und wurde im 17. und 19. Jahrhundert erweitert. 1984 konnten durch eine Flächengrabung vier Vorgängerbauten erschlossen werden. Von einem Gründungsbau des 8. Jahrhunderts wurden lediglich die Reste von Pfostengruben nachgewiesen, die auf einen rechteckigen Ständerbau schließen lassen. Der Nachfolgebau war ein Saalbau mit flacher, segmentförmiger Apsis, wobei die Südmauer bis zum heutigen Bau teilweise beibehalten wurde.
Der kapellenartige Bautypus konnte auch beim Erstbau der Martinskirche in Hallwang (Sbg.) aus dem 8. Jahrhundert, dem Gründungsbau der Petrus und Pauluskirche in Salzburg-Liefering (790 im Indiculus Arnonis genannt) und als frühester Bau unter der Martinskirche von Thalgau (Sbg.), Anfang 8. Jahrhundert, nachgewiesen werden. Der Typus scheint vor allem im salzburger Bereich im Frühmittelalter eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Ein früher Vertreter in Bayern (Epolding-Mühltal nahe München) aus der Mitte des 8. Jahrhunderts dürfte einen Hinweis auf die Herkunft dieses Typus geben, der vereinzelt bis ins 10/11. Jahrhundert auch noch weiter östlich weiterlebt (Sarling, NÖ, Veitskirche). Der erste Steinbau in Pfongau könnte wegen der kurzen Lebensdauer des hölzernen Vorgängers noch in karolingischer Zeit entstanden sein.
Im 12. Jahrhundert wurde der karolingische Ostabschluß durch eine romanische Apsis ersetzt, die ihrerseits im 13. Jahrhundert einem leicht eingezogenem Chorquadrat weichen mußte.
Literatur: Buberl, Kunsttopographie 10/1, 1913, 112f. - Dehio, Salzburg, 1986, 57 - Enzinger, Pfongau, 1984. - Czerwenka, Architektur, 1992, 106f.
Rein (Stmk.)
Zisterzienserabtei, Stiftskirche Mariä Himmelfahrt.
Turmlose, dreischiffige, achtjochige Pfeilerbasilika mit geradem Chorschluß (Rekonstruktion); 1129 - 1140.
Markgraf Leopold I. von Steier und seine Frau Sophie gründeten 1129 das älteste Zisterzienserkloster in Österreich. Für die Dotierung wurde das Erbe des Grafen Waldo von Rein, der 1122 kinderlos starb, herangezogen, was darauf schließen läßt, daß die Traungauer Markgrafen die Gründung im Sinne einer Testamentsvollstreckung erfüllten. Die Besiedlung erfolgte durch Mönche aus dem fränkischen Ebrach, wobei Rein der Filiationslinie Citeaux (1098), Morimond (1115) und Ebrach (1127) folgte.
Bis 1133 war das Stift im Besitze der Traungauer dann unterstellte sich Rein dem Diözesanoberhaupt Erzbischof Konrad I., die Traungauer blieben aber "defensores" des Klosters. Am 9. November 1140 erfolgte die Kirchweihe durch Erzbischof Konrad I. und die Bischöfe Reginbert von Brixen und Roman I. von Gurk. Ab 1145 geriet das Stift in wirtschaftliche Schwierigkeiten. 1737 wurde der Bau großteils abgetragen und nach einer Achsendrehung um 180 Grad bis 1747 als barocke Wandpfeilerhalle wiedererrichtet. Gegenwärtig ist Stift Rein die älteste noch bestehende Ordensniederlassung.
Aufgrund einer Baubeschreibung und bildlicher Quellen kann die Stiftskirche von 1140 als turmlose achtjochige Pfeilerbasilika von 55 m Länge und 16 m Breite rekonstruiert werden. Das Mittelschiff war doppelt so breit wie die Seitenschiffe. Die Seitenschiffjoche waren stark längsrechteckig. Im Osten schlossen die Schiffe in gleicher Flucht. Das Mittelschiff wurde an beiden Kirchenfronten durch zwei übereinanderliegende Rundbogenfenster beleuchtet, die Seitenschiffe durch ein Rundbogenfenster. Neben dem Westportal war die Kirche über drei Südtüren erreichbar: im westlichsten Joch durch die Konversenpforte, im letztem Langhausjoch durch das Kreuzgangportal und im Presbyterium durch die Sakristei. Vom ersten Chorjoch führte eine nördliche Pforte in den Stiftsfriedhof. Der Außenbau war vollständig ungegliedert.
Bis auf zwei Presbyteriumsjoche, die jetzt als Eingangshalle dienen, und die Begrenzungen durch die vier Kirchenecken, hat sich vom romanischen Bau nichts mehr erhalten. Der Konventualchor diente auch als Presbyterium, dann folgte gegen Westen der Novizenchor und Konversenchor.
Da die romanische Klosterkirche von Rein weder ein Querschiff noch einen architektonisch hervortretenden Chor hatte, räumt dem Bau innerhalb der zisterziensischen Architektur eine gewisse Sonderstellung ein. Es ist jedoch zu bedenken, daß zur Bauzeit von Rein noch keine der zisterziensischen Monumentalkirchen in Frankreich fertiggestellt waren. Komplizierte Ostchorlösungen wie in Citeaux (Mitte 12. Jahrhundert), Clairvaux (1135 - 1150) oder Pontigny (1140 - 1170) entstanden erst nach dem Baubeginn von Rein und scheiden daher als Vorbilder aus. Zum Zeitpunkt des Baubeginns in Rein standen demnach keine ausgereiften Bautypen zur Verfügung.
Literatur: Grill, Rein, 1979, 41 - 59. - Müller, Rein, 1979, 401 - 410. - Deuer, Klosterkirchen, 1980, 42 - 50. - Dehio, Steiermark, 1982, 392 - 398.
Salzburg (Sbg.)
Domkirche hll. Rupert und Virgil
Virgildom: dreischiffige, zehnjochige (?) Basilika mit lettnerartiger Querschranke; kleeblattförmige Mittelapsis. 761 oder 767 begonnen, 774 geweiht.
Umbauten: Außenkrypta, um 800; Kapellenanbau, um 851.
Hartwikdom: Erweiterung des Virgilbaus um Westwerk, Chorquadrat und gestelzte Apsis. Um 1000 bis vor 1020.
Dom Konrads I.: 1127 geweiht. Errichtung einer Doppelturmanlage.
Dom Konrads III.: fünfschiffige basilikale Anlage mit Querhaus, Vierungsturm, Chorquadrat und Apsis. An den Querhausarmen Chortürme und Apsiden. Hallenkrypta. Nach 1167 begonnen. Hauptbauzeit 1181 - um 1200. 1219 Weihe der Krypta.
Schon vor 700 könnte der hl. Rupert, der 695/696 wegen Streitigkeiten mit dem Frankenkönig Pippin II. seinen Bischofssitz in Worms verlassen mußte, im Bereich der späteren Dome von Salzburg die erste Klosterkirche von St. Peter (s. Kat. Nr. St. Peter) errichtet haben. Archäologisch und urkundlich faßbar wird hingegen erst der vom hl. Virgil errichtete Kirchenbau. Virgil, der als Ire "Fergil, der Geometer" überliefert wird, kam 745 nach Salzburg, wo er 747 Abt von St. Peter und 755 oder 767 Bischof von Salzburg wurde. Mit dem ersten Dombau wurde 761, zwölf Jahre vor der Weihe, oder 767 begonnen; gesichert ist lediglich die Translation der Gebeine des hl. Rupert aus Worms und die anschließende Domweihe am 24. September 774. Der Hauptaltar war den hll. Rupert und Petrus geweiht. Kopien und urkundliche Nachträge des 12. und 13. Jahrhunderts überliefern, daß der Virgildom von den Zeitgenossen als "ecclesia mirae magnitudinis" angesehen wurde. Vermutlich unter Erzbischof Arno (784 - 821) kam es zu einer ersten Erweiterung des Virgilbaus - unter anderem wird in seiner Grabinschrift die Errichtung einer Krypta "in fine monasterii" genannt. 845 zerstörte ein Brand den Virgildom, der durch Erzbischof Liupram (836 - 859) wieder instandgesetzt und durch einen Kapellenanbau an der Südseite erweitert wurde.
Wie weit der Dom durch die Ungarnstürme in der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts betroffen war, ist nicht bekannt, doch zog sich Erzbischof Odalbert zeitweise nach Zell am See zurück, wo er aus diesen Gründen 926 einen Kirchenbau (s. Kat. Nr. Zell a. S.) errichtete. Erst unter Erzbischof Hartwik (991 - 1023) kommt es zu einem Neubau "post ruinam" und zur Verlagerung von Reliquien. Für das Jahr 1020 ist die finanzielle Unterstützung durch Kaiser Heinrich II., die Schenkung von sechs Königshufen, überliefert, wobei der Bau bereits als erneuert bezeichnet wird.
Am 5. Mai 1127 brannte auch der Hartwikdom ab, doch wurde er schon am 24. September 1127 durch Erzbischof Konrad I. (1106 - 1157) wieder eingeweiht. Bei der relativ kurzen Zeitspanne dürfte es sich um eine erste Wiederherstellung gehandelt haben, denn Erzbischof Konrad I. ließ auch zwei Westtürme errichten, die "turres altissimae".
1167 wurde der Dom im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen dem Papst und Kaiser Friedrich I. Barbarossa, der 1166 die Reichsacht über das Erzstift und den Erzbischof verhängt hatte, eingeäschert. Der Wiederaufbau scheint nur wenig vorangekommen zu sein; eine wesentliche Bautätigkeit kann erst unter Erzbischof Konrad III. (1177 - 1183) verzeichnet werden. Durch die Auffindung des Virgilgrabes kam ab 1181 zur eigentlichen Hauptbauphase des letzten mittelalterlichen Domes, bei welcher lediglich die konradinische Doppelturmanlage aus der Zeit um 1127 beibehalten wurde. Nach einem Brand von 1203 erfolgte 1219 die Weihe der Krypta, welche die weitgehende die Fertigstellung des Domes voraussetzen dürfte.
Spätere Veränderungen betrafen unter anderem die Westanlage mit dem Einbau einer spätgotischen Vorhalle durch Erzbischof Sigmund I. Volkersdorf (1452 - 1461) und flankierende Kapellenanbauten. 1587 veränderte Erzbischof Wolf Dietrich (1587 - 1612) durch den Einbau von Oratorien und Neuadaptierungen das Innere des Domes. 1598 beschädigte ein Brand den Dom Erzbischof Konrads III. so schwer, daß der Bau nach mißlungenen Wiederherstellungsversuchen abgebrochen und nach dem gescheiterten gigantischen Dombauprojekt Vicenco Scamozzis (Planung 1603), das nicht über die Fundamentierung hinaus gedieh, ab 1614 durch den barocken Dombau Santino Solaris im Auftrag Erzbischof Marcus Sitticus (1612 - 1619) überbaut wurde.
Durch die archäologischen Grabungen von H. Vetters (1956 - 1958 bzw. 1966 - 1967) und F. Moosleitner (1973 - 1974) konnten wichtige Aufschlüsse über die Grundrißentwicklung der Dombauten seit Virgil erarbeitet werden; die Außenerscheinung des letzten romanischen Domes wird vor allem durch zwei Veduten Paul van Vianens (1602) überliefert. Dennoch herrschen zur Zeit bezüglich der Interpretation der archäologischen, literalen und bildlichen Quellen kontroversielle Ansichten vor. Ohne Erschließung neuer Quellen muß daher auf den hypothetischen Charakter bei der Bewertung der Grabungsergebnisse - auch aus kunsthistorischer Sicht - hingewiesen werden.
Virgilbau:
Vom dem 774 geweihten und teilweise unter Verwendung spätantiker Mauerzüge errichteten Dom Virgils konnten die gerade abschließende Ostmauer, Teile der nördlichen Seitenschiffmauer bis zur nordwestlichen Langhausecke und partiell der Verlauf der Spannmauern, welche die Mittelschiffarkaden trugen, ergraben werden. Vom Mittelchor konnte annähernd die Form der südlichen Innenhälfte gesichert werden - sie läßt auf eine kleeblattförmige Apsis schließen, welche durch ein Steingitter gegen das Mittelschiff ausgesondert war. H. Vetters vermutet, daß der Kleeblattchor außen polygon geschlossen war.
Eine im "Goldenen Schnitt" das nördliche Seitenschiff teilende Quermauer wurde von H. Vetters als eine nachträglich eingebaute, über alle drei Schiffe ziehende Schranke rekonstruiert. Der Abstand von Abdrücken zweier Pfeilerbasen auf dieser Trennmauer, welche nach H. R. Sennhauser als eine Vorform des Lettners aufgefaßt werden könnte, nimmt H. Vetters als Maßgrundlage für eine Rekonstruktion der Pfeilerstellungen im Langhaus. Der basilikale Kirchenraum wäre demnach mit zehn Mittelschiffarkaden zu rekonstruieren.
Aus einem unter den Westanlagen der Nachfolgerbauten durchlaufenden Mauerzug hat H. Vetters auf ein leicht querrechteckiges Atrium des Virgildomes geschlossen, doch konnte F. Moosleitner aufgrund neuerer Grabungen nachweisen, daß dieser Mauerzug erst unter Erzbischof Arno oder Hartwik entstand. Der Virgildom besaß somit kein Atrium.
Umbauten: Außenkrypta, um 800; Kapellenanbau, um 851.
In der Südost-Ecke des Langhauses befand sich ein von Außen zugängliches Arcosolgrab, welches mit größter Wahrscheinlichkeit als die erste Grabstätte Virgils angesprochen werden muß. Das Arcosolgrab wurde unter Erzbischof Liupram (836 - 859) durch eine rechteckige Kapelle überbaut und erst 1181 beim Dombau Erzbischof Konrads III. wiederentdeckt. Die Datierung der Liupram-Kapelle stützt sich auf die epigraphische Analyse einer dort aufgedeckten Inschrift. Nach H. Vetters wäre es denkbar, daß die Kapelle nach dem Brand von 845 zur Aufbewahrung der von Liupram 851 aus Rom transferierten Reliquien des hl. Hermes errichtet wurde.
Divergierender sind die Hypothesen über die Veränderungen des Virgilbaus unter Erzbischof Arno, der seine Grablege "in fine monasterii" anlegen ließ. H. Vetters vermutet die Krypta im Bereich eines von Arno errichteten Westwerks, während H. R. Sennhauser aufgrund von Fundamentresten unter der Krypta aus der Zeit Erzbischof Konrads III. mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Außenkrypta im Anschluß an die Apsis des Virgildomes annimmt.
Hartwikbau:
Die Rekonstruktion des "post ruinam" errichteten Hartwikdomes durch H. Vetters wird wegen neuer Befunde im Bereich der Westanlage vor allem von F. Moosleitner in Frage gestellt. Nach H. Vetters wurde der Virgilbau um einen mit tiefrechteckigen Chor und eine eingezogene, stark gestelzte Apsis nach Osten erweitert. Nach Westen setzte sich der Neubau bis über das Atrium hinaus zu einem dreiteiligem Westwerk fort. F. Moosleitner konnte jedoch nachweisen, daß die Mauer des Virgil-Atriums zu den Blockfundamenten der Erweiterung Arnos oder eines Westwerks des Hartwikbaus gehört, während die nach H. Vetters vermeintlich als Treppentürme des dreiteiligen Hartwik-Westwerks angesprochenen Mauerzüge de facto die Fundamente der "turres altissimae" des Neubaus unter Konrad I sind.
Aufgrund der kontroversiellen Interpretationen kann derzeit lediglich angenommen werden, daß spätestens vor 1020 der Virgildom um eine westwerkartige Anlage erweitert wurde. Wenn die Rekonstruktion von H. Vetters für den Ostteil verifiziert werden kann, so bestünde hier eine auffallende Parallele zu den ebenfalls ins frühe 11. Jahrhundert datierten ersten archäologisch faßbaren Bau von St. Peter. Auch hier wurde der Mittelchor durch ein allerdings gedrungenes Chorquadrat mit Krypta und Apsis über die Flucht der Seitenschiffe hinausgeschoben.
Dom Konrads I.:
Die erschließbare Bauzeit von nur fünf Monaten nach dem Brand von 1127 für den Dom betrifft sicherlich nicht jene "sehr hohen Türme, welche vorher nicht bestanden". Die Westanlage wurde von F. Moosleitner mit jenen quadratischen Fundamenten identifiziert, welche H. Vetters für die Treppentürme des Hartwikbaus hielt. Sie sind mit Ecklisenen gegliedert und flankierten eine breitrechteckige offene Vorhalle. Die Disposition der Turmstellung wird von den Blockfundamenten des Vorgängerbaus bestimmt, sodaß die Doppelturmanlage schmäler als die vom Virgilbau vorgegebene Langhausbreite ist. Auf der topographisch verläßlichen Vedute des Paulus van Vianen (1602) erscheinen sie fünfgeschossig mit der für oberitalienische und bayrische Türme charakteristischen stockwerkweisen Zunahme der gekuppelten Fensteröffnungen. Im 15. Jahrhundert wurde die offene Vorhalle durch einen Giebelbau geschlossen und die Turmschächte mit Treppenspindeln ausgefüllt. Niedrigere aber in ihrer Mauerstärke auffallend überdimensionierte Flankenbauten können ebenfalls eindeutig als spätgotische Umbauten identifiziert werden. H. Vetters hielt sie für die eigentliche Fundamente der "turres altissimae" Konrads I. Die Deutung dieser Anbauten als Grabbauten scheint jedoch weniger überzeugend.
Die Doppelturmanlage Konrads I. ist - wie zahlreiche kunsthistorische Untersuchungen an Salzburger Bauten und an Domkirchen im Einflußbereich der Erzdiözese in Kärnten und der Steiermark nahelegen - der Prototyp für die Zweiturmfront ab 1127. Die wesentlichen Merkmale der "konradinischen" Westanlagen ist die offene Vorhalle und das Verhältnis zwischen Vorhallen- und Turmbreite.
Dom Konrad III.:
Beim Neubau des letzten romanischen Domes unter Erzbischof Konrad III. um 1181 behielt man die Doppelturmfassade einschließlich der Westwand und eine unter Erzbischof Hartwik an das nördliche Seitenschiff des Virgildomes angebaute Kapelle bei. Die Breite dieser Kapelle und mit geringer Verschiebung die Fundamente der Vorgängerbauten waren für die Konzeption des Langhauses ausschlaggebend. Der Grundriß gliedert sich daher in eine fünfschiffige basilikale Anlage, deren äußere Seitenschiffe in Apsiden endeten. Das Mittelschiff und die inneren Seitenschiffe führten in eine mächtige Vierung an die im Sinne eines quadratischen Schematismus gleich große Querhausarme mit Apsiden in den Stirn- und Flankenseiten. Die Hauptapsis wurde durch ein Chorquadrat hinausgeschoben, darunter befand sich eine sechsjochige, dreischiffige Hallenkrypta. Das Langhaus zeigte einen einfachen Stützenwechsel von rechteckigen Pfeilern mit Halbrundvorlagen und Säulen bzw. Kreuzpfeilern.
Die überlieferten Außenansichten ab dem 15. bis ins frühe 17. Jahrhundert geben ein basilikales Langhaus mit Strebepfeilern und großen Rundbogenfenstern im Obergaden und der doppelten (?) Anzahl von kleinen Rundbogenfenstern am Seitenschiff wieder. Die Vierung wird von einem meist polygonalem Vierungsturm, die Querhausarme an den Stirnseiten von hohen Rundtürmen bekrönt. Das Chorquadrat erscheint zweigeschossig und wird von einer Zwerggalerie unterteilt, welche sich an der Apsis unter dem Kranzgesimse fortsetzt. Auch der Vierungsturm wird durch eine Zwerggalerie unter dem Kranzgesims akzentuiert. In den meisten Darstellungen wird die Lage der Doppelturmanlage perspektivisch stark verzeichnet, sodaß sich der archäologische Befund nur schwer mit den Fassadenverhältnissen in Einklang bringen läßt.
Divergenzen zwischen diesen Außenansichten, der Interpretation der schriftlichen Quellen durch F. Pagitz und den Befunden aus den nur teilweise ergrabenen Fundamenten haben zu konträren Vorstellungen über den Typus des letzten Dombaus geführt. F. Pagitz und F. Moosleitner vertreten die Hypothese, daß der Dom dreischiffig mit einer nördlichen Kapellenreihe und einem südlichen Kreuzgangarm zu rekonstruieren sei, währen H. Vetters bei seiner Version eines fünfschiffigen Langhauses blieb. Letzteres konnte auch durch H. Fillitz und R. Koch aufgrund kunsthistorischer Argumente erhärtet werden. Diese fünfschiffige Anlage hatte jedoch nicht in allen Schiffen eine basilikale Lichtführung. Berücksichtigt man die nicht ganz korrekten Proportionierung auf den Vianen-Veduten, so dürften die inneren beiden Seitenschiffe und das Mittelschiff eine Staffelhalle gebildet haben, an welche die niedrigeren äußeren Seitenschiffe ansetzten. R. Wagner-Rieger hingegen hat auf die Möglichkeit hingewiesen, daß das Mittelschiff von zweischiffigen Hallen begleitet wurde - eine Lösung die im ausgehenden 12. Jahrhundert in Oberitalien oder Westfalen zur Anwendung gelangte.
Die Eigentümlichkeit der Chor- und Querhausbildung mit mehreren Apsiden läßt an einen latenten Trikonchos denken und hat zumindest im Grundriß Ähnlichkeit mit dem Dom von Parma. Neben dieser oberitalienischen Komponente sind außerdem westliche Vorbilder nicht außer acht zu lassen. Die Vieltürmigkeit (Westtürme, Vierungsturm, Querhaustürme und strebepfeilerartige Treppentürmchen am Chorquadrat) erinnert an deutsche Kaiserdome, vielleicht auch die Zwerggalerien, wenn sie nicht ebenfalls auf eine Herkunft aus Oberitalien hinweisen. Die Querhaustürme sind eigentlich Chortürme über Apsiden, wodurch sie sich wieder von den Chorflankentürmen an den deutschen Domen unterscheiden. Die Fünfschiffigkeit schließlich, hat ihre Wurzel sicher im frühchristlichen Bau von Alt-St. Peter in Rom.
Literatur: Vetters, Dom, 1958, 345 - 352. - Fuhrmann, Dome, 1959, 86 - 102. - Vetters, Dome, 1961, 216 - 229. - Vetters, Bericht, 1968, 1 - 21. - Pagitz, Quellenkundliches, 1968, 21 - 156. - Vetters, Dome, 1971, 413 - 435. - Vetters, Dome, 1974, 73 - 82. - Pagitz, Dome, 1974, 31 - 72. - Sedlmayr, Virgildom, 1975, 145 - 160. - Wagner, Bemerkungen, 1981, 289 - 304. - Moosleitner, Bemerkungen, 1983, 9 - 16. - Vetters, Dome, 1985, 286 - 316. - Moosleitner, Ergebnisse, 1985, 317 - 325. - Sennhauser, Dombauten, 1985, 326. - Czerwenka, Katalog, 1992, 107 - 112. - Fillitz, Dom 1990, 211f. - Koch, Mehrschiffigkeit, 1990, 212 - 223. - Vetters, Dom, 1990, 207 - 210.
Salzburg (Sbg.)
Franziskanerkirche
Ehemalige Pfarrkirche Unsere Liebe Frau.
Dreischiffige dreijochige Pfeilerbasilika, ursprünglich mit nicht vortretendem Querhaus (?). Nach 1167; nach Planwechsel um 1200 bis vor 1223 fertiggestellt.
Ursprünglich befand sich anstelle des hoch- und spätmittelalterlichen Baus eine Tauf- und
Synodalkirche, die vielleicht schon vor dem Virgil-Dom entstanden ist. Um 1130 wird ein Kirchenbau den Petersfrauen zugewiesen und ab 1130 bis 1635 besaß die Kirche pfarrliche Rechte, welche dann der Salzburger Dom übernahm. 1167 wurde die Kirche durch einen Brand zerstört, der mit den Verwüstungen Salzburgs durch die Grafen von Plain im Auftrag Kaiser Barbarossas zusammenhing. 1208 wird die Kirche urkundlich erwähnt und 1223 erfolgt eine Weihe, welche auf einen Neubau schließen läßt. Vom hochmittelalterlichen Bau blieben das Langhaus und das Südportal erhalten. Der Ostabschluß wurde ab dem 1. Viertel des 15. Jahrhunderts durch den Hallenchor Hanns von Burghausen bzw. von Stephan Krumenauer ersetzt; Ende des 15. Jahrhunderts folgten die Wölbung und die Vollendung des Turmes. 1583 wurde die Kongregation der Petersfrauen aufgehoben, 1592 die Kirche von Erzbischof Wolf Dietrich den Franziskanern übergeben und ab dem 17. Jahrhundert barockisiert und erweitert.
Das dreischiffige basilikale Langhaus zeigt im Mittelschiff drei tiefrechteckige Joche, denen die doppelte Anzahl leicht querrechteckiger Seitenschiffjoche entspricht. Die darüberliegenden Emporen, welche die ursprüngliche Lichtführung beeinträchtigen, entstanden erst im 15. und 17. Jahrhundert. Den rechteckigen Langhauspfeilern sind Halbsäulen mit Kelchblockkapitellen vorgelegt, welche die spitzbogigen Arkaden tragen. Die halbrunden Vorlagen der Hochschiffwand sind mit Blattkapitellen instrumentiert. Die Seitenschiffe sind mit Kreuzgratgewölben zwischen Bandgurten, das Mittelschiff mit Bandrippengewölben ausgestattet. Die Orgelempore im Westjoch des Mittelschiffes stammt erst aus dem 19. Jahrhundert.
Während das im Kern romanische Westportal um 1700 stark vereinfacht wurde, zeigt das Südportal, welches im 15. Jahrhundert von der Turmvorhalle überbaut wurde, noch weitgehend den ursprünglichen romanischen Aufbau. Es mündet heute in den spätgotischen Hallenchor, führte jedoch im Hochmittelalter offensichtlich in ein Querhaus, welches ähnlich wie jenes am Dom von Gurk u. a. gleichfluchtig mit den Seitenschiffwänden abschloß.
Für die Errichtung der Seitenschiffmauern wurde Sandstein verwendet, der Binnenaufbau besteht hingegen aus Konglomerat (örtliche Nagelfluh). Allgemein kann in der Architektur Salzburgs an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert der Übergang vom feinkörnigem Sandstein zur groben Nagelfluh beobachtet werden. Abarbeitungen an Sandsteinkapitellen der Seitenschiffwand und daran unvermittelt angesetzte Kapitelle mit stark vereinfachten Kämpferplatten aus Konglomerat legen nahe, zwischen der Errichtung der Seitenschiffwände nach dem Brand von 1167 und dem Weiterbau bis 1223 (Schlußweihe), eine Bauzäsur mit Planwechsel anzunehmen. Bis 1208 dürfte der leider nicht erhaltene Chor fertiggestellt worden sein, sodaß ihn die Petersfrauen benützen konnten. Diese Zweiphasigkeit des spätromanischen Baus kann auch beim Südportal festgestellt werden. Da das Tympanon, welches von W. Messerer der ersten Bauphase am Südportal zugerechnet in die Zeit vor 1200 datiert wird, dürfte die Bauzäsur und der Planwechsel frühestens zu Beginn des 13. Jahrhunderts anzunehmen sein. Nach Ansicht W. Messerers sah die erste Planung rundbogige Arkaden bei allgemein niedrigerer Mittelschiffhöhe vor.
Literatur: Martin, Salzburg, 1964, 14. - W. Messerer, Portale, 1977, 113 - 127. - W. Messerer, Skulpturen, 1980, 338 - 352 und 362.
Salzburg
Franziskanerkirche, Südportal
Ehemalige Pfarrkirche Unsere Liebe Frau.
Stufenportal mit drei Rücksprüngen, polygonalen und runden Säulchen, breitem Türsturz und figuriertem Tympanon. Nach 1167 und vor 1200.
Das Stufenportal mit halbrunden Archivolten, skulptiertem Türsturz und Tympanon dürfte ursprünglich in das nach 1167 begonnene Querhaus geführt haben und wird seit dem 15. Jahrhundert von der Eingangshalle des spätgotischen Südturmes überbaut. Durch die Verwendung unterschiedlicher Marmore sind Gewände und Archivolten in Streifen rhythmisch akzentuiert. Die Gewände entwickeln sich über einem einmal abgetreppten und glatt durchlaufenden Sockel in drei Stufen. Der durchlaufende Sockel gehört jedoch nicht zum hochmittelalterlichen Konzept, sondern entstand erst im 15. Jahrhundert durch Abarbeitung eines im Grundriß gestuften Sockels wie aus einem original belassenen und deshalb überstehenden alten Sockelrest an der rechten Außenkante des Portals abzulesen ist. In die Rücksprünge sind rhythmisch abwechselnd zwei polygonale und eine runde Säule eingestellt. Die Pfostenkanten sind gekehlt, laufen unten in einer Volute aus, während sich die Kehle oben bis in den Kapitellkörper fortsetzt; am rechten Gewände sogar bis in die Deckplatten der Kapitellzone. Die attisch profilierten Säulenbasen setzen sich als Sockelband über die Pfosten fort und folgten ursprünglich dem Schaftquerschnitt. Die Wulstkanten der Pfostensockel wurden im 15. Jahrhundert abgearbeitet. Die Säulenbasen werden in der Kehle und im oberen Wulst durch ein Köpfchen dekoriert. Weitere kleine Köpfe schmücken im oberen Drittel des Gewändes die Pfostenkehlungen. Die Türpfosten, welche den rankenverzierten Sturz tragen, erhielten im 15. Jahrhundert zusätzliche reich profilierte Konsolen. Unskulptierte Leerstellen an den Ecken des Türsturzes zeigen jedoch, daß hier ein Profilstück in Art eines Kämpfers oder eines Kapitells an den Türsturz anlief.
Die Kapitellzone der Gewände ist unterschiedlich gestaltet. Links verbinden sich zweireihige Blättchenkapitelle zu einer weitgehend einheitlichen Fläche, welche nur an der Außenecke durch eine Figurengruppe akzentuiert wird. Die Deckplatte läuft bis vor die innerste polygonale Säule unverkröpft durch. Das anschließende Kapitell mit langstieligen Blattknospen jedoch weist Merkmale der gleichartig gestalteten Kapitelle des rechten Gewändes auf. Hier sind die Kapitellkörper stärker voneinander emanzipiert und verschmelzen erst in der unteren Knospenreihe. Die Deckplatten sind nun gestuft und übernehmen bei den Pfosten die Kantenkehlungen. Die rundbogigen Archivolten entsprechen im Profil dem Gewändequerschnitt. Sie sind daher optisch dem rechten Gewände stärker verbunden, während der linke gerade durchlaufende Kämpferblock eine strukturelle Zäsur bildet.
Das Tympanon mit thronendem Christus und zwei flankierenden Heiligen erreicht nur die Breite der lichten Portalweite, sodaß wegen der unterschiedlichen Radien Tympanon und Archivolten durch eine sichelförmige Wandfläche getrennt werden. Die differierenden Strukturmerkmale der Gewändeseiten - vor allem in der Kämpferzone - und die optischen Unzulänglichkeiten an Sturz (Leerstellen) und Tympanon (exzentrische Sichelfläche) lassen auf eine Zweiphasigkeit der Portalanlage schließen. W. Messerer unterscheidet zwischen einem älteren Konzept, zu dem im wesentlichen das linke Gewände mit Sturz und Tympanon gehören, während das rechte Gewände und die Archivolten der jüngeren Phase zuzurechnen sind, bei der außerdem die Breite der Portalöffnung vergrößert wurde. Zwei heute über dem Portal angebrachte Reliefplatten mit überkreuztem Löwenpaar und Vögeln hält er für Teile des verloren gegangenen rechten Gewändes. Terminus ante quem für die jüngere Phase ist das überlieferte Weihedatum von 1223.
Literatur: siehe Kat. Nr. R. K. 28 - Messerer, Portale, 1977, 113 - 127. - Messerer, Skulpturen, 1980, 338 - 352, 362, 365f.
Salzburg (Sbg.)
Benediktinerinnen-Abtei Nonnberg
Klosterkirche Mariä Himmelfahrt
Dreischiffige Basilika ohne Querschiff (Rekonstruktion); 1043 geweiht. Westchoranlage mit vorgelagertem Westturm, 2. Viertel 12. Jahrhundert.
Der Überlieferung nach wurde die Abtei durch den hl. Rupert 712 - 715 gegründet, dessen Nichte Erentrudis aus Worms die erste Äbtissin dieses ältesten Frauenklosters nördlich der Alpen wurde. Die Lage der rupertinischen Gründung innerhalb der oberen Burg ("castrum superius") konnte allerdings bisher noch nicht archäologisch lokalisiert werden. Unter Erzbischof Friedrich I. (958 - 991) zerstörte ein Brand die Kirche; der Neubau entstand mit Förderung Kaiser Heinrichs II, der einer ungesicherten Tradition nach 1009 bei der Weihe durch Erzbischof Hartwik (991 - 1023) anwesend war. 1023 erfolgte die Translation der Reliquien Erentrudis in die Krypta, welche 1043 geweiht wurde. Überlieferte Altarweihen zwischen 1140 und 1178 lassen auf eine gewisse Bautätigkeit, zumindest aber auf die malerische Ausstattung schließen, da die als erste (?) Schicht aufgebrachte Freskierung in den Nischen des sogenannten "Paradieses", dem ehemaligen Nonnenchor im Westen des Langhauses, stilistisch um die Mitte des 12. Jahrhunderts datiert werden. Nach einem Brand von 1423 und einer vermutlich nur notdürftigen Wiederherstellung wurde ab 1463 der bestehende Neubau errichtet, dessen Weihe 1499 erfolgte, doch waren 1506 die Arbeiten an der Kirche nicht abgeschlossen (Langhauswölbung). Die Forschung akzeptiert bisher die Meinung R. Pühringers, daß die dreischiffige basilikale Anlage mit gleichfluchtigem polygonalen Dreiapsidenschluß des 15. Jahrhunderts dem romanischen Vorgängerbau folgt, der somit als querschifflose Anlage vom "bayrischem Grundrißtyp" zu rekonstruieren wäre. Mit Sicherheit können lediglich die Nischenarchitektur des Nonnenchores und der vorgelagerte Westturm der romanischen Konzeption zugeordnet werden. Von einem Portal aus dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts stammen Teile der Sockelgliederung, Sturz und Tympanon, die im spätgotischen Südportal Wiederverwendung fanden.
Der ehemalige Nonnenchor bildet seit seiner Überbauung und teilweisen Erneuerung im 15. Jahrhundert eine querrechteckige Halle. Die sieben Nischen an der Westseite und fünf Nischen an der Nordseite gehören noch zum Altbestand. Sie werden heute partiell durch die barocken Substruktionen der Orgelempore verdeckt und reichten ursprünglich weiter hinauf. Diese Nischenarchitektur wurde von R. Pühringer als geradezu typisch für die Architektur bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts bezeichnet, wobei er auf die Wolfgangskrypta von St. Emmeram und die Stephanskapelle in Regensburg oder die Wipertikrypta in Quedlinburg verweist. Andererseits konnten bisher unter den Fehlstellen der Nischenfresken aus der Mitte des 12. Jahrhunderts keine älteren Putzschichten nachgewiesen werden.
Der vorgelagerte und in den Kreuzgang eingeschlossene Westturm steht in baulichem Zusammenhang mit dem Nonnenchor, jedoch fehlen bisher genauere Vermessungen der Disposition. Nach den Plänen scheint der Turm die Chorwestwand mitzubenützen. Der viergeschossige Turm kann daher frühestens mit dem Nonnenchor entstanden sein. Da in unserem Gebiet die frühesten gesicherten Einzelwesttürme erst im 12. Jahrhundert nachzuweisen sind - wohl in der Nachfolge der monumentalen Doppelturmanlage am Salzburger Dom unter Erzbischof Konrad I. ("turres altissimae") - dürften Westturm und Westchor frühestens im 2. Viertel 12. Jahrhundert entstanden sein. Größere bauliche Veränderungen während des 12. Jahrhundert werden außerdem durch die Altarweihen um die Jahrhundertmitte und die spolierten Portalreste vom ausgehenden 12. Jahrhundert vorstellbar.
Literatur: Tietze, Nonnberg, 1911. - Pühringer, Denkmäler, 1931, 65 - 68. - Demus, Wandmalerei, 1968, 206. - Messerer, Portale, 1978, 112f. - Messerer, Skulpturen, 1981, 329 - 332, 362, 366f. - Koch, Westturmanlage, 1986, 168 - 171. - Dehio, Salzburg, 1986, 551 - 558. - Czerwenka, Katalog, 1992, 113 - 115.
Salzburg (Sbg.)
Benediktiner-Erzabtei St. Peter.
Stiftskirche hl. Petrus
Bau I: Dreischiffige querhauslose Anlage mit gestaffeltem Dreiapsidenchor; unter dem Hauptchor fünfjochige dreischiffige Hallenkrypta; frühromanisch, 11. Jahrhundert
Balderichbau: Dreischiffige dreieinhalbjochige Basilika mit ausladendem Querhaus und Dreiapsidenschluß (rekonstruiert); älterer Westturm. Sächsischer Stützenwechsel im Langhaus, Zwischenjoch, Pfeiler im Chorus minor. Querhaus ursprünglich (nur in der Vierung?) erhöht. 1130 - 1143 (Weihe).
Nach der Haustradition von St. Peter soll das Kloster 582 gegründet worden sein, doch ist dieses Datum erst anläßlich der Milleniumsfeiern von 1582 faßbar. Ebenso umstritten ist, ob der hl. Rupert (gest. nach 715/16) bei seiner Ankunft im Jahre 696 eine bereits vorhandene Mönchsgemeinschaft erneuerte oder das Kloster erstmals gründete. Er errichtete eine dem hl. Petrus geweihte Kirche sowie Klostergebäude und machte sie zum Mittelpunkt der Missionierung Österreichs und Westungarns. Ob sich allerdings die rupertinische Kirche an der gleichen Stelle wie der hochmittelalterliche Kirchenbau von St. Peter befand muß aufgrund der ab 1980/81 durchgeführten Grabungen in Frage gestellt werden. Ein über mehreren römischen Bauhorizonten des 1. bis 5. Jahrhunderts errichteter rechteckiger "Zweikammerbau", wurde von S. Karwiese als erster rupertinischer Kirchenbau St. Peter I. interpretiert. Vor allem H. R. Sennhauser konnte jedoch glaubhaft machen, daß dieser von S. Karwiese ins 8. Jahrhundert datierte Bau schon im 5. oder 6. Jahrhundert als spätantikes Mausoleum entstand. Östlich des "Zweikammerbaus" ergrabene Reste einer Hallenkrypta wurden von S. Karwiese als St. Peter II gedeutet und dem 9. Jahrhundert zugeordnet. Als freistehender karolingischer Kirchenbau wäre diese Anlage unitär, jedoch sprechen die Detailformen für eine nachträglich in einen Kirchenbau eingebaute Krypta aus dem 2. Viertel des 11. Jahrhunderts. Die Grabungsbefunde, deren endgültige Auswertung noch aussteht, lassen vermuten, daß die erste Klosterkirche des hl. Rupert vielleicht unter dem Virgildom zu lokalisieren wäre, wie H. R. Sennhauser aus archäologischer und H. Dopsch aus historischer Sicht vorschlagen. Konkret kann als ältester Kirchenbau derzeit nur die Krypta aus dem 11. Jahrhundert angesprochen werden. Es muß daher offenbleiben, mit welcher Topographie die urkundliche Überlieferung einer Brandzerstörung der "Ecclesia sancti Petri" von 847 in Zusammenhang zu bringen ist.
Im Jahre 987 wurde unter dem Einfluß der Reichsklosterreform durch Erzbischof Friedrich die Abtei St. Peter vom Erzbistum Salzburg getrennt, der Sitz des Erzbischofs verblieb hingegen noch bis 1100 im Kloster. Ein auch den Dom einäschernden Brand von 1127 erforderte einen Wiederaufbau um 1130 unter Abt Balderich (1125 - 1147). Der Neubau wurde 1143 durch Bischof Altmann von Trient geweiht. Das Hauptportal dürfte als späte Ausstattung des Balderichbaus im 3. Viertel des 12. Jahrhunderts entstanden sein, wurde aber bis auf das Tympanon im 2. Viertel des 13. Jahrhunderts erneuert. Als spätromanische Veränderungen sind weiters der Anbau der 1215 durch Herzog Leopold VI. gestifteten Katharinen- bzw. Mariazellerkapelle (1227 geweiht) am südlichen Querhausarm und die Errichtung der Vorhalle mit der Heiligen-Geist-Kapelle (1244 geweiht) an der Südseite des Turmes festzustellen. 1606 wurde der Dreiapsidenschluß des Balderichbaus abgebrochen und die Mittelapsis "ex circulari in quadrata forma" umgewandelt. Das Erscheinungsbild des hochromanischen Baukerns wird im Wesentlichen durch die barocke Umgestaltung ab 1754 bestimmt.
Bau I:
Vom ersten als Kirche identifizierbaren Bau konnten die Fundamente des dreischiffigen Langhauses und die Reste der Seitenapsiden ergraben werden. Der Westabschluß deckt sich mit dem hochromanischen Balderichbau, das über die Seitenapsiden hinausgeschobene Chorquadrat reichte bis zum Querhaus des Nachfolgerbaus, doch konnte hier vor allem die darunterliegende Hallenkrypta erschlossen werden. Von dieser haben sich vier Basen in der Kryptenapsis und eine umlaufende Sitzbank erhalten. Drei der vier Basen sind nach S. Karwiese sekundär verwendete, römische Kämpferkapitelle. Die Außenrundung der Apsis wurde durch angesetzte Stützpfeiler gegliedert. Der fast quadratische Hauptraum dürfte als Vierstützenbau konzipiert worden sein. S. Karwiese rekonstruiert zu dieser Krypta eine Balkendecke - H. R. Sennhauser jedoch überzeugender (wegen der Wandvorlagen) ein frühromanisches Gurtgewölbe. Der Grundrißtypus der dreischiffigen querhauslosen Anlage geht durch die Staffelung des Dreiapsidenschlusses über den im süddeutschen Raum im 11. und frühen 12. Jahrhundert üblichen "bayrischen Grundriß" hinaus.
Die zeitliche Zuordnung des Einzelwestturmes zu einem karolingischen und somit dreiteiligem "Westwerk", wie sie S. Karwiese vorschlägt, entbehrt jeglicher baulicher Grundlage. Auch die in der Forschung nahezu traditionelle Datierung des Westturmes von St. Peter ins Frühmittelalter ist aus Gründen der allgemeinen Entwicklung dieses Bautyps in Abhängigkeit von der frühesten Salzburger Westturmanlage, den 1127 durch Erzbischof Konrad I. (1106 - 1147) errichteten "turres altissimae", nicht haltbar.
Balderichbau:
Der Nachfolgebau läßt unter der barocken Ummantelung ein dreischiffiges basilikales Langhaus mit ausladendem Querschiff erkennen. Abrißspuren am Querhaus sichern zwei Ostapsiden; anstelle des barocken Chorquadrats befand sich mit großer Wahrscheinlichkeit eine gleichfluchtende Hauptapsis. R. Pühringer konnte nachweisen, daß der Westturm zumindest in den Obergeschossen von der Hochschiffmauer umfangen wird. Sein unmittelbarer baulicher Zusammenhang mit der frühromanischen Großkirche konnte allerdings bisher nicht konkret durch Befunde belegt werden.
Der unter Erzbischof Balderich 1130 - 1147 errichtete Bau zeigt in den ersten zwei Mittelschiffjochen einen sächsischen Stützenwechsel von Pfeiler - Säule - Säule - Pfeiler. Die Stützen tragen Würfelkapitelle. Nach einem schmalen Zwischenjoch, in welchem sich nachweislich der Kreuzaltar befand, folgt (ursprünglich durch einen Schwibbogen getrennt?) der ein Joch tiefe Chorus minor, bei dem ausschließlich Pfeiler zur Anwendung gelangen. Der sächsische Stützenwechsel der Laienkirche wird somit im Chorus minor nicht fortgesetzt, jedoch entsteht durch die Pfeilerbildung am Zwischenjoch und die ausgeprägten Vierungspfeiler eine Art latenter Stützenwechsel von massiveren Eckpfeilern und schlankeren Zwischenstützen. Die Ausgrabungen haben ergeben außerdem, daß den Mittelschiffspfeilern des Chorus minor Fundamente für Pfeilervorlagen angestellt wurden. Die quadratische Vierung wird von den schmälern Seitenarmen des ausladenden Querhauses flankiert, bei dem sich unter der barocken Ummantelung Reste eines unprofilierten Rundbogenfrieses über einfachen Konsolen erhalten hat. Der Bau war bis auf die Apsiden flachgedeckt.
Sieht man von Unregelmäßigkeiten ab, die durch die teilweise Beibehaltung der Baufluchten des frühromanischen Vorgängerbaus bedingt sind, liegt dem Grundrißkonzept ein konsequent durchgehaltenes Maß- und Proportionsschema zugrunde. Allerdings kommt es noch nicht zu einem ausgesprochenen "quadratischen Schematismus", bei dem das Quadrat der Vierung zum Ausgangspunkt der gesamten Grundrißgestaltung wird. Die Gestaltung des Chorus maior als Querschiff mit kurzen ausladenden Armen findet sich schon beim Bau der Stiftskirche von Quedlinburg, worauf schon R. Pühringer hingewiesen hat. In das gleiche Herkunftsgebiet führt der in der Laienkirche von St. Peter ausgeführte sächsische Stützenwechsel, der erstmals gemeinsam mit einem strengen Proportionsschema bei St. Michael in Hildesheim verwirklicht wurde. Die Dreiteilung des Kirchenraumes in Laienkirche, Chorus minor und Chorus maior steht in Zusammenhang mit der im schwäbischen Hirsau an St. Peter und Paul bzw. St. Aurelius sich manifestierenden Reformordensarchitektur. Die Orientierung an der Architektur der Reformorden, mehr noch die Übernahme von sächsischen Architekturzitaten, wird seit R. Pühringer auf den Einfluß Erzbischof Konrads I. zurückgeführt, der während des Investiturstreites mehrfach sein Exil in Sachsen verbrachte. Abweichend von diesen Architekturkonzepten ist in St. Peter das Zwischenjoch, welches noch von R. Pühringer für den Chorus minor gehalten wurde, hingegen durch urkundliche und archäologische Belege eindeutig den Kreuzaltar beherbergte und somit vor dem Chorus minor situiert ist.
Literatur: Tietze, St. Peter, 1913. - Pühringer, Denkmäler, 1931, 49 - 61. - Karwiese, Gesamtbericht, 1982. - Fuhrmann, Balderichbau, 1982, 601 - 626. - Karwiese, St. Peter, 1982. - Dopsch/Wolfram, Kontinuität, 1982, 20ff. - Sennhauser, Mausoleen, 1983, 57 - 80. - Wolfram, Rupert, 1983, 84 - 94. - Dopsch, Klöster, 1983, 1007f. - Karwiese, St. Peter, 1984, 27f. - Dehio, Salzburg, 1986, 532 - 550. - Koch, Westturmanlage 1986, 158 - 167 - Czerwenka, Katalog, 1992, 118 - 123.
Salzburg (Sbg.)
Benediktiner-Erzabtei St. Peter.
Stiftskirche hl. Petrus, Westportal
Stufenportal mit drei Rücksprüngen, polygonalen und runden Säulchen, breitem Türsturz und figuriertem Tympanon. Tympanon vor 1167, Portalarchitektur nach 1200 bis vor 1244.
Das rundbogige Stufenportal aus unterschiedlich gefärbtem Marmor bildet das innere Hauptportal von St. Peter. Die Marmorplatten der Portalstirnwand setzen sich hinter der jüngeren Vorhalle, an welche im Süden die Heiligen-Geist-Kapelle (1244 geweiht) anschließt, fort. Die Gewände gliedern sich in eine glatt durchlaufende attisch-romanisch profilierte Sockelzone, drei Pfostenpaare mit unten zur vollen Werkform auslaufenden Kehlungen und in die Rücksprünge eingestellte Säulchen, wobei das vorderste Säulchenpaar polygonal ausgeführt ist. Die Kapitellzone zeigt links zweireihige Knospenkapitelle, rechts zweireihige geriffelte und überhängende Blätter. Die "Schiffskehlen" der Gewändepfosten setzen sich in den Halsringen und Deckplatten der Kapitelle fort. Die Portalöffnung wurde ursprünglich nur von einem breiten Sturz mit Rankenornament überspannt, erst in der Neuzeit, spätestens im 18. Jahrhundert (Lünettengitter von 1766), wurde das Portal durch eine im Korbbogen geschlossene Türrahmung eingeengt. Das halbkreisförmige Tympanon zeigt Christus flankiert von Petrus und Paulus. Die Basisbreite des Bogenfeldes ist wesentlich geringer als die ursprüngliche Portalöffnung, sodaß eine unprofilierte Blende zwischen Tympanon und Archivolten vermitteln muß. Die Archivolten setzen im Prinzip die Gewändestruktur fort.
Der Portaltypus weist im Strukturellen Gemeinsamkeiten mit dem Südportal der Franziskanerkirche in Salzburg und dem Hauptportal der Stiftskirche St. Zeno in Reichenhall auf, die es erlauben von einem "Salzburger Portaltypus" zu sprechen. Auffallend ist die für Portale der Frühromanik übliche, im 12. und 13. Jahrhundert hingegen meist nurmehr bei Nebenportalen angewandte Praxis, das Tympanon "auf den Sturz" zu stellen - es also in seiner Basis nicht bis in den Konsolen- oder Pfostenbereich auszudehnen. Die daher notwendige überleitende Blende zwischen Tympanon und Archivolten übernimmt so die Funktion eines Entlastungsbogens.
Die Instrumentierung einerseits mit Knospenkapitellen, andererseits mit Blätterkapitellen hat ihre Entsprechung am Südportal der Franziskanerkirche, wo sie zwei zeitlich aufeinanderfolgende Planungen verrät, die nach 1167 und vor 1200 zu datieren sind. Nach W. Messerer scheinen die beiden zeitlich verschiedenen Stufen der Gewändeornamentik der Franziskanerkirche für die fortschrittlichere Gestaltung der unterschiedlichen Kapitellzonen am Hauptportal von St. Peter ausschlaggebend gewesen zu sein. Daraus ergibt sich für die Genese des Hauptportales von St. Peter, daß die Wiederverwendung des älteren Tympanons (nach W. Messerer vor 1167) in einem breiter angelegten Portalbau (nach 1200 und vor 1244) eine relativ altertümliche Konzeption im Bereich des Bogenfeldes bedingte.
Literatur: Tietze, St. Peter, 1913. - Messerer, Portale, 1978, 108 - 112 - Messerer, Skulpturen, 1981, 332 - 338. - Fuhrmann, Balderichbau, 1982, 601 - 626. - Dehio, Salzburg, 1986, 534f.
Sarling (NÖ.)
Filialkirche hl. Veit.
Apsidensaal mit flachem Ostabschluß und laubenartiger Vorhalle; Holzkirche über Sockelmauern, 10. - 11. Jahrhundert.
Chorquadratkirche, 12. Jahrhundert.
Saalkirche mit polygonalem Langchor, frühgotisch.
Als Gründer von Sarling wird zwischen 927 und 973 Graf Sarhilo genannt, dessen Nachfahren noch um 1121/1122 als Zeugen nachweisbar sind. Im 12. - 14. Jahrhundert war die Kirche von Sarling Eigenpfarre zunächst der Peilensteiner, dann wird sie im Lonsdorfer Kodex als Patronat der Grafen von Plain bezeichnet. Durch die Grafen von Schaumberg kam die Kirche 1304 an das bayrische Stift Reitenhaslach; 1374 wird sie dem Stift Heiligenkreuz inkorporiert, 1385 dem Stift Säusenstein verkauft. Zwischen 1789 und 1794 war die Kirche aufgehoben.
Grabungen von G. Melzer (1961 - 1969) ergaben als ersten Sakralbau über hallstattzeitlichen Siedlungsresten eine frühmittelalterliche Holzkirche, der bis zur bestehenden frühgotischen Saalkirche fünf Bauphasen folgten.
Die Fundamente des ersten Kirchenbaus sind nur 0,6 m breite und bilden einen kleinen Saalraum mit segmentförmigen Ostabschluß. In das Mauerfundament wurden im Langhausbereich Pfosten einbezogen, sodaß die schmalen Mauern als Auflager für einen Holzbau dienten. Weitere Pfostensetzungen vor der Westfassade gehörten vermutlich zu einer offenen Vorhalle oder Eingangslaube.
Aufgrund von Keramikfunden aus dem 11. und 12. Jahrhundert, die stratigraphisch jünger sind, als die Holzkirche, könnte diese als Eigenkirche des Geschlechtes der Herren von "Sarlingin" (10. - 11. Jahrhundert) angesprochen werden. Der Grundrißtypus mit nicht eingezogenem Segmentabschluß kann im Salzburger Bereich schon ab dem 8. Jahrhundert nachgewiesen werden (Pfongau, hl. Martin, 8. Jahrhundert; Hallwang, hl. Martin, 8. Jahrhundert; Salzburg-Liefering, hll. Petrus und Paulus, vor 790; Thalgau, hl. Martin, Anfang 8. Jahrhundert). Beispiele für Ständerbauten über Sockelmauern konnten mehrfach im niedersächsischen Raum ergraben werden (K. Czerwenka).
Literatur: Tietze, Melk, 1909, 417 - 419. - Melzer, Sarling, 1975, 27 - 30. - Moßler, Kirchengrabungen, 1976, 449. - Offenberger, Linz-Kleinmünchen, 1984, 253. - Czerwenka, Architektur, 1992, 17f.
Scheiblingkirchen (NÖ.)
Pfarrkirche hll. Magdalena und Rupert.
Zentralbau mit Apsis; Mitte 12. Jahrhundert.
Die Rundkirche von Scheiblingkirchen zeigt in ihren stilistischen Ausprägungen und in den tektonischen Elementen den Übergang vom frühromanisch-flächigen Mauerbau zum hochromanischen, plastisch strukturierten Baukörper. Die Dominanz der Wandfläche zwischen den relativ dünnen, weit auseinandergezogenen Lisenen und Halbsäulen, der Verzicht auf einen abschließenden Rundbogenfries zugunsten des einfachen Abschlußgesimses und die noch wenig körperhaft geformte Dekoration der Kapitell- und Konsolplastik erinnern an stilistische Lösungen wie beim Bau der Krypta von St. Pantaleon (NÖ) oder Oberranna. Andererseits besitzt Scheiblingkirchen bereits einen ausgeprägten und profilierten Sockel, wie er schon im 1. Viertel des 12. Jahrhunderts beim Bau der Stiftskirche von Klosterneuburg zur Anwendung gelangte. Charakteristisch für den Stil im nicht klösterlichen Sakralbau um die Mitte des 12. Jahrhunderts ist, daß der Sockel noch nicht um die Wandvorlagen verkröpft wird, sondern gleichsam ein Postament bildet, auf dem die sehr steilen und wenig plastisch geformten Basen der Halbsäulen aufsitzen. Bemerkenswert erscheint, daß die Wandgliederung in den untersten Quaderlagen nur aus einer Halbsäule besteht, erst darüber tritt die sehr flache und unten verschliffene Rücklage der Lisene vor die Wand. Die Gliederung der wahrscheinlich gleichzeitig mit Scheiblingkirchen fertiggestellten und geweihten Kirche im benachbarten Thernberg besitzt bereits voll ausgebildete Wandvorlagen mit Halbsäulen und Lisenen - ein Indiz dafür, daß Scheiblingkirchen kurz vor Thernberg begonnen und nach einem Planwechsel mit den Lisenenrücklagen im Sinne einer mehr körperhaften Gliederung fortgeführt wurde.
Für das Bandrippengewölbe war zweifellos die gegen die Jahrhundertmitte ausgeführte Wölbung im Langhaus von Heiligenkreuz das Vorbild. Bautechnisch gesehen ist jedoch die Form der Wölbeschale - eine Kuppel mit verschliffenen Kappen in Art eines Klostergewölbes - nicht einwandfrei gelöst. Scheiblingkirchen erweist sich darin als ein Bau, welcher zwar versucht, die modernen Errungenschaften des Wölbebaus in den nicht klösterlichen Sakralbau zu übernehmen, der in seiner Gesamtkonzeption aber noch altertümliche, letztlich frühromanische Stilelemente aufweist.
Literatur: Sacken, Rundbauten, 1860, 337 - 341. - Kubes, Kirchenbauten, 1977, 71 - 77. - Schwarz, Architektur, 1979, 33f.
Schleedorf (Sbg.)
Pfarrkirche hl. Stephan.
Saalraum mit abgeschrägtem Chorquadrat, Holzpfostenbau mit Flechtwerkwänden; 9./10. Jahrhundert.
Chorquadratkirche; romanisch, 13. Jahrhundert.
Das passauische Stephanspatrozinium läßt auf eine Kirchengründung des 9. Jahrhunderts schließen, außerdem wird 874 ein Priester Gunther im Zusammenhang mit einer Güterverleihung in "Slehdorf" erwähnt. Im 12. Jahrhundert wird mehrmals ein Walthun von Schleedorf als Passauer Ministeriale bezeichnet. Der heutige Bau wurde im 19. Jahrhundert an den gotischen Chor angebaut.
Durch die Grabungen von A. Lippert (1974) wurde als Erstbau eine frühmittelalterliche Holzkirche erschlossen, der im 13. Jahrhundert eine spätromanische Chorquadratkirche folgte, wobei die Lage des Chorraums auch noch beim gotischen Neubau beibehalten wurde.
Von der frühmittelalterlichen Holzkirche fanden sich insbesondere im Chorraum eine größere Anzahl von runden und teilweise rechteckigen, eng gesetzten Pfostengruben, welche ein breitrechteckiges Chorquadrat mit abgerundeten Ecken ergab. Lehmbewurfbrocken mit Abdrücken von dünnen Zweigen stammen von den aufgehenden Flechtwerkwänden. Vor dem Triumphbogen wurde eine Pfostensetzung für den Altartisch gefunden. Zwei achsiale Pfostengruben im zugehörigen Langhaus, dessen Länge nicht bestimmt werden konnte, deuten auf einen Firstpfostenbau.
Durch Keramikfunde kann der Bau ins 9. - 10. Jahrhundert datiert werden. Der Typus der Holzkirche entspricht zunächst jenem einer (zweischiffigen) Chorquadratkirche im Steinbau. Bemerkenswert ist jedoch der beinahe bogenförmige Chorschluß. Ein noch weiter ausgeprägtes Beispiel für den bogenförmigen Abschluß eines Chorquadrates konnte bei Herschling (Oberbayern) ergraben werden. Im Aufgehenden bestanden die Wände dieser Kirche aus der Mitte des 7. Jahrhunderts - wie später in Schleedorf - ebenfalls aus lehmverschmierten Flechtwerk. Die Rückübersetzung steinerner Apsiden in den Holzkirchenbau war nur durch die sonst hauptsächlich im Profanbau üblichen Flechtwerkswände möglich und fand offensichtlich in Bayern schon im 7. Jahrhundert statt. Hier scheinen auch die Vorläufer für die Stephanskirche in Schleedorf zu suchen sein.
Literatur: Koller-Lippert, Schleedorf, 1974, 15 - 36. - Czerwenka, Architektur, 1992, 124 - 126.
Thalgau (Sbg.)
Dekanatskirche hl. Martin.
Bau I: Apsidensaal mit segmentbogenförmigem Ostabschluß, Anfang 8. Jahrhundert.
Bau II: Chorquadratkirche, Presbyterium innen segmentbogig; 9. Jahrhundert.
Bau III: Saalraum mit abgeschranktem Presbyterium und Vorhalle; 10. Jahrhundert.
Bau IV: Chorquadratkirche mit Halbrundapsis; 11. Jahrhundert.
Bau V: Zweischiffiger Bau mit Halbrundapsiden; 12. Jahrhundert.
Bau VI: Zweischiffiger Bau mit geradem Abschluß, 13. Jahrhundert, urkundlich 1243 Pfarre.
Laut einer Erwähnung von 788 schenkte Anfang des 8. Jahrhunderts Herzog Theodbert dem Kloster Nonnberg unter anderem die Kirche in "Talagaoe". Für 1182 wird die Weihe der Martinskirche durch Erzbischof Konrad III (1177 - 1183) überliefert. 1243 wird sie urkundlich als Pfarre bezeichnet. Der heutige Bau, eine barocke Saalkirche, wurde bis auf den im Kern gotischen Westturm 1747 - 49 errichtet. Grabungen durch G. Melzer (1979) erbrachten insgesamt sieben vorbarocke Kirchengrundrisse, wobei von der zweischiffige Kirche mit Langchor aus der siebenten Bauphase (15. Jahrhundert) nur der Turm als letzter baulicher Rest in den barocken Neubau einbezogen wurde.
Der Erstbau hatte ein parallel verzogenes Langhaus mit nicht eingezogener flacher Apsis. Zwei Pfostengruben in der Mauer vor der Apsiskrümmung werden vom Ausgräber als Ansatzstelle für eine hölzerne Chorschranke gedeutet, der die Kirche mit der Nennung vom Anfang des 8. Jahrhunderts in Verbindung bringt. Der Typus ist in Salzburg und Bayern in den letzten Jahren mehrmals ergraben: in Salzburg-Liefering (Kirche des Petrus und Paulus), in Hallwang und Epolding-Mühltal bei München.
Der zweite frühmittelalterliche Kirchenbau aus dem 9. Jahrhundert überdeckte mit seinem Saalraum den gesamten Vorgänger und wurde nur nach Osten hin um ein Chorquadrat verlängert, dessen verstärkte Ostmauer innen segmentbogig abschloß.
Erst im 10. Jahrhundert kam es zu einer wesentlichen Vergrößerung des Kirchenbaus. Diese Saalkirche muß im Außenbau völlig ungegliedert gewesen sein, lediglich zwei Binnenmauern im Osten und Westen trennten das Presbyterium und eine Vorhalle ab. Beide ausgeschiedenen Raumteile sind auffallend schmal, sodaß es sich bei den ergrabenen Mauerzügen vielleicht nur um die Fundamente für Abschrankungen handelte. Bemerkenswert ist, daß die dritte frühmittelalterliche Bauphase vom üblichen Schema der Chorbildung (Bau I: Apsis, Bau II: Chorquadrat) abgeht und zu einem viel älteren Konzept des Einheitsraumes zurückkehrt.
Im 11. Jahrhundert folgt als vierter Bau eine frühromanischen Chorquadratkirche mit Halbrundapsis, die als frühes Beispiel dieses dann in der Hoch- und Spätromanik wichtigen Bautypus angesehen werden kann. Der Bau des 12. Jahrhunderts war zweischiffig mit Doppelapsiden; der urkundlich 1243 als Pfarrkirche genannte sechste Kirchenbau hatte einen geraden Ostabschluß.
Die früh- und hochmittelalterlichen Kirchen von Thalgau belegen, daß die typengeschichtliche Entwicklung im Kleinkirchenbau keineswegs linear verläuft und zu oft originellen Abwandlungen der Grundtypen führt.
Literatur: Buberl, Kunsttopographie 10/1, 1913, 229 - 243. - Melzer, Thalgau, 1984, 37 - 59. - Czerwenka, Architektur, 1992, 130f.
Thernberg (NÖ.)
Pfarrkirche Unbefleckte Empfängnis Mariens.
Chorquadratkirche mit Apsis; gegen 1164.
In einer unter 1147 angeführten Urkundenabschrift des Chronicon Reichenspergense (III, 951) wird überliefert, daß der Ministeriale des Grafen Eckbert, Rapoto de terinberc, eine Kapelle erbaute, die von Erzbischof Eberhard I. von Salzburg (1147 - 1164) geweiht wurde. Da unter den Zeugen auch der Propst Arno von Reichersberg (1169 - 1175) erscheint, ist diese im Original nicht erhaltene Urkunde entweder eine Fälschung oder entstand erst um 1175. Im Zusammenhang mit der aus stilistischen Gründen eng verwandten Rundkirche von Scheiblingkirchen und einer auf diesen Rundbau bezogenen weiteren Urkunde kann jedoch die Weihe der Kirche von Thernberg gegen 1164, dem Todesjahr Erzbischofs Eberhard I., als gesichert angenommen werden.
Das Gebiet von Thernberg gehörte zum alten salzburgischen Missionsbereich, wobei bereits um 860 eine Laurentiuskapelle in Thernberg genannt wird. Kirchenrechtlich unterstand der Bau des 12. Jahrhunderts der Pfarre Bromberg und wurde von hier aus durch Chorherren des Stiftes Reichersberg (OÖ) seelsorgisch betreut. Die Erhebung zur selbständigen Pfarre erfolgte erst 1782. Der bis dahin in seinem hochmittelalterlichen Bestand unberührte Bau wurde durch Umorientierung, Erhöhung und Neuwölbung wesentlich verändert und in den oberen Teilen des Langhauses zerstört.
Im Typus entspricht der romanische Bau der sogenannten "erweiterten oder vollständigen Anlage" mit einschiffigem Langhaus, Chorquadrat und Apsis. Das Langhaus war ursprünglich durch Bandrippengewölbe und einen stark vorspringenden Gurtbogen in zwei Joche unterteilt, woraus sich die strengen Langhausproportionen von 1 : 2 zwangsläufig ergeben. Die Rippen besitzen noch keinen ausgeprägten Schlußstein, vielmehr läuft ein Transversalband durch, das andere ist ohne Verzahnung angesetzt. Die erhaltenen Wandvorlagen in den Jochecken zeigen diagonal zum Raum orientierte Würfelkapitelle über Halbsäulen und sehr steile, attisch profilierte Basen. Die Halbsäulen werden durch Rücklagen hinterlegt, die sich jedoch nicht als Schildbögen in der Wölbezone fortsetzen, sondern abrupt bei den Kämpferplatten enden. Die Wölbung des Chorquadrats hat sich nicht erhalten, doch kann mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Tonnengewölbe über einfachem Gesims rekonstruiert werden; daran schließt - getrennt durch einen niedrigen Triumphbogen - die ungegliederte Apsis an.
Das Bandrippengewölbe im Langhaus gehört mit jenem im benachbarten Scheiblingkirchen (vor 1164) und der Kapelle der Burg Liechtenstein (Burg urkundlich gesichert für 1156) zu den frühen Rippengewölben im nicht klösterlichen Sakralbau Österreichs. Die ältesten Gewölbe dieser Art bestanden vermutlich bei der Stiftskirche von Klosterneuburg (1. Bau von 1114 - 1136); die frühesten erhaltenen Bandrippengewölbe im Langhaus zeigt die Zisterzienserstiftskirche von Heiligenkreuz.
Literatur: Kubes, Kirchenbauten, 1977, 60 - 63. - Schwarz, Architektur, 1979, 29f.
Viktring bei Klagenfurt (Ktn.)
Ehemaliges Zisterzienserstift
Pfarr- und ehemalige Stiftskirche Unsere Liebe Frau
Dreischiffige spitztonnengewölbte Pfeilerstaffelhalle mit ausladendem Querhaus; Mitte 12. Jahrhundert begonnen, 1202 geweiht.
Graf Bernhard von Spanheim, ein Onkel Herzog Ulrichs I. von Kärnten und seine Frau Kunigunde, Tochter Markgraf Otakars von Steier gründeten 1142 auf ehemaligem Salzburger Besitz das einzige Zisterzienserkloster Kärntens. Für die Besiedlung wandte sich der Stifter an das lothringische Kloster in Weiler-Bettnach (Villars), wo sein Neffe Heinrich Abt war. Ab 1143 stand das Kloster unter erzbischöflich-salzburgischen und ab 1146 unter päpstlichem Schutz. Aufgrund des bedeutenden Ranges der Stifter war das Kloster von Beginn an reich dotiert, sodaß schon um die Mitte des 12. Jahrhunderts mit dem Abbruch der ersten provisorischen Holzbauten und dem Baubeginn der bestehenden Klosterkirche gerechnet werden kann. Nach W. Deuer wurden bald nach 1170 wesentliche Teile der Kirche fertiggestellt; die Weihe des gesamten Klosters erfolgte 1202 durch Erzbischof Eberhard von Salzburg.
In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde der Chor um einen polygonalen Schluß erweitert und außerdem ein massiver Nordturm beim nördlichen Querhausarm errichtet - eine Besonderheit im Rahmen der im allgemeinen turmlosen Zisterzienserarchitektur dieser Zeit. Im 15. Jahrhundert wurde vor allem die nördliche Kirchenflanke geöffnet und um Seitenkapellen erweitert. Durch Abbruch der ursprünglichen Trennwand zwischen den beiden nördlichen Chorkapellen schuf man im späten 15. Jahrhundert die Annenkapelle mit Rautensterngewölbe. Außerdem dürften beim spätgotischen Umbau auch die Gewölbegurten im Langhaus und Querschiff ihre spitzbogige Form erhalten haben.
Seit der Aufhebung des Klosters 1786 dient die Kirche nurmehr als Pfarrkirche. Dieser Bedeutungsverlust und massive Bauschäden erforderten 1843 die Abtragung und Verkürzung des Kirchenschiffes um zweieinhalb Joche; den Westabschluß bildet seither ein klassizistischer Fassadenspiegel.
Die Kirche war somit vor dem Teilabbruch eine dreischiffige, spitztonnengewölbte Pfeilerstaffelhalle von vier Jochen Länge, mit vorspringendem Querhaus und je zwei platt schließende Querhauskapellen sowie ein vorgeschobenes Chorquadrat. Die Mittelschiffjoche sind längsrechteckig, ebenso die Seitenschiffjoche. Die quadratische Vierung und der leicht tiefrechteckige Chor weisen mit den Langhausjochen keine zusammenhängende Proportionierung auf. Während das Mittelschiff eine fensterlose Längstonne aufweist, sind die Seitenschiffe mit Quertonnen gewölbt. Als jochtrennende Akzente im Langhaus dienen über Hängelisenen abgefangene Gurten an jeder zweiten Arkadenöffnung, sodaß sich daraus eine Art gebundenes System ergibt. Durch den nahezu gänzlichen Verzicht auf Bauornamentik wirkt der Raum insbesondere durch seine klare tektonische Strukturierung von Längs- und Quertonnen.
Die in Viktring verwirklichte architektonische Lösung hat ihre Vorbilder in der zisterziensischen Architektur Burgunds - unmittelbares Vorbild könnte der Erstbau von Clairvaux (1115 gegründet) gewesen sein, der allerdings später durch einen Neubau ersetzt wurde. Die Stilstufe von Clairvaux I. wird uns jedoch in der 1147 geweihten Klosterkirche von Fontenay überliefert. Anders als etwa in den babenbergischen Zisterziensergründungen (Heiligenkreuz) blieb die Übertragung eines rein burgundischen Kirchentypus nach Viktring ohne Nachfolge.
Literatur: Ginhart, Seestifte, 1955, 32 - 43. - Ginhart, Viktring, 1962. - Deuer, Viktring, 1985, 245 - 287. - Fuchs, Bauforschungen, 1985, 289 - 297. - Deuer, Viktring, 1992.
Wieselburg (NÖ.)
Pfarrkirche hl. Ulrich.
Kirchberg: ehemalige Wehrkirche und Fluchtburg.
Zentralbau über griechischem Kreuz; oktogonale Kuppel, Ende 10. Jahrhundert.
Turmartiger Anbau
In einer zwischen 976 und 979 ausgestellten Urkunde Kaiser Ottos II. (973 - 983) verleiht dieser dem Bischof Wolfgang von Regensburg (972 - 994) das Recht, in dem seit den Ungarneinfällen (907 - 955) verödeten Gebiet am Zusammenfluß der Großen und Kleinen Erlauf zum Schutz von Steinakirchen ein castellum (Fliehburg) zu errichten, woraus sich der Ortsname (Z)wieselburg ableitet. Das einfache Wall-Grabensystem wurde durch einen Turm zusätzlich gesichert. Noch zu Lebzeiten Bischof Ulrichs wurde in einer zweiten Phase diese Befestigungsanlage erweitert und auf dem Innenplateau die dem hl. Ulrich geweihte Kirche errichtet. Da Ulrich 993 heiliggesprochen wurde kann diese Phase zwischen 993 und 994 präzisiert werden.
1107 schenkte Bischof Hartwik von Regensburg (1105 - 1126) die Filiale Wieselburg samt der Pfarre Steinakirchen an das Kloster Mondsee. Ab 1235 war dann Wieselburg selbständige Mondseer Pfarre. 1706 gelangte Wieselburg von Mondsee in passauischen Besitz und 1785 wurde sie landesfürstliche Pfarre. Untersuchungen anläßlich der Kirchenerweiterung von 1952 und Grabungen durch H. Ladenbauer-Orel und G. Melzer (1956 - 1961) führten zur Wiederentdeckung des ottonischen Zentralbaus und Klärung der Baugeschichte: der frühmittelalterliche Bau wurde zunächst durch einen U-förmigen Anbau im Westen, der vermutlich als Wohn- oder Wehrturm diente erweitert. Um 1500 wurde der Zentralbau nach Westen geöffnet und zum Chor einer zweischiffigen gotischen Hallenkirche umgebaut. Seit der Kirchenerweiterung von 1953 - 1956 bildet diese spätmittelalterliche Kirche die Eingangshalle des Neubaus.
Der ottonische Zentralbau ist in Form quadratischen Hauptraumes mit kurzen, tonnengewölbten Seitenarmen ausgebildet. Zwischen dem quadratischen Unterbau und dem oktogonalen Klostergewölbe der Kuppel vermitteln Trompen.
Einen wesentlichen Anteil an der Raumwirkung hat die flächendeckende Freskierung, welche - in Abwandlung eines byzantinischen Dekorationschema - den Pantokrator, darunter Engel und schließlich in den Trompen die vier Evangelistensymbole zeigt. Durch die streifenförmige Aufteilung der malerischen Ausstattung in fünf horizontale und durch breite Bänder unterteilte Zonen wird der architektonische Höhenzug der Kuppel gemildert. Außerdem sitzen die Medaillons der ersten Zone über den Fenstern nicht in der Achse der Gewölbekappen, sodaß der Schluß naheliegt, daß mit der Dekoration das klare Verhältnis stereometrischer Formen (Durchdringung des Hauptraumes durch die Kreuzarme und großflächige Konzeption der Gewölbeschale) gemildert werden sollte. Stilistische und epigraphische Erwägungen deuten darauf hin, daß die malerische Ausstattung erst in einer zweiten Phase um 1000 entstand. Der Außenbau mit seinen ungegliederten Wandflächen vermittelt einen wesentlich besseren Eindruck des älteren architektonischen Konzepts.
Der Typus des Zentralbaus läßt an oberitalienische Parallelen denken wie etwa im lombardischen Bereich (Piemont, Ponzo Canavese oder Settimo Vittone), worauf R. Wagner-Rieger hingewiesen hat.
Literatur: Ladenbauer-Orel, Wieselburg, 1962, 89 - 91. - Oswald/Schaeffer/Sennhauser, Kirchenbauten, 1966, 375f. - Ladenbauer-Orel, Wieselburg, 1971, 75f. - Ladenbauer-Orel, Wieselburg, 1972, 341 - 346. - Czerwenka, Architektur, 1992, 25 - 27. - Wagner-Rieger, Architektur, 1991, 34.
Wildungsmauer (NÖ.)
Filialkirche hl. Nikolaus.
Chorquadratkirche, ehemals mit integrierter Westturmanlage; um 1200.
Die Kirche geht auf eine Gründung der hier ansässigen Herren von Wildungsmaure zurück, die in diesem Gebiet von 1182 bis 1391 urkundlich nachzuweisen sind. Kirchenrechtlich gehörte Wildungsmauer bis 1783 zur Pfarre Petronell, seither als Filiale zu der von Petronell ausgegliederten josephinischen Pfarre von Regelsbrunn. Besitzungen im Ort Wildungsmauer, angeblich eine Gründung der Vohburger um 1100, wurden zwischen 1108 und 1127 durch Markgraf Diepold II. an das Stift Göttweig übergeben. Ob bereits zu diesem Zeitpunkt eine Kirche in Wildungsmauer bestand, konnte bisher nicht geklärt werden, da Grabungen anläßlich von Restaurierungen keine Spuren eines Vorgängerbaus ergaben.
Der relativ kleine Bau, eine Chorquadratkirche, weicht bautechnisch durch seine nahezu 2 m mächtigen Mauern von den üblicherweise nur bis 1,2 m starken Mauern romanischer Kleinkirchen ab, wie ein Vergleich mit der größeren ehemaligen Mutterkirche in Petronell zeigt. Spuren von Dübellöchern in atypischer Lage und das verhältnismäßig große Quaderformat geben berechtigten Anlaß zur Vermutung, daß beim Bau Material der nahegelegenen römischen Ruinen verwendet wurde. Im Bereich über der Wölbung des Langhauses wurden die Mauern durch einen Brand, der zeitlich noch ins Mittelalter zu datieren wäre, zerstört und in Bruchsteinmauerwerk ohne Wiederherstellung des Abschlußgesimses erneuert. Um 1817 folgte eine weitere Erhöhung der Kirche, die Errichtung des westlichen Dachreiters und der Vorhalle. Dabei vermauerte man das romanische Nordportal und einen Hocheinstieg auf die Empore und verlegte den Zugang nach Westen.
Dieser Hocheinstieg führte ursprünglich auf die Empore und von hier aus durch ein weiteres Portal und eine steile Treppe in der Giebelwand auf den Dachboden. Der heutige Zugang zur Empore erfolgt über einen Erweiterungsbau (um 1970) der Vorhalle von 1817 durch dieses im Hochmittelalter nur zur Empore geöffnete Portal. Mauerreste am Ende der Treppe auf den Dachboden, auf denen seit 1817 der Dachreiter aufsitzt, belegen, daß schon die romanische Chorquadratkirche einen Dachreiter besessen hat. Die Kirche von Wildungsmauer gehört demnach zu jenem in Österreich seltenen Typus einer Herrschaftskirche mit integriertem Westturm, wie sie erstmalig im 1. Viertel des 12. Jahrhunderts an der Propsteikirche in Zwettl, einer Gründung Hadmars I. von Kuenring, und nochmals um 1200 bei der Pfarrkirche von Güssing (Burgenland), also im ehemaligen westpannonischen Einflußgebiet, nachzuweisen ist. Im Gegensatz zu diesen Beispielen ruht jedoch der Westturm in Wildungsmauer nicht auf der Westempore auf, sondern in voller Breite auf der mächtigen Westmauer. Dies wäre demnach als eine der Wurzeln für die enorme Mauerstärke zu werten.
Für die zeitliche Bestimmung der Kirche von Wildungsmauer sind der verkröpfte, attisch profilierte Sockel und der erhaltene Rundbogenfries am Chorquadrat wichtig. Sie entsprechen der Stilstufe um 1200, wobei formal der Aufbau des Rundbogenfrieses mit seinen tief herabgezogenen Bogenfüßen Ähnlichkeit mit jenem am Hochgaden der Pfarrkirche von Deutschaltenburg (gegründet 1213) zeigt. Stilistisch hingegen läßt das Profil von Wildungsmauer noch nicht jenes Einsinken der Kehle in den wandseitigen Wulst und die weich fließenden Übergänge in den Einzelformen erkennen, wie sie für das ausgehende erste Jahrhundertviertel charakteristisch werden.
Das stark verstümmelte Nordportal läßt sich dem Typus der kämpfer- und tympanonlosen Portale zuordnen, wobei als Besonderheit anzuführen ist, daß das Sockelprofil als Rahmung um die Portalöffnung herumgeführt wird, eine Eigenheit, die vor allem beim sogenannten sächsisch-hirsauischen Portaltypus entwickelt wurde. Dadurch wird die Portalzone stärker an die Sockelzone gebunden.
Der Raumeindruck im Inneren wird von schweren Bandrippengewölben über in ihrer Massigkeit hypertrophierten, undekorierten Konsolen und Hängelisenen bestimmt. Ein tief herabgezogener, zweifach gestufter Triumphbogen trennt Langhaus und Chor. Sieht man von der überaus schwer wirkenden Blockhaftigkeit der Gliederungselemente ab, so wird in der Ausgestaltung des Innenraumes auf das Formengut der zisterziensischen Baukunst aus der Mitte des 12. Jahrhunderts zurückgegriffen. Die Art, wie das Gewölbe über Hängelisenen mit flankierenden Konsolen abgefangen wird, hat seinen nächsten Verwandten in der Langhauswölbung von Heiligenkreuz aus der Zeit um 1150. Die spätestens gegen 1240 vollendete Pfarrkirche von Schöngrabern zeigt in ihrer Lösung der Langhauswölbung ebenfalls diesen Rückgriff auf die ältere zisterziensische Ordensbaukunst, allerdings ohne die Massigkeit des Baus von Wildungsmauer. Daraus wird ersichtlich, daß Wildungsmauer zwar in seinen retardierenden Stiltendenzen den allgemeinen Stilgepflogenheiten der Ministerialenbaukunst um die Gruppe von Deutschaltenburg folgt, allerdings als Sonderfall nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser spätromanischen Bautengruppe gesehen werden kann.
Literatur: Donin, Portale, 1915, 35. - Schwarz, Spätzeit, 1976, 515.
Zell am See (Sbg.)
Stadtpfarrkirche hl. Hippolyth.
Bau I: Apsidensaal mit pastophorienartigen, apsidial geschlossenen Seitenräumen; Hallenkrypta. 2. Viertel 10. Jahrhundert
Bau II: Dreischiffige, sechsjochige, querhauslose Pfeilerbasilika mit Dreiapsidenschluß (teilweise rekonstruiert); um 1130.
Schon Mitte des 8. Jahrhunderts dürfte in "Bisonzio" - wie der seit keltischer Zeit besiedelte Ort damals genannt wurde - eine Mönchsgemeinschaft bestanden haben und um 790 (Indiculus Arnonis) wird erstmals eine "Cella" erwähnt. Zwischen 1121 und 1129 erfolgte die Umwandlung des Klosters in ein reguliertes Augustiner-Chorherrenstift, das bis 1217 bestand. Der letzte Probst von Zell, Rüdiger von Radeck, wird in diesem Jahr erster Bischof des neugegründeten (bis 1806 bestehenden) Bistums Chiemsee und erhält Zell als Mensalpfarre. Grabungen durch F. Moosleitner (1972 - 1975) erbrachten einen ottonischen Erstbau, der - vermutlich im Zuge der Umwandlung des Klosters in ein Augustiner-Chorherrenstift - um 1130 durch eine romanische Basilika ersetzt wurde; das Kloster war um 1168 vollendet. Das heutige Erscheinungsbild wird im Wesentlichen durch Umbauten im 13. und 14. Jahrhundert (Wölbungen und Chor), durch den im 2. Viertel des 15. Jahrhunderts errichteten Westturm und den Einbau einer spätgotischen Westempore (1514/1515) bestimmt. Die Schlußweihe nahm 1516 der Bischof von Chiemsee, Berthold Pürstinger, vor.
Bau I:
Im nördlichen Seitenschiff und punktuell im Mittelschiff des romanischen Kirchenbaus konnten ein langgestreckter Saalraum und ein apsidial geschlossener nördlicher Annexbau ergraben werden. Vom Ostteil dieser Kirche blieb nur die mit dem Saalraum gleich breite Hallenkrypta erhalten. Ihre Apsis bildete den Unterbau für den nicht eingezogenen Chorschluß der Kirche. Der nördliche Annexbau war durch Zungenmauern, welche im aufgehenden Mauerwerk des romanischen Nachfolgerbaus bis zu 2 Meter Höhe beibehalten wurden, getrennt. Vom südlichen Pendant des Annexraumes konnte lediglich die entsprechende Zungenmauer festgestellt werden.
Die dreischiffige, zweijochige, halbrund schließende Krypta hatte vermutlich Kreuzgratgewölbe, wie aus zwei Wandpfeilern an der Westwand der Krypta und aus zwei runden Tuffsteinsockeln, den ehemaligen Basen von Rundstützen, abgeleitet werden darf. Die Krypta wurde durch zwei schmale Treppen entlang der Mauerzungen der Mittelapsis erschlossen.
Der Grundrißtypus des Saalraums mit pastophorienartigen Annexen ist frühmittelalterlich und läßt sich unter anderem an einem Vorgängerbau des Domes von Trient (6. oder 9. Jahrhundert), oder am ersten Kirchenbau von S. Salvatore in Brescia aus dem 8. Jahrhundert nachweisen. Dieser Bau war ebenfalls mit einer Krypta ausgestattet. Frühmittelalterlich ist auch das zellenartige und additive Aneinanderfügen von Haupt- und Nebenräumen, während die nicht eingezogene Apsis ihre Wurzeln in der spätantik-frühchristlichen Repräsentationsarchitektur hat. Weitere vergleichbare Kirchenbauten in der Schweiz (Sursee, Laufen und Lutry), die Mitte des 9. bis ins 11. Jahrhundert datiert werden, belegen das Weiterleben dieses Typus bis in die Frühromanik. Die Vorbilder für den Kirchenbau von Zell am See dürften in Oberitalien zu suchen sein.
Der als Erstbau archäologisch gesicherte Kirche ist aufgrund ihrer Größe sicher nicht mit der Klosterkirche der "Cella" aus dem 8. Jahrhundert zu identifizieren. Außerdem fehlt jeglicher bauliche Hinweis auf das frühe Kloster. Aus realgeschichtlichen Überlegungen wäre als Auftraggeber Erzbischof Odalbert denkbar, der sich während der Ungarnstürme in den sicheren Pinzgau zurückgezogen hatte und in Zell 926 und 927 urkundlich nachweisbar ist. F. Moosleitner denkt sogar an die Errichtung eines "Ersatzdomes".
Bau II:
Nach F. Fuhrmann und F. Moosleitner wurde der Bau aus dem zweiten Viertel des 10. Jahrhunderts aus Anlaß der Gründung des Augustiner-Chorherrnstiftes um 1130 abgetragen und unter weitgehender Beibehaltung der Orientierung und der Größenverhältnisse als turmlose dreischiffige, sechsjochige Pfeilerbasilika mit Dreiapsidenschluß neu errichtet. Trotz Errichtung der Apsiden über den alten Fundamenten sind diese nicht mehr durchlaufend, sondern im Sinne der Hochromanik eingezogen und abgestuft. Der Bau war flachgedeckt und die Achsen des Obergadens waren unabhängig von denen der Arkaden. Erst bei der Einwölbung des Mittelschiffes um 1230 wurden die spätromanischen Fenster mit dem Aufriß der Travée in Beziehung gesetzt. Seit der letzten Restaurierung (1972 - 1975) ist unter Beibehaltung der spätromanischen Halbrunddienste die hochromanische Situation mit Flachdecke wieder hergestellt.
Literatur: Martin, Zell, 1934, 308 - 319. - Fuhrmann, Zell, 1975, 21 - 32. - Pagitz, Zell 1975, 45 - 70. - Moosleitner, Zell, 1977, 4 - 10. - Fuhrmann, Zell, 1977, 10 - 20. - Wagner, Zell, 1976, 35. - Koller, Klöster, 1977, 10 - 20. - Dehio, Salzburg, 1986, 501 - 503. - Czerwenka, Katalog, 1992, 132 - 134.
Zwettl (NÖ)
Ehemalige Pfarr-, jetzt Propsteikirche hl. Johannes Evangelist.
Chorquadratkirche mit Apsis und integrierter Westturmanlage; Burgkirche um 1120.
Die Pfarre Zwettl geht als Kuenringergründung auf das Ende des 11. oder frühen 12. Jahrhunderts zurück, die erste urkundliche Nennung erfolgte 1138. Die in unmittelbarer Nachbarschaft der Kirche errichtete Burg wurde 1231 beim Ministerialenaufstand durch den Landesfürsten zerstört und an ihrer Stelle erst 1483 die von Kaiser Friedrich III. gegründete Propstei errichtet. Die Kirche selbst erhielt um 1300 einen Kapellenanbau und im 15. Jahrhundert einen Ostturm über dem Chorquadrat.
Vom romanischen Kirchenbau haben sich das Langhaus, das Chorquadrat und die Apsis zur Gänze erhalten. Der Bau war flach gedeckt und besaß im Westen eine zweigeschossige Emporenanlage, die sich in drei Arkaden gegen das Langhaus öffnete. Die Reste dieser aufwendigen Herrschaftsempore hat sich im Kern unter der jetzt barockisierten Orgelempore erhalten. Der Dachreiter mit seinem später aufgestockten Obergeschoß ruht einerseits auf der Westwand, andererseits auf den Arkadenpfeilern der Empore auf.
Zur nahegelegenen Burg, deren romanische Ostfassade zum Teil noch im Mauerwerk der jüngeren Propstei nachzuweisen ist, bestand ein gemauerter, mehrgeschossiger Übergang. Von diesem sind die Abrißspuren und die Hocheinstiege in der Kirchenwestwand zu erkennen. Baugeschichtliche Untersuchungen ergaben, daß die Kirche gleichzeitig mit den Ostteilen der Burganlage um 1120 entstanden ist. Kirche und Burg bildeten daher bereits im frühen 12. Jahrhundert eine bauliche Einheit, die von einem Wall-Grabensystem, das heute noch den Friedhof an drei Seiten begrenzt, umgeben war.
Die ehemalige Pfarr- und Propsteikirche von Zwettl belegt einerseits das frühe Auftreten der sogenannten "vollständigen oder erweiterten Anlage" mit Langhaus, Chorquadrat und Apsis im Bereich der babenbergischen Ministerialenbaukunst, andererseits die Synthese dieses Typus mit dem integrierten Einzelwestturm. Durch die bauliche Verbindung von Turm und Emporenpfeiler wird die Westanlage gleichsam als eigenständiges Oratorium vom Langhaus abgetrennt. Westanlagen ähnlicher Prägung fanden vor allem im böhmischen und westungarischen Bereich bis ins frühe 13. Jahrhundert bei Herrschaftskirchen und Burg-Kirchen-Anlagen häufige Anwendung. Im babenbergischen Herrschaftsgebiet bilden die Propsteikirche von Zwettl und die erst um 1200 entstandene Filialkirche von Wildungsmauer die einzigen nachweisbaren Vertreter dieses Typus. Die Pfarrkirche von Güssing (Burgenland), ein Ziegelbau der gleichen Westturmgruppe, gehörte im Mittelalter bereits zum westpannonischen Gebiet. Stilistisch zeigt die Propsteikirche im Fehlen eines Sockels und der fast ausschließlichen Schmucklosigkeit die Nähe zu frühromanischen Baugepflogenheiten.
Literatur: Buberl, Zwettl, 1911, 421 - 426. - Pongratz/Seebach, Burgen, 1971, 146ff. - Koch, Westturmanlage, 1986, 259 - 261.
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